ZEROS

Nichts gegen El Vez, jenen Herren, der es in den letzten Jahren schaffte, sich mit seinen Interpretationen von Elvis-Klassikern ein ziemlich grosses Publikum zu erspielen und sogar in Deutschland von TV-Show zu TV-Show durchgereicht zu werden, aber mein Ding war und ist das nicht - im Gegensatz zu den ZEROS, jener Band, deren Mitbegründer Robert "El Vez" Lopez anno ´77 (oder bereits ´76?) war. In einem Vorort von San Diego gegründet, wurden die ZEROS seinerzeit von irgendwem mit dem Attribut "The Mexican Ramones" belegt, was musikalisch nie wirklich Sinn macht und die Band bis heute wie ein Fluch verfolgt. Bis heute? Ja, bis heute, denn die ZEROS, 1981 eigentlich aufgelöst, meldeten sich nach Jahren unregelmässiger "Reunion"-Shows Ende 1999 mit einem neuen Album auf Bomp! zurück. "Right Now!", so der Titel, ist dabei alles andere als ein schlapper Aufguss der alten ZEROS, sondern eine grossartige Platte, die etwa mit "Hurry, hurry, hurry" oder "You, me, us" kickende, eingängige Punkrock-Songs bietet. Und die funktionieren auch live, wie die ZEROS Ende April und Anfang Mai auf ihrer Deutschland-Tour bewiesen, die sie in Originalbesetzung absolvierten, als da wären: Javier Escovedo (dessen älterer Bruder übrigens Alejandro Escovedo von den NUNS und RANK AND FILE ist) an der Gitarre, Baba Chenelle an den Drums, Hector Peñalosa am Bass und natürlich Robert Lopez, ebenfalls Gitarre - zum Gesang tragen alle vier bei. Nach dem Auftritt im Gleis 22 in Münster, bei dem übrigens Deniz Tek mit seiner französischen Begleitband schon ein unglaubliches "Vorprogramm" bestritt, zogen wir uns mit Javier und Baba zwecks Interview zurück.

Wie kam´s dazu, dass die ZEROS sich letztes Jahr ins Studio begaben, ein neues Album einspielten und jetzt sogar hier auf Tour sind?


Javier:
"Ich habe in den letzten Jahren vor allem mit CHARIOT Musik gemacht und mit denen übrigens auch letztes Jahr hier in Münster gespielt. Ich wurde immer wieder auf die ZEROS angesprochen, und nach unserer Rückkehr in die USA ergab es sich dann, dass ich mit meinen alten Bandmates von den ZEROS sprach und sie fragte, was sie von einem neuen ZEROS-Album halten würden. Tja, die drei hatten Lust, wir nahmen das Album auf und es erschien nur logisch, dann auch auf Tour zu gehen."

Wie war denn der Status der ZEROS in den Jahren davor?

Baba: "Die ZEROS waren nie aufgelöst. Es war nur so, dass jeder von uns sein eigenes Projekt hatte und wir nur gelegentlich mal für ein Album oder ein Konzert zusammenkamen. Die ZEROS wurden immer nur dann wiederbelebt, wenn wir es wirklich wollten."

Javier: "Es gab nie einen Split, es war nur eine Frage der unterschiedlichen Prioritäten. Nach dieser Tour etwa werden wir als nächstes beim "Las Vegas Shakedown" spielen, diesem 3-Tage-Festival mit jeder Menge Punkbands, und wir machen das, weil wir Bock darauf haben, und nicht des Geldes wegen. Wir sind nicht so drauf, dass wir nach Jahren wieder versuchen, in der Punkszene ein paar Mark zu machen, nein."

Ich denke, dass zumindest einer von euch das sowieso nicht nötig hat...

Javier:
"Haha, ja, klar, El Vez ist natürlich immer sehr beschäftigt und das, was er macht, ist auch ziemlich lukrativ. Er war auch der erste, den ich wegen des neuen ZEROS-Albums anrief, denn es hing alles davon ab, ob er Zeit hatte oder nicht. Zum Glück war er in der Lage, seine Zeit und Energie dem neuen Album zu widmen."

Was habt ihr in den letzten Jahren gemacht, was macht ihr sonst so?

Baba: "Ich kümmere mich um die Band meiner Tochter."

Javier: "Baba hat das allerwichtigste Projekt von uns: seine Familie."

Baba: "Die eine meiner beiden Töchter - sie ist sechs - hat eine Band namens MOTORCYCLE, und sie wird demnächst in San Diego im Vorprogramm von Britney Spears auftreten - zumindest erzählt sie mir das, und das hält mich natürlich ganz schön auf Trab, hahah."

Javier: "Mein nächstes Projekt ist eines zusammen mit meinem Bruder Alejandro. Wir hatten in den Achtzigern eine gemeinsame Band namens THE TRUE BELIEVERS, und Jaime von unserem spanischen Label hat uns jetzt gefragt, ob wir nicht zusammen, nur wir beide, im Vorprogramm der BEACHWOOD SPARKS auf Tour gehen wollen. Die machen sowas wie Country-Rock, und wir werden wohl im Herbst in Spanien spielen und davor noch ein paar Aufnahmen machen. Danach würde ich gerne in LA eine neue Band auf die Beine stellen, die auf THE HEAVY SCENES basiert, einer Coverband, die auf der Beerdigung eines gemeinsamen Freundes ein paar Stücke spielte. Mit dabei sind wohl Dave Nazworthy von den CHEMICAL PEOPLE, Dave James von den SUPER B´S sowie Mike Wilcox von D.I."

Ihr kommt aus San Diego und wohnt in LA?

Baba: "Teils, teils. Ich wohne immer noch in San Diego, die anderen sind in LA."

Wie fühlt ihr euch dabei, immer noch als "The Mexican Ramones" angekündigt zu werden, zum Beispiel auf euren Tourpostern?

Baba: "Ich hätte diesen Kerl, der dieses Zitat seinerzeit in die Welt gesetzt hat, sofort umbringen sollen."

Javier: "Dieses Etikett hängt uns seit den Siebzigern an und wir werden es nicht mehr los. Ich glaube, das tauchte damals zuerst in der L.A. Times auf."

Vor allem ist das ziemlich albern, weil ihr als Band weder aus Mexiko kamt noch jemals wie die RAMONES geklungen habt.

Javier: "Ja, und wenn an dem Vergleich was dran ist, dann nur, dass wir melodiöse "high energy" Musik spielen. Ansonsten spiele ich sogar Leadgitarrensoli, und das ist wohl nichts, was die RAMONES getan hätten. Aber was soll´s, gegen dieses Etikett können wir uns wohl nicht mehr wehren, das wird mir für den Rest meiner Musikerkarriere nachhängen."

Baba:
"Da ist es schon schmeichelhafter, wenn wir selbst als Vorbilder genannt werden und andere Bands unsere Songs covern. Vor allem "Wimp" und "Wild weekend" sind sehr beliebt, und gerade vorhin habe ich eine CD zugesteckt bekommen, auf der "Wimp" gecovert wird - ich glaube, die heissen DEMOLITION GIRL."

Javier:
"Ich finde sowas immer sehr schmeichelhaft, und deshalb ist es auch gut, dass unsere alten Sachen via Bomp! immer noch erhältlich sind."

Dieser großartige Power-Pop-Song "You, me, us" vom Album ist ja bereits vorher als Single veröffentlich worden.

Javier: "Ja, dieser Song und "Talkin´" sind auf dem schwedischen Label Planet Of Noise aus Schweden erschienen, das von unserem sehr guten Freund Chips Kiesbye von SATOR gemacht wird. Wir haben die beiden Songs auch in Schweden aufgenommen."

Was für ein Gefühl ist es, nach über 20 Jahren immer noch - und wieder! - gemeinsam auf der Bühne zu stehen?

Baba: "Das Ding ist, diese 20 Jahre sind so schnell vergangen, dass ich mich immer frage, was eigentlich alles passiert ist. Es freut einen auch immer, wenn Leute beim Konzert total glücklich ankommen und dir sagen, dass sie die ZEROS seit Ewigkeiten lieben. Weisst du, wir machen das mit den ZEROS, weil wir Lust darauf haben und nicht verkrampft daran denken, mit der Band Karriere zu machen. Dafür ist es wohl eh zu spät."

Javier: "Mein Schlüsselerlebnis hatte ich bei der Vorbereitung dieser Tour: ich machte eine Liste, was wir alles bedenken müssen, und schrieb darüber "ZEROS Tour 2000". Und dann starrte ich auf dieses Blatt und dachte mir, dass es echt verrückt ist, dass wir immer noch zusammen sind. Nie im Leben hätte ich mir 1977 träumen lassen, dass wir im Jahr 2000 immer noch eine Band sind. Aber es ist einfach passiert, ich denke, wir sind immer noch eine gute Band, viele Leute mögen uns, und von daher ist das alles so in Ordnung."

Wovon lebt ihr denn? Von euren Bandprojekten oder von einem "richtigen" Job?

Javier:
"Baba geht normal arbeiten, El Vez ist El Vez, Mr. Peñalosa arbeitet im Plattenladen und ich selbst mache mal dies, mal das. Zuletzt habe ich als Kulissenmaler für Film- und TV-Produktionen gearbeitet."

Wie ist es, heute in LA zu spielen?

Javier:
"Wir haben einen guten Booker, Tigermask Productions heisst seine Firma, und der macht ganz gute Shows für uns klar. Neulich etwa sollten wir mit den REAL KIDS spielen, die sagten ab, stattdessen kamen die FUZZTONES, und es war grossartig. Sowieso sind unsere Konzerte in LA fast immer ausverkauft."

Sind das alte Fans oder auch viele Kids?

Javier: "Da sind sehr viele Kids dabei, das ist cool. Die erzählen immer wieder, sie hätten unsere alten Platten von ihrem grossen Bruder bekommen und wollten uns deshalb mal live sehen."

Wie sieht euer Publikum aus? Ich meine, ihr kommt aus Latino-Familien, aber gleichzeitig ist Punkrock dann doch immer noch zu einem guten Teil die Sache von weissen Kids.

Javier: "Das war bei unseren Konzerten noch nie ein Problem, da gibt es auch keine Grenzen. Zu unseren Shows kamen und kommen immer auch ´ne Menge Latino-Punk-Kids, und wir bekommen auch immer wieder gesagt, wir seien für sie eine grosse Inspiration gewesen, weil es damals wie heute nicht viele Latino-Punkbands gibt. Einer meinte auch mal zu mir, es sei von uns ja auch richtig mutig gewesen, eine Punkband zu gründen, und ich war darüber ganz erstaunt, denn so hatte ich das nie gesehen, und es war uns damals auch nicht besonders mutig vorgekommen, eine Punkband zu gründen."

Baba: "Die Punkszene damals war auch sehr offen für alle, jeder, egal ob weiss, schwarz, schwul oder nicht, konnte Teil der Szene sein. Heute dagegen gibt es all diese Abgrenzungen, und das finde ich wirklich schade."

Javier: "Dieses Abgrenzen fing ja sehr früh an, und ich weiss noch, dass das auch ein Grund dafür war, dass wir uns ´81 auflösten."

Baba: "Damals kamen mehr und mehr Hardcore- und Oi!-Bands in die Szene, und das trug auch zur Gewalt bei den Shows bei."

Javier: "Plötzlich funktionierte die Punkszene nicht mehr über das Einschliessen anderer, sondern über das Ausschliessen. Als wir anfingen, kamen noch sehr viele Frauen zu den Konzerten, standen in der ersten Reihe und es war einfach klasse. Später wurde es immer gewalttätiger, und du hattest nur noch Typen vor der Bühne."

Wie war das Verhältnis zu euren Eltern zu dieser Zeit? Haben die diese ganze Punksache abgelehnt?

Baba: "Nein, unsere Eltern haben uns alle total unterstützt."

Javier: "Babas Eltern haben uns oft zu den Konzerten gefahren, weil wir noch keinen Führerschein hatten. Und meine Mutter kam eines Tages, da hatte ich schon den Führerschein, zu mir ins Zimmer geplatzt und meinte, ich bräuchte doch eigentlich ´nen Kombi, um die ganzen Instrumente in der Gegen herumzufahren, und so kaufte sie mir einen. Das war unglaublich! Ausserdem komme ich aus einer Musikerfamilie, von daher hatte ich es nie so besonders schwer. Mein Bruder spielte bei SANTANA, meine Nichte ist Sheila E., und von daher wusste man bei mir zuhause, wie das Musikerleben ist und störte sich nicht daran, sondern half mir."

Mit Rebellion gegen die Eltern hatte Punkrock für euch also nicht viel zu tun, aber was war und ist Punkrock für euch dann? "Nur" lauter Rock´n´Roll?

Baba:
"Punk ist für mich eine Geisteshaltung. Und damals war Punk gleichbedeutend mit "Fuck the system!". Wir waren einfach gegen das, was in der Politik abging, und auch gegen die ganze etablierte Musik, die neuen Bands keine Chance gab. Punk bedeutete damals, eine eigene Musik zu haben, mit eigenen Labels und eigenen Konzertorten und nicht Teil der sonstigen Musikszene zu sein. Es war ein Sammelsurium der unterschiedlichsten Ideen, jeder konnte dazu beitragen. Punk, das war eine ganz neue Attitüde, bedeutete Offenheit und es gab keine Denkverbote und Grenzen."

Und heute?

Baba: "Für Punk gibt es heute so viele verschiedene Schubladen und alles ist in so viele Fraktionen aufgesplittet. Für mich bedeutet Punk heute aber immer noch, sein eigenes Ding durchzuziehen."

Javier:
"Punkrock ist für mich, da stimme ich mit Baba überein, eine Geisteshaltung und steht auch für einen bestimmten Zugang zur Musik. Den hat man oder man hat ihn nicht, das ist wie schwarz und weiss, da gibt´s keine Diskussion - du hast diese Attitüde, dieses Feuer, oder eben nicht. Und für jemanden, der sich auskennt, ist es ein leichtes zu erkennen, ob jemand verstanden hat, worum es geht."

P.S.: Die ZEROS-Besprechung im letzten Ox... Es war spät, ich nicht so ganz bei mir , soll vorkommen, und da habe ich wohl etwas die Namen durcheinandergebracht, ähem...