YELLOW UMBRELLA

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Ska-Pack Vol. 8

2010 jährt sich zum 20. Mal die deutsche Wiedervereinigung. Davon inspiriert, sah ich mich mal in der Gegend der „neuen Bundesländer“ nach Vertretern der Ska-Szene um. Den Dialog für diese Ausgabe führte ich mit Posaunist Thomas von YELLOW UMBRELLA, Sänger Kay von YELLOW CAP und Bassist Franz von den TORNADOS.

Aus der Nachbarschaft der TORNADOS kommen YELLOW UMBRELLA, auch deren Mitglieder sind zu weiten Teilen aus Berlin, Dresden und Leipzig. Bereits seit 1994 spielen sie Reggae und Ska mit Einflüssen aus Rocksteady, Dub, Dancehall, Jazz, Klezmer und Punk. Mit „A Thousand Faces“ haben sie 2010 ihr achtes Album veröffentlicht, mit dem sie im Oktober in Deutschland und im benachbarten Ausland auf Tour waren. Posaunist Thomas ist seit der Gründungsphase dabei und fühlt sich langsam wie ein alter Vampir, der neue Bandmitglieder als „Blutauffrischung“ braucht, wenngleich die Kernbesetzung aus Gesang, Bass und Posaune seit 1997 stabil aktiv ist und es seit 2005 an den weiteren Instrumenten keine Veränderung mehr gab. Der smarte Thomas kann mir einiges in Sachen Ska in der (ehemaligen) DDR berichten: „Die Ska-Szene in der DDR war meines Wissens klein. Aus Leipzig kamen MICHELE BARESI und MESSER BANZANI. Kurz nach der Wende, so um 1991, wurde Ska in Dresden sehr populär. Es gab überall Partys, Nighter, Konzerte. Und bald gab es auch die Vorgängerband von YELLOW UMBRELLA. Die nannte sich damals ALLES QUARK GMBH. Das war die Zeit, in der ich mit Ska infiziert wurde. MADNESS, THE SPECIALS und MR. REVIEW waren etwas später meine Helden“, die ja auch einer späteren Ska-Epoche zuzuordnen sind, was Thomas allerdings nicht so überzeugt. „Dieses Wellenmodell ist viel zu einfach, um so etwas Komplexes wie die Ausbreitung von Ska aus Jamaika in die Welt hinaus zu beschreiben.“

Thomas sieht die Zukunft des Genres optimistisch, schließlich stehen überall neue Ska-Bands in den Startlöchern und es gibt in jeder Großstadt fast jeden Monat ein Ska-Konzert. Und damit das so bleibt, sind Teile der Band in dem Verein und gleichzeitig auch Label Rain Records e.V. tätig. Veranstaltet werden Konzerte und Festivals. Ganz uneigennützig ist das nicht, schließlich ergeben sich dadurch neue Kontakte, die wiederum im „Tauschgeschäft“ YELLOW UMBRELLA Auftritte verschaffen. Zum Thema Ska und Skinhead-Musik bemerkt Thomas, dass YELLOW UMBRELLA mit ihrer „nicht ganz sortenreinen Interpretation“, wie Thomas ihre Ska-Variante gerne umschreibt, nicht unbedingt die deutsche Skinhead-Szene anspricht. Darum sind sie hierzulande nicht so auf das Skinhead-Publikum fixiert, während jedoch im Ausland und vor allem in Polen doch eine Menge Skins zu ihren Konzerten kommen.

Dass die Welt der Skinheads aber längst nicht mehr in Ordnung ist, beweist auch der mehr oder weniger verdeckte Rechtsextremismus in ihrer Region. Deshalb arbeiten YELLOW UMBRELLA regelmäßig mit der Aktion „Zivilcourage“ aus Pirna zusammen. Belustigt verweist Thomas auf ihre T-Shirt-Kampagne „Nazis haben kleine Pimmel“ im Jahr 2005. Weniger lustig waren die direkten Konfrontationen mit Nazis beziehungsweise Nazi-Skins. „Zum Beispiel auf Stadtfesten in Oppach und in Wernigerode. Für solche Fälle haben wir immer auch den alten SPECIALS-Song ,Racist friend‘ im Gepäck. Ansonsten bitten wir den Veranstalter, die Herrschaften zu entfernen. Und bei Straftaten rufen wir die Polizei. Der Preis: Sowohl in Oppach als auch in Wernigerode wurde nach dem Konzert unser Tourbus angegriffen.“

Derart unangenehme Erfahrungen mit den Ewiggestrigen haben YELLOW UMBRELLA bei ihren Auslandsaufenthalten hingegen nie gemacht. Begeistert berichtet Thomas von der anfänglichen Euphorie der osteuropäischen Länder vor gut zehn Jahren, die damals noch einen Nachholbedarf in Sachen Ska hatten. In Frankreich hatten YELLOW UMBRELLA im Jahr 2000 sogar ein eigenes Label und eine eigene Booking-Agentur, die ihnen große Tourneen organisierte. „Lustigerweise gilt Deutschland in französischen und spanischen Ska-Musikerkreisen mittlerweile als das gelobte Land. Wenn die wüssten ...“

Auch wenn die neue Generation von Musikkonsumenten heiß auf Live-Konzerte ist, stellt Thomas ernüchtert fest, dass heute im Vergleich zu ein paar Jahren früher deutlich weniger Geld für Tonträger ausgeben wird, wenngleich er die Entwicklung im Ska-Sektor noch durchaus positiv im Vergleich zu anderen Genres bewertet. Hier sei schließlich immer noch ein harter Kern zu verbuchen, der das sinnliche Erlebnis, eine schwere Vinylplatte aufzulegen, oder ein schön gestaltetes Booklet einer CD zu schätzen weiß. Nach wie vor ist aber das Live-Konzert das Maß aller Dinge, denn die „Euphorie und die damit verbundenen Glückshormone eines derartigen Gemeinschaftserlebnisses“, wie Thomas Ska-Konzerte immer noch empfindet, „lassen sich halt nicht eben mal so runterladen.“

Thomas empfiehlt aus jeder Dekade folgende Platte:

1960er: THE SKATALITES – „Foundation Ska“ | 1970er: ABYSSINIANS – „Satta Massagana“ | 1980er: THE SPECIALS – „s/t“ | 1990er: DR. RING DING & THE SENIOR ALLSTARS – „Dandimite“ | 2000er: TOKYO SKA PARADISE ORCHESTRA – „Full-Tension Beaters“