ANGELIKA EXPRESS

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Nach dem Börsencrash

An meinem ersten Schultag in der fünften Klasse setzte ich mich neben einen dunkelhaarigen Jungen, der für die damalige Zeit recht merkwürdige Kleidung trug. In den Siebziger Jahren nannten wir das Stoffhosen. Alle anderen trugen Jeans. Auf meine Frage, was er denn so mache und was seine Hobbys seien, antwortete er „Bildende Kunst“, was mich im zarten Alter von zehn Jahren doch etwas überforderte. Zwei Jahre später nahm mir dieser Junge namens Robert Drakogiannakis eine Kassette auf, deren A-Seite „Never Mind The Bollocks“ von SEX PISTOLS war und auf der Rückseite „Fresh Fruit For Rotting Vegetables“ von DEAD KENNEDYS. Mein Grundstein war gelegt. Seit 2002 ist Robert der Mann hinter ANGELIKA EXPRESS und nachdem nun mit „Die dunkle Seite der Macht“ bereits das zweite Album nach der Neugründung in 2005 herausgekommen ist, stand mal wieder ein Interview an.

Das neue Cover fällt aus dem Rahmen der sonstigen ANGELIKA EXPRESS-Veröffentlichungen. Du hast das komplette Artwork gemalt.

Bisher sind die Artworks für die Veröffentlichungen ja immer am Rechner entstanden, sehr grafisch gestylet und alles daher auch sehr clean. Ich denke, das wird sich jetzt alles in Richtung „dreckig“ ändern. Auch der Schriftzug auf „Die dunkle Seite der Macht“ ist von Hand gezeichnet, gekritzelt trifft es eigentlich eher. Das trifft auch für die Texte im Booklet zu, die werden wohl nicht für jeden so leicht zu entziffern sein. Die Linie des Stiftes folgte sozusagen der Energie der jeweiligen Musik. Das Motiv auf dem Cover hingegen ist ein geheimnisvoller, obskurer Hase, der im Original in Öl auf Leinwand entstanden ist, richtig groß, so circa 1,50 mal 1,20.

Ich weiß ja, dass du früher schon eine Affinität zur Malerei hattest. Woher kam die Inspiration, damit wieder anzufangen?

Ich habe gemerkt, dass ich auf Kosten der Musik diese ganze Malereigeschichte völlig ausgeblendet hatte, über mehr als zehn Jahre. Deswegen habe ich nach einem Weg gesucht, diese Sachen kombinieren zu können, die Sachen sozusagen zusammenfließen zu lassen. Es käme mir auch komisch vor, wenn ich diese beiden kreativen Bereiche strikt trennen würde. Ich würde gerne eine Mischung aus Bildband, Kurzgeschichten und einem Album herstellen. Das wäre für mich dann der nächste Schritt, diese Arten von Kreativität zusammen zu führen. Ich glaube sowieso, dass sich das normale Format eines Musikalbums überholt hat. Vielmehr sollte es ein Vehikel sein, wo man seine Leidenschaften zusammenführen könnte.

Also damit auch der Krise beim Tonträgerverkauf entgegenzuwirken?

Hm, eher jein. Das Faszinierende ist ja, dass eigentlich nicht die Tonträger kriseln, sondern die Musikindustrie. Es werden zwar weniger CDs verkauft und Downloads sind immer noch nicht das große Geschäft, und werden es wohl auch nie werden. Aber da wir mit der Band keiner Plattenfirma angehören, gehen die Erlöse aus dem Verkauf direkt in die eigene Kasse, ohne dass es von irgendwelchen Mittelsmännern verheizt wird. Wenn du eine Platte bei einem Label herausbringst, dann landen bestenfalls noch 20% bei dir als Künstler, davon kann man auch nicht richtig leben. Bei dem jetzigen Album ist es so, dass ich sehr direkt in den Verkauf eingebunden bin, indem ich die Alben selbst in Umschläge stecke und versende. Ich habe jetzt auch das Gefühl, dass zum ersten Mal wirklich was dabei herumkommt, wohingegen ich vorher von dem Erlös verkaufter CDs nie was gesehen habe. Sony wollte seinerzeit zum Beispiel, dass wir den Vorschuss, den wir bekommen hatten, für den Produzenten ausgeben und für das Studio. Unter dem Strich ist dann kaum was übrig geblieben.

Du hast ja nach der Neugründung der Band die so genannte „Angelika-Aktie“ rausgebracht. Alle jammern über schlechte Verkäufe, aber warum ist das kein Weg, den andere Bands auch bestreiten?

Erst mal erfordert es natürlich ziemlichen Mut, so einen Schritt zu gehen. Man ist ja da ziemlich auf sich allein gestellt. Wir haben uns von den üblichen Labelstrukturen losgesagt und damit das auch funktioniert, musst du im Grunde genommen eine sehr verlässliche Fanbase haben. Wenn du gerade aus der Garage kommst, macht so was eher keinen Sinn. Jetzt im Nachhinein sehe ich es aber auch als fast zu großen Aufwand an, den wir mit der Aktie betrieben haben. Ein zu großer Haufen Bürokratie, als dass sich das sehr gelohnt hätte.

Was im Einzelnen?

Nun, es gab 500 Aktien, die dann auch betreut werden müssen, beispielsweise mit Gewinnausschüttungen. Auch wurde damit im Endeffekt das Augenmerk auf den ganzen ökonomischen Prozess gelenkt und nicht auf uns als Band, oder unsere Musik. Das hat über das Internet und verschiedene Foren solche Wellen geschlagen, dass wir plötzlich Thema auf ganz vielen Wirtschaftsseiten der Zeitungen waren und schließlich sogar ein kleiner Artikel in der Financial Times stand, haha. Und dann rief mich ein Typ vom ZDF an, er bräuchte ein Interview für das ZDF-„Mittagsmagazin“ und die „Heute“-Sendung um 19 Uhr. Aber die Kehrseite war eben, dass es dabei, unter dem Hintergrund des damaligen Börsencrashs, nicht um unsere Musik ging. Und jetzt wäre es schon schön, wenn es sich bei „Die dunkle Seite der Macht” mal wieder um Musik dreht, deswegen macht man das ja schließlich.