MOGWAI

Foto

Don’t talk to strangers

Sie sind die Meister der verschrobenen Songtitel, seit 1995 und sieben Alben schon, und hätten sie Texte, man würde sie gerne lesen, etwa „How to be a werewolf“ oder „George Square Thatcher death party“, vom Titel des neuen Albums „Hardcore Will Never Die, But You Will“ ganz zu schweigen. Die aus dem schottischen Glasgow stammenden MOGWAI sind aber nun mal eine Instrumentalband, und so verhält es sich mit ihren Titeln wie mit Straßen, die am Meer enden: Es ist schön da, der Ausblick begeistert, aber man kommt nicht weiter. Ich sprach mit Barry Burns (electric guitar, piano, synthesizer, vocals) über Erwartungen, Fragen und nonverbale Kommunikation, denn auch wenn MOGWAI nicht gerne über ihre Musik reden, so ist es wichtig, über diese Band zu reden, die mit ihrem dramatischen, düsteren, intensiven Instrumental-Rock zu den Gründungsvätern eines bis heute immer noch nicht eindeutig benannten Genres mit Hardcore-Wurzeln gehört.

Barry, ich musste feststellen, dass MOGWAI eine harte Nuss sind in Sachen Interview. Bei eurer Band spricht die Musik, Texte und durch sie vermittelte Inhalte gibt es nicht. Und generell scheint es fast unmöglich zu sein, aus euch etwas über eure Musik herauszubekommen.

Ja, meist enden die Interviews beim Thema Fußball oder so. Aber sieh es doch mal so: Jemand wie Beethoven oder Mozart musste auch keine Interviews geben und seine Musik erklären. Nicht dass ich behaupte, wir wären genauso gut, aber es ist eben sehr schwierig, über so etwas Abstraktes wie Musik zu reden. Und Musik ist nun einmal etwas sehr Abstraktes, und das umso mehr, wenn sie ohne Worte auskommt. Es fällt mir wirklich nicht leicht, darüber zu reden.

Und es sind die Journalisten, die Musiker dazu zwingen, ihre Arbeit zu reflektieren.

So ist es. Und Interviews sind eben Teil des Spiels der Musikindustrie, um Menschen so dazu zu bringen, deine Musik zu hören, und darauf kommt es ja letztlich an. Interviews sind eines der Mittel, um jemanden mit einer Band vertraut zu machen, in der Hoffnung, dass jemand, der etwas über die Band liest, beginnt, sich für deren Musik zu interessieren. Ich habe heute eine ganze Reihe von Interviews gegeben und immer wieder über das Thema gesprochen, eben dass es bei manchen Bands oder Musikern schwierig ist, sie zu interviewen, weil sie freiwillig kaum irgendwas an Informationen rausrücken. Entsprechend schwierig ist es, aus denen irgendwas über ihre Musik herauszubekommen. Ich denke aber nicht, dass wir in der Hinsicht eine besonders unzugängliche Band sind, denn wenn es Fragen gibt, die wir beantworten können, geben wir unser Bestes, das auch zu tun. Allerdings wird es jenseits der grundsätzlichen Fakten wie Besetzung und Akkorde schon echt kompliziert, denn wir haben kein bestimmtes Anliegen, wir wollen einfach nur, dass sich die Leute unsere Musik anhören.

Redet ihr denn je in der Band über eure Musik?

Nein, nicht wirklich. Wir vertrauen uns gegenseitig bei dem Job, den wir da machen. Ich sage Dominic nicht, was er auf seinem Bass spielen soll, und er sagt mir nicht, wie und was ich spielen soll. Manchmal geben wir Anregungen, bitten darum, etwas auszuprobieren, aber ganz allgemein gesprochen vertrauen wir einfach darauf, dass jeder seinen Job macht. Es ergibt sich alles irgendwie. Ich weiß, es ist seltsam, dass wir nicht wirklich über unsere Musik reden, aber so haben wir schon immer gearbeitet. Wir sind einfach sehr gut eingespielt und aufeinander abgestimmt. Da ist viel nonverbale Kommunikation im Spiel – Tanzen mal ausgeschlossen, haha.

Was macht die Musik mit dir, mit euch?

Nach all den Jahren sind wir alle in der Band immer noch sehr gute Freunde, und es macht einfach großen Spaß, zusammen auf einer Bühne zu stehen und zu spielen. Ich denke, man merkt das unseren Konzerten, unserer Musik auch an, selbst wenn wir nicht immer ein dickes Grinsen im Gesicht haben. Aber wir lieben es wirklich, live zu spielen, und wenn wir auf Tour sind, ist das Beste am Tag immer das Konzert. Interessant ist dabei immer wieder, wie unterschiedlich der Eindruck von einem Konzert bei den fünf Mitgliedern unserer Band sein kann. Manchmal sind etwa nur drei von uns wirklich zufrieden, während die beiden anderen etwas auszusetzen haben. Das liegt an der ganz persönlichen, unterschiedlichen Wahrnehmung. So kann es passieren, dass Freunde nach dem Konzert zu uns kommen und sagen, es sei total großartig gewesen, während ich finde: Sorry, das war ein echt schlechtes Konzert. Woran liegt so was? Schlechter Sound in deiner Ecke der Bühne, ein mieser Tag, miese Laune – und anschließend kommt jemand zu dir und sagt, alles sei super gewesen, das kann man dann nicht verstehen.

Nicht verstehen kann man auch eure Songtitel. Welche Rolle spielen die? Die klingen oft sehr viel versprechend, man möchte mehr darüber wissen – aber es gibt keine Texte ...

Ach, das ist kein großes Geheimnis: Die Songtitel dienen nur dazu, dass wir unsere Lieder beim Schreiben der Setlist vor einer Show auseinander halten können. Eine wirkliche Bedeutung haben die Titel aber nicht. Meist ist es sogar so, dass ein Lied lange Zeit keinen Titel hat, und dann müssen wir uns irgendwas ausdenken – einen Namen bekommt ein Stück immer erst ganz zum Schluss, meistens, wenn die Platte ins Presswerk soll und wir uns ganz schnell was ausdenken müssen. Und das ist dann eben auch mal totaler Bullshit, haha.

Andere Bands, die eher experimentell und instrumental arbeiten, nummerieren ihre Werke einfach nur durch.

Das ist doch langweilig. Willst du dich auf die Bühne stellen und sagen „Hi, unser nächstes Lied ist ,Song number 6‘ von ,Album 10‘.“? Das ist doch total aufgesetzt und angeberisch.

Die Musik von MOGWAI macht einen komplexen und durchdachten Eindruck – zumindest verglichen mit einer klassischen RAMONES-Punkband. Das impliziert für mich auch, dass eine Band wie eure ihre Musik sehr ernst nimmt.

Ja, wir nehmen unsere Musik sehr ernst, manchmal glaubt man uns das nur nicht, weil sich die Leute an den als lustig empfundenen Song- und Albumtiteln festhalten. Dabei fehlt uns jedes Comedy-Element. Und wir machen schlicht die Musik, die wir mögen. So einfach ist das.

„Musik, die ihr mögt“ – was muss da stimmen?

Das ist für jeden von uns anders. Wahrscheinlich gibt es auch ein paar Bands, auf die wir beide uns einigen können. Für mich kann ich nur sagen, dass es mir schwerfällt auszudrücken, was genau ich an einer Band und ihrer Musik mag. Mal ist es die Gitarre, mal vielleicht der Gesang. Aktuell finde ich das FEVER RAY-Album sehr gut, das ist das Soloalbum von Karin Dreijer Andersson von THE KNIFE. Ihre Stimme, die minimalistische Instrumentierung, das gefällt mir.

Und welche Musik hat dich als Musiker geprägt?

Es klingt vielleicht seltsam, aber ich stehe total auf FUNKADELIC. Und auf Bob Dylan und Jimi Hendrix. Die waren beziehungsweise sind einfach gut. Und VELVET UNDERGROUND und DINOSAUR JR natürlich auch.

Die Musik einer Band verändert sich im Laufe der Jahre. Wie macht sich Veränderung im Falle von MOGWAI bemerkbar?

Man wird älter, und damit steigt auch die Nervosität, dass man die Aufmerksamkeit der Leute verlieren könnte. Also muss man sich entwickeln, mit anderen Instrumenten arbeiten – wir machen uns dazu schon Gedanken, achten darauf, uns nicht zu wiederholen. Wir sind keine Band, die sich aktiv um neue Einflüsse von außen bemüht, wir sind eher Inselexistenzen – und die Einflüsse, die wir haben, sind nicht leicht zu beschreiben.

Nun waren MOGWAI vor vielen Jahren eine der ersten Bands, die diesen flächigen, instrumentalen Post-Rock-Sound gespielt haben. Mittlerweile gibt es unzählige Bands, die sich daran versuchen – verfolgst du, was die tun?

Ich höre mir solche Bands nicht an, und ich glaube, mir fällt auch kein einziger Bandname dazu ein. Und mir gefällt solche Musik auch nicht, die langweilt mich. Da höre ich mir lieber französischen Pop und Cold Wave aus den Achtzigern an. Darauf hat mich meine Frau gebracht, und je tiefer man da bohrt, desto mehr Bands findet man. So etwas spiele ich dann auch gerne als DJ. Wenn ich auflege, bin ich vorher immer total nervös – viel aufgeregter als vor einem MOGWAI-Konzert. Also betrinke ich mich immer, haha. Nach ein paar Songs legt sich das auch wieder. Ich lege gerne Cold Wave auf, aber auch ganz ruhige Musik – das hängt ganz vom Publikum und der Location ab.

Legst du auch mal MOGWAI auf?

Niemals! Das kann man einfach nicht bringen. Natürlich fragen die Leute danach, aber das geht echt nicht. Das wäre mir ... wie ist das deutsche Wort doch gleich? ... „peinlich“.

In einem alten Interview hast du mal gesagt, das Ziel von MOGWAI sei, die lauteste Band der Welt zu werden.

Öh ... ich glaube, ich war betrunken, als ich das gesagt habe, haha. Wir stehen da natürlich in Konkurrenz zu MOTÖRHEAD und die sind wahrscheinlich lauter als wir. Aber in den Top Ten der lautesten Bands sind wir auf jeden Fall, aber dafür muss man sich nicht schämen, oder?

Dabei es ist für Bands immer seltener möglich, wirklich laut zu spielen. In vielen Ländern gelten strenge Vorschriften, da stehen die Mischer mit Dezibelmessgeräten herum und drehen die Lautstärke runter.

Als das vor einer Weile begann, waren wir anfangs sehr wütend darüber, aber mittlerweile bin ich der Meinung, dass man das einfach hinnehmen muss. In Frankreich sind die beispielsweise sehr strikt in der Hinsicht, doch das Publikum dort ist das mittlerweile gewöhnt und stört sich nicht mehr daran, es ist nur noch für die ausländischen Bands ein Problem. Wir versuchen, das zu ignorieren und einfach eine normale Show zu spielen.

Und was ist mit Gehörschutz, verwendest du so etwas?

Ja, ich nutze In-Ear-Monitore, eine spezielle Kombination aus Gehörschutz und Kopfhörer, denn ich will auch noch Musik hören können, wenn ich mal alt bin. Ich denke, mehr Musiker sollten sich darüber Gedanken machen, gerade auch jüngere, aber mit Anfang 20 will man wohl nicht darüber nachdenken, dass man möglicherweise 20 Jahre später nicht mehr hören kann, was einem seine Kinder erzählen. John, unser Gitarrist, benutzt auch keinen Gehörschutz – das ist dumm, er wird in ein paar Jahren taub sein. Er ist echt verrückt.

2010 wart ihr mit einem speziell dafür geschriebenen Stück im Rahmen eines Kunstprojektes Gast des Kulturhauptstadtjahres in Essen.

Wir wurden dazu eingeladen, und wir nahmen diese Einladung an, weil es einfach mal was anderes ist als ein neues Album oder eine weitere Tour. Dieses 26 Minuten lange Stück namens „The singing mountain“ wird einer Limited Edition des neuen Albums als Bonus-CD beiliegen.