SCOTT DRAKE

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Long live THE HUMPERS!

Scott Drake ist einer, den man mit dem etwas abgeschmackten Begriff „Urgestein“ belegt. Im weniger glamourösen Teil der Rock’n’Roll-Szene von Los Angeles tummelte er sich in den Achtzigern bei den SUICIDE KINGS und über weite Strecken der Neunziger bei den HUMPERS, die es sogar in Zeiten übermütiger Signing-Politik neben den NEW BOMB TURKS auf Epitaph schafften, um bald wieder gedroppt zu werden. In L.A. lebt Scott längst nicht mehr, die Verbindung zu den alten Kumpels hat er aber auch als Portland, OR-Resident nicht verloren, und im Frühjahr 2011 ist er sogar mal wieder in Europa unterwegs.

Wo bist du aufgewachsen, welche Musik haben deine Eltern zu Hause gehört? Was ist deine erste bewusste Erinnerung, die mit Musik zu tun hat?

Ich wurde in Anaheim geboren, dem Standort von „Disneyland“, und bin in Südkalifornien aufgewachsen. Mein Vater stand auf 50er-Jahre-Rock’n’Roll wie THE COASTERS, Chuck Berry, Little Richard und etwas Doo-Wop. Meine Mutter mochte eher Pop-Sänger, Musical-Songs und solche Sachen. Meine erste Erinnerung an Musik sind die BEATLES, die damals andauernd im Radio liefen. Ich kann mich erinnern, wie meine Geschwister und ich immer mitgesungen haben bei „I wanna hold your hand“, „Ticket to ride“ oder „I saw her standing there“.

Welche Bands inspirierten dich dazu, Sänger zu werden?

Ich hatte eigentlich nie die Absicht, als Sänger aktiv zu sein, aber ich habe immer Gedichte, Songtexte und Geschichten geschrieben. Als ein Freund meines Bruders einen Sänger suchte, um eine Punkband zu gründen, das war 1978, meinte mein Bruder, „Frag Scott, der schreibt kranke Texte!“, und gleichzeitig der Startschuss für meine erste Band, RH FACTOR. Dann wechselte ich für eine Weile zum Bass, dann zur Gitarre und schließlich wieder zum Gesang.

Wie fanden deine Eltern die Musik, die du gehört hast, oder die von deiner Band beziehungsweise der Band deines Bruders, THE JONESES?

Unsere Eltern haben uns beim Musikmachen nie gefördert in unserer Jugend. Inzwischen trete ich seit 27 Jahren auf, und mein Vater hat mich noch nie spielen sehen, nur einmal meinen Bruder, glaube ich. Meine Mutter hat mich mal gesehen, aber sie ging wieder, bevor das Konzert vorbei war, weil sie das Publikum gefährlich fand! Sie denken einfach, dass wir bekloppt sind. Meine Mutter fragt manchmal, wie es mit unserer Musik läuft, aber mein Vater redet niemals darüber. Es ist ein schmutziges Geheimnis, hahaha!

Du hattest in den Achtzigern mit ganz schön vielen Leuten in L.A. zu tun. Wo hing man damals so rum? Bist du noch mit manchen in Verbindung?

Das ist lange her, und jetzt lebe ich in Portland, 1.000 Meilen weit weg. Ich habe noch gelegentlich Kontakt mit Jon und Chris von CLAWHAMMER und ich habe andauernd mit Pat Todd von LAZY COWGIRLS zu tun, weil ich auf seinem Label bin. Eigentlich blieb meine Band damals, SUICIDE KINGS, eher unter sich. Wir spielten zwar mit vielen zu der Zeit bekannten Bands, aber wir waren keine ausgesprochen geselligen Typen, sondern hingen nur miteinander rum und haben uns besoffen.

Du hast in vielen Bands gespielt, wie SUICIDE KINGS, VICE PRINCIPALS, HUMPERS, mit welchen anderen Bands warst du am liebsten auf Tour, wer stand dir nahe?

Am liebsten gespielt und getourt habe ich mit THE NECKBONES, THE PLEASURE FUCKERS, THROW RAG, THE NOMADS, THE CANDY SNATCHERS, LAZY COWGIRLS, CLAWHAMMER, GAS HUFFER, ZIPGUN ... es sind so viele!

In dem Buch „We Never Learn“ von Eric Davidson von den NEW BOMB TURKS steht ein bisschen was über dich. Es geht da auch um Pat Todd von Rankoutsider Records sowie Long Gone John vom Sympathy for the Record Industry-Label, die ein paar der HUMPERS- und VICE PRINCIPALS-Platten veröffentlicht haben. Was für ein Verhältnis hast du zu ihnen, ein besseres als zu den Leuten von Epitaph?

Nun ja, die drei Labels sind alle sehr unterschiedlich. Zu unserer Epitaph-Zeit war es das größte Indielabel der Welt. Keine Ahnung, ob es noch so ist, aber sie hatten eine Grafikabteilung, eine Buchhaltung, Presse-Agenten und und und ... an die 50 Angestellte, schätze ich mal. Daher waren es für uns unsere „großen Zeiten“! Wir hatten dort zu vielen eine freundschaftliche Beziehung, aber auf einer eher geschäftlichen Ebene, mit Ausnahme einiger langjähriger Freunde. Sympathy bestand nur aus Long Gone John, eine Ein-Mann-Firma ohne Angestellte, Helfer oder dergleichen. Wenn ich ihn zu Hause besuchte, saß er oft im Pyjama auf dem Wohnzimmerboden und stopfte Platten in Hüllen. Mit ihm hatten wir nur Abmachungen per Handschlag, keine Verträge. Ich mag John, allerdings habe ich momentan selten die Gelegenheit, mit ihm zu sprechen. Rankoutsider ist eine Art Musiker-Kollektiv, kein Label im eigentlichen Sinn. Wir verwenden nur alle den Namen und benutzen die Webseite als zentrales Promo- und Vertriebsportal. Ich glaube, es gibt derzeit etwa 25 Bands auf Rankoutsider. Pat Todd ist der Gründer, aber er überlässt den Bands jegliche künstlerischen Entscheidungen.

Wie hast du dich gefühlt, als mit den HUMPERS Schluss war? Wie würdest du die Jahre mit der Band beschreiben, siehst du sie inzwischen vielleicht anders, jetzt älter und reifer geworden?

Die HUMPERS gab es neun Jahre lang, zum Zeitpunkt der Auflösung war ich einfach nur am Ende – emotional, körperlich, finanziell –, und meine Ehe ging in die Brüche. Drei der Bandmitglieder machten damals eine Scheidung durch. Ich war oft auf Tour, und wenn ich zu Hause war, steckte ich im Proberaum, im Studio, auf Konzerten oder im Epitaph-Büro. Die Band hatte gewissermaßen die Kontrolle über mein Leben übernommen – was in Ordnung war, solange wir uns nach oben hin entwickelten, aber wir kamen an einen Punkt, an dem wir stagnierten, und es klar wurde, dass es nicht weiter bergauf gehen würde. Das ist ein seltsames Phänomen im Rock’n’Roll, oder wie man es nennen will, dass es kein Mittelfeld gibt. Wenn du nicht regelmäßig im Radio und auf MTV oder so bist, gibt es eine Grenze, an die du stößt. Es ist ein großer Sprung von den Clubs, in die 300 bis 500 Besucher reinpassen, zu denen mit 3.000 bis 5.000 Besuchern – und dazwischen gibt es echt nichts. Daher kommen die Bands in den kleinen Clubs oft nicht weiter. Wie auch immer, die ersten sechs, sieben Jahre mit den HUMPERS waren herrlich, wir fühlten uns wie die beste Band der Welt! Und diese Typen sind für mich wie Brüder. Wir sind eine der wenigen Bands, die Reunion-Gigs mit der Besetzung von vor 15 Jahren machen kann. Jetzt, älter und reifer – bin ich das? –, denke ich, wir hätten erfolgreich weiterbestehen können, aber dazu hätten wir mehr Energie aufbringen müssen, als es uns damals möglich war.

Inzwischen machst du beim Songwriting alles komplett selbst. Wie gehst du dabei vor und was beeinflusst dich heutzutage?

Das ist unterschiedlich. Mal kommt mir die Idee zu einem Text einfach in den Sinn, mal setze ich mich mit meiner Gitarre hin, bis sich etwas Interessantes entwickelt. Jeff Fieldhouse, der Original-HUMPERS-Gitarrist, und ich haben ein neues Projekt namens THE LOVESORES und in letzter Zeit gemeinsam vieles geschrieben – wir arbeiten echt sehr gut zusammen. Er entlastet mich bei der Suche nach Riffs, denn er hat Millionen davon im Kopf. Aber ich wüsste nicht, wen ich aktuell als Einfluss nennen könnte. Was ich oft mache, ist, in Anlehnung an Louis Armstrong, ROLLING STONES oder STOOGES nachzudenken, wie ich mich ähnlich ausdrücken könnte, ohne dabei wie jemand anders zu klingen. Ich glaube, wenn man älter wird, versucht man eher, äußere Einflüsse zu vergessen und so eigenständig wie möglich zu sein.

Du warst auf Europatour mit Begleitmusikern, mit denen du vorher noch nie gespielt hattest. Wie war das, welche Eindrücke hattest du?

Es war der Hammer! Mit diesen Kerlen aufzutreten, also Buanax und Macst von THE IRRADIATES und Nasty Sam von TEENAGE RAMPAGE, hat verdammt Spaß gemacht, eine echte Abwechslung. In den letzten Jahren habe ich meist mit Leuten im Alter zwischen 40 und 50 gespielt, dass es ausnahmsweise mal nicht so alte Typen waren, war für mich wirklich wie eine Verjüngungskur! Außerdem ist es aufregend, sich mit Musikern von einem anderen Teil der Welt austauschen zu können. Eine andere aufregende Sache war es, in Kroatien zu spielen, weil dort vor 20 Jahren die erste LP der HUMPERS veröffentlicht wurde. Ich traf dort Zdenko Franjic, der damals die LP rausgebracht hatte, und ein paar langjährige Fans. Es war wie ein Familientreffen mit Brüdern, die man vorher nicht kannte!

Du wirst demnächst mit einer neuen Begleitband auf Tour gehen. Jeff Fieldhouse ist dabei, warum hast du ihn ausgesucht? Wann war die letzte Europatour der HUMPERS und was war anders im Vergleich zu heute?

Auf unserer Europatour 2011 ist es die gleiche Rhythmusgruppe, mit Buanax und Macst, dann Jeff Fieldhouse als Lead-Gitarrist und Bernadette von den GEE STRINGS an der Rhythmusgitarre. Als Wunschgitarrist wäre Jeff immer meine erste Wahl gewesen. Bei der letzten Tour konnte ich ihn aus organisatorischen Gründen nicht mitnehmen, zwei Personen über den Atlantik zu fliegen, war zu teuer – aber diesmal ist es uns gelungen, das möglich zu machen. Die HUMPERS waren nur einmal in Europa, 1996. Es war damals ganz anders. Die ganze Garage-Rock- und Punk’n’Roll-Szene war da noch nicht so etabliert, daher wußte das europäische Publikum manchmal nicht so richtig, was es von uns halten sollte.

Du hast in vielen verschiedenen Ländern gespielt, wo würdest du gerne leben wollen?

Ich hätte Lust, in Frankreich zu leben, vielleicht in der Nähe von Albi. Ich mag das Essen, die Sprache, die Leute und den Wein. Italien wäre auch wunderbar, es ist aber einfach zu verrückt.

Wie lebt es sich so in Portland? Wie fühlst du dich, wenn du nach L.A. zurückkommst?

Es ist schön, in Portland zu leben, es ist nicht zu groß, die Menschen sind freundlich, es gibt gutes Essen, guten Wein, und man kann viel unternehmen. Mir wird schlecht, wenn ich nach L.A. zurückkomme, es ist einfach deprimierend. Ich kann es nicht fassen, dass ich da unten so lange gelebt habe, und werde dort wahrscheinlich nie wieder hinziehen. Gib mir ein, zwei Hektar Land in Frankreich, ein paar Weinreben und Schafe, dann verwandle ich die alte Scheune in einen Rock’n’Roll-Schuppen, und ihr seid alle eingeladen, mich dort zu besuchen!