BLITZKID

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Als Trio zu neuen Ufern

Amerikas wohl beliebteste Horrorpunk-Truppe hatte viel Neues zu verkünden: den Labelwechsel von Fiendforce Records zu People Like You, das neue Album „Apparitional“, zwei neue Bandmitglieder ... Alles sah noch vor kurzem gut aus für die Grusel-Fans aus Virginia, doch dann gab Gründungsmitglied und Sänger TB Monstrosity seinen Ausstieg bekannt. Wir sprachen mit Argyle Goolsby, Bassist und nun Vollzeitsänger von BLITZKID, über den Stand der Dinge.

TB hat die Band gerade zu einem Zeitpunkt verlassen, als ihr den nächsten Schritt in der erfolgreichen Bandkarriere angehen wolltet. Wie fühlst du dich dabei?

Lässt man persönliche Emotionen außen vor, ändert sich für uns nichts an dem Weg, den wir eingeschlagen haben, denn mit TB haben wir viel erreicht.

Und was sagt TB dazu, dass ihr die Band ohne ihn weiterführt?

Er unterstützt uns total. Er steht nicht mehr auf die Musik. Er hat geheiratet und will bei seiner Familie sein und er ist überzeugt, dass ich diese Band auch ohne ihn am Laufen halten kann.

Mit „Apparitional“ erscheint jetzt ein neues Album auf People Like You. Nach TBs Ausstieg habt ihr schnell noch seine Gesangsspuren komplett gelöscht und alle Lead-Vocals hast du nun übernommen. Warum?

Weil er nicht mehr in der Band ist. Er hat uns mitgeteilt, dass er gehen will, als wir schon Monate im Studio waren und seine Vocals aufgenommen hatten. Es macht keinen Sinn, einen Sänger auf dem Album zu haben, der die Songs live nie singen wird. Hätten wir vorher von seiner Entscheidung erfahren, hätten wir direkt ohne ihn aufgenommen und auch seine Songs außen vor gelassen. So allerdings sind seine Kompositionen noch enthalten, nur eben sein Gesang nicht mehr. Wir hatten einfach schon zu viel Geld für die Aufnahmen ausgegeben, um seine Songs durch weitere von mir zu ersetzen.

Wie wird sich das Songwriting ändern, nachdem jetzt TB fehlt? Er war offensichtlich ein sehr wichtiger Teil der Band und verantwortlich für viele Klassiker.

Zusammen hatten wir eine schöne Dynamik, aber auch ohne ihn sind wir nicht weniger stark oder kreativ. Die Band als Ganzes ist größer als die einzelnen Mitglieder. Natürlich wird es trotzdem oberflächliche Unterschiede im Sound geben, was ja nur natürlich ist. Das Wichtigste ist doch, dass der Geist von BLITZKID erhalten bleibt. Und das wäre nicht möglich gewesen, wenn TB geblieben wäre und Nacht für Nacht widerwillig die Songs gespielt und seine wirklichen Gefühle versteckt hätte. Die Zusammenarbeit zwischen uns hatte sich geändert, denn TB hat den Horrorpunk oder den Punkrock nicht mehr wirklich gefühlt. Daher werde ich Songs jetzt auch nicht so schreiben, wie er es getan hätte, sondern mache so weiter, wie ich es immer gemacht habe. Natürlich hatten wir auch Gelegenheit, uns an die Situation zu gewöhnen, denn zwischen seiner Entscheidung zu gehen und der öffentlichen Ankündigung lag einige Zeit, in der wir zu dritt probten und schrieben. Ich denke, dass all das besser für die Band und für die Fans ist.

Wie passen die beiden Neuen, Nate und RickO, in die Konstellation? Bist du der Bandleader oder haben die anderen Mitspracherecht?

Egal, ob alte oder aktuelle Bandmitglieder – jeder wird bestätigen, dass ich bei BLITZKID am Ruder sitze. Damit würdige ich die Arbeit der anderen nicht herab, aber es hat mich viel Zeit, Energie und Opfer gekostet, die Band voranzutreiben. Als RickO und Nate dazukamen, brachten sie Einsatz, Verantwortungsgefühl und Kreativität mit, aber auch mit Verständnis für die Ziele, die ich mit der Band erreichen will. Die ganze Band arbeitet demokratisch, niemand wird als Angestellter behandelt, niemand wird gezwungen, das „Jim Jones Kool Aid“ zu trinken. Das Geheimnis einer gut funktionierenden Band ist, dass alle die gleiche Vision haben. Und bei uns ist das so.

Euer Best-Of-Album „Anatomy Of Reanimation“ von 2008 hat auch deswegen gemischte Reaktionen erhalten, weil einige Songs ganz verändert klangen. Was denkst du darüber?

„Anatomy Of Reanimation“ wurde ganz spontan aufgenommen, da wir schon ein Studio für den Nachfolger von „Five Cellars Below“ gebucht hatten, aber dann hat uns kurz vorher unser Drummer verlassen. Also mussten wir uns schnell irgendetwas anderes finden. Da schien eine neu eingespielte Best-Of-Scheibe eine gute Idee zu sein, um die Zeit zwischen den neuen Alben zu überbrücken. Der Zeitpunkt war wohl nicht so glücklich, denn viele Fans dachten anscheinend, dass wir die alten Song durch die neuen Versionen ersetzen wollten, was nicht der Fall ist.

Jedenfalls klingen eure neuen Songs weniger nach Horrorpunk und dafür mehr nach klassischem melodischem Punkrock, der einfacher gestrickt ist, als auf eurem Vorgänger „Five Cellars Below“, der manchen auch als zu experimentell erschien.

Auf dem neuen Album sind Songs, die so alt sind wie die auf „Five Cellars Below“, aber auch ganz neue Tracks. Ich wollte die mit dem letzten Studioalbum eingeschlagene Richtung weiterverfolgen und mehr musikalische Einflüsse zulassen, aber auch gleichzeitig die schnellen Takte der älteren Scheiben wieder aufgreifen. Bei „Five Cellars Below“ wollten wir uns selbst herausfordern und unseren Sound weiter öffnen als zuvor. Wir sind jahrelang mit diesem Album getourt, und diese gesammelten Erfahrungen haben es mir nun möglich gemacht, Experimente und die klassischen BLITZKID-Elemente besser miteinander zu verbinden.

Ihr habt diesmal auf einige Standards zurückgegriffen, die man mittlerweile auch von anderen Horrorpunk-Bands kennt. Ein Track hat einen deutschen Titel, nämlich „Blutsauger“, ein anderer wie „The bat whispers“ wartet mit einem starken Gothic-Touch auf. Wie kommt’s?

„Blutsauger“ ist ein Tribut an die deutschen Fans, die uns immer so stark unterstützt haben. Was „The bat whispers“ angeht: Ich war immer angetan von Gothic-Musik. Diese Melancholie möchte ich auch in BLITZKID-Songs generieren.

Ihr habt außerdem aufgehört, Make-up zu tragen. Soll das besser zum umfassenderen neuen Sound passen?

Nein, nein, wir tragen noch Make-up. Wir hatten nur mal zwischendurch aufgehört, um für etwas Abwechslung zu sorgen.

Als Horrorpunk populär wurde, vermittelte er ein Gefühl, vergleichbar mit der Anfangszeit von Punk oder Hardcore. Existiert diese familiäre Community noch?

Wie alles in der Welt ist auch die wohl ein nun Opfer der globalen Vernetzung durch neue Technologien. Die heutige Technik überlädt und übersättigt einen, alles vermischt sich. Bestimmende Charakteristika werden aufgeweicht und verlieren ihre Einzigartigkeit. Wir sind heute andere Menschen als vor zehn Jahren. Trotzdem glaube ich, dass es den Community-Gedanken noch gibt, denn der Mensch strebt nach dieser Art Zusammengehörigkeit. Und wenn wir beispielsweise in Deutschland touren und ich sehe einige der Leute, die Horrorpunk immer noch lieben und unterstützen, dann weiß ich, dass er noch lebendig ist. Das macht Mut!

Von allen Horrorpunk-Bands scheinen nur BLITZKID und THE OTHER andere und größere Hörerschichten erreicht, und auf der Leiter einige Sprossen mehr als der Rest des Genres erklommen zu haben. Warum ist das so? Welche Tips würdest du jungen Bands geben?

Seid ihr selbst, aber fürchtet euch auch nicht vor euren Einflüssen. Nehmt Kritik an, lernt eure Lektion. Sagt, was ihr denkt, und meint, was ihr sagt. Glaubt an das, was ihr tut, und andere werden es auch.

Ist Deutschland immer noch der Mittelpunkt von Horrorpunk?

Ich bin mir sicher, dass Deutschland immer der schönste Friedhof für Horror-Rock sein wird. Aber in den USA liebt man das Genre ebenso sehr, wenn auch auf andere Art.