J MASCIS

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Warum, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm

„Several Shades Of Why“ heißt das neue Soloalbum von J Mascis, dem Alternative-Grunge-Gitarren-Übervater. Der Titel würde auch ganz gut zu dem Interview passen, dass Mitte Dezember mit J anstand. Sagte ich Interview? Nennen wir es der Einfachheit halber doch eine lustige halbe Stunde Plauderei.

Die verschiedenen Schattierungen des „Warum“ zeigen sich beim Interview. Warum schon Mitte Dezember ein Promo-Interview für eine Platte, die erst im März 2011 erscheint? Warum sitzt J eigentlich so kurz vor Weihnachten überraschend in einem Berliner Hotelzimmer und absolviert Promo-Termine? Wie wird das neue Album klingen, wie wird es heißen? Die Fragen, die man eigentlich immer gern stellt. Zugegeben, mit so einer Handvoll Fragen könnte man schon fast ein informatives Gespräch gestalten. Wenn der Interviewpartner eben nicht J Mascis wäre, der dafür bekannt oder auch berüchtigt ist, bei Interviews nicht immer der redseligste zu sein.

Aber ich wusste, was mich erwartet. Schließlich hatte ich vor einiger Zeit schon einmal das Vergnügen, mit Mr. Mascis ein Interview zu führen. Damals hatten wir aber definitiv mehr Zeit und die braucht man, um aus dem Mann ein paar brauchbare Antworten herauszukitzeln. Jetzt ist alles anders. Eine halbe Stunde ist nicht viel, um J ein paar Antworten aus der Nase zu ziehen. Die sich, wenn alles gut läuft, auch auf die kommende Soloplatte beziehen könnten.

In meinen 30 Minuten sitzt J müde auf der Couch. Der Jetlag macht ihm sichtlich zu schaffen. Das Haar steht wirr vom Kopf ab, ein Drei-bis-fünf-Tage-Bart wuchert über das halbe Gesicht. Wenn ich mir J Mascis mit kurzer sorgfältig geschnittener Frisur vorstelle, dann könnte er glatt als Helmut-Kohl-Double durchgehen. Und vielleicht ist er auch so etwas – der Altkanzler der Indie-Rockmusik. Der jedes Interview mit allzu stupiden Fragen zu seinen Bands, seinen Platten oder seiner Musik auch mal aussitzen kann. Und so wie J dasitzt, macht er einen sehr müden Eindruck. Wie ein alter Bär, den man zu früh aus dem Winterschlaf geholt hat und der sich nun müde auf der Couch in einem Hotelzimmer fläzt. Und eins wird schnell klar: der Mann hat nicht ansatzweise Lust, über seine Musik zu sprechen.

Auch auf Js Homepage gibt es im Dezember kaum Hinweise auf das kommende Solowerk. Bei der letzten Platte machte zumindest das Gerücht die Runde, das Album sei ein Konzeptalbum zum Thema Fallschirmspringen, seinem neuem Hobby. „Das mit dem Fallschirmspringen war nur ein Witz. Ab und zu gehe ich Golfspielen und Skifahren, deshalb mag ich auch Schnee so sehr. Golf ist mehr etwas, was du machen kannst, wenn du nichts anderes zu tun hast. Aber in letzter Zeit bin ich viel zu beschäftigt dafür.“

Das klingt nach einem ausgefüllten Tagesablauf. Wie sieht ein ganz normaler Tag im Leben des J Mascis eigentlich aus? Aufstehen, Gitarrespielen und ins Bett gehen? „Hängt davon ab, was los ist. Ich habe eigentlich nicht viele Tage mit einem exakt gleichen Ablauf. Ich habe ein Kind und wenn ich nach Hause komme, dann dreht sich vieles um meinen Sohn.“

Neben der Familie sind es wohl auch die verschiedenen Bandprojekte, die einen nicht unerheblichen Teil seiner Zeit in Anspruch nehmen, wie zum Beispiel WITCH, die Doom-Stoner-Band, in der J Schlagzeug spielt. „Wir versuchen, jetzt für ein neues Album zusammen zu kommen, aber es ist recht schwer, alle unter einen Hut zu kriegen. Bei SWEET APPLE spiele ich ja auch noch Schlagzeug und Gitarre, aber nur die Leadgitarre. Das sind eigentlich die gleichen Leute wie bei WITCH, aber es ist eine ganz andere Musik. Das klingt mehr wie CHEAP TRICK, so fröhliches Zeug.“

Da darf dann natürlich die D-Frage nicht fehlen. Wie sieht’s denn mit den Aktivitäten von DINOSAUR JR aus? Da fällt selbst bei einem einsilbigen J Mascis die Antwort noch karger aus. „Vielleicht spielen wir demnächst einige Shows.“

Mitte Dezember gibt es nur eine kurze Ankündigung auf der Homepage, dass es im März eine Soloplatte geben wird. Statt weitere Infos finden sich dort Videoclips von einem Benefiz-Gig von J für Guru Mata Amritanandamayi Devi, kurz auch Amma genannt.

Das mag für den Außenstehenden eine eher obskure Sache sein, für J ist die Inderin allerdings durchaus unterstützenswert. „Ich hab Amma zum ersten Mal 1995 in Indien getroffen. Sie tourt jedes Jahr durch die Welt und umarmt die Menschen. Sie ist so was Ähnliches wie Mutter Theresa und macht zig Wohlfahrtsaktionen. Verteilt Süßigkeiten an die Menschen und umarmt sie. In Amerika küsst sie die Leute, in Deutschland verteilt sie nur Bonbons. Ich habe sie einmal in Mannheim getroffen. Die Umarmungen sind schon gut, das ist so etwas ganz Grundsätzliches, eine Art von selbstlosem Dienst, eigentlich das Beste, was du für dich selbst machen kannst.“

Zumindest kann man Mitte Dezember vom neuen Soloalbum schon mal einen Track herunterladen, und der macht mit seiner Akustikgitarre und den in den Hintergrund gemischten, fast genuschelten Vocals einen sehr ruhigen ersten Eindruck. Alles Absicht, so J. „Ich wollte, dass es so klingt. Eben ein bisschen unterschiedlich. Ich hab mit vielen unterschiedlichen Leuten auf dem Album gespielt, also gibt es auch ganz verschiedene Perspektiven dabei. Und ich spiele ja nur Gitarre und singe. Ich mag es eh lieber, in einer Band zu spielen, als allein Musik zu machen. Ich denke, das macht mir einfach mehr Spaß.“

Im Dezember eines Jahres kann man auch einen Gitarrenhelden nach seinem persönlichen Jahresrückblick fragen. Für J war 2010 schon irgendwie okay, auch wenn die Aussichten auf 2011 besser sind. Und im Dezember 2010 befindet man sich zwischen zwei semi-markanten Jubiläen, zumindest für die Musikinteressierten. 2010 jährte sich John Lennons Todestag zum 30. Mal, 2011 würde GG Allin seinen 55. Geburtstag feiern. Wer war denn wichtiger? „Kommt drauf an, wen man fragt. Für andere Leute waren es wohl die BEATLES. Ich würde sagen, GG war besser, haha. Mit GG habe ich mal ein paar Gigs gespielt, das war schon etwas seltsam. Das war so eine Art Punk-Ding wie bei Kurt Cobain und Courtney Love. Mein Lieblingssong von GG Allin ist ,I wanna rape you‘. Als John Lennon gestorben ist, haben wir in der Schule einen halben Tag frei bekommen. Unsere Lehrerin war total geschockt und hat uns alle nach Hause geschickt. Uns war das total egal, wir haben uns nur über den freien Tag gefreut. Für GG Allin hat wahrscheinlich kein Lehrer seinen Schülern freigegeben.“

Wäre ja mal interessant, wie J Mascis sich als Lehrer so machen würde. Zumindest die Vorstellung, Kinder zu unterrichten, liegt ihm nicht ganz fern „Ich weiß nicht genau. Mir würde es nichts ausmachen, das auszuprobieren, aber ich sehe nicht, dass mich jemand anstellen würde.“

Zumindest bei seinem eigenem Kind trägt die so genannte musikalische Früherziehung, und wenn sie auch recht zufällig abläuft, erste Früchte. „Mein Sohn ist jetzt drei und steht total auf die RAMONES. Er poset und performt schon ganz viel mit der Gitarre und macht einen auf Johnny Ramone. Und die NEW YORK DOLLS gefallen ihm auch. Das ist so das, was er von dem Kram, den wir so hören, bisher mitnimmt. Er fragt dann immer: ,Wer ist das?‘, ,Wie heißt das Lied?‘ und so was. Ich höre einfach mein Zeug und er pickt sich die Songs raus. Erst mochte er die STOOGES und dann die RAMONES. Neulich saßen wir im Auto und hörten AC/DC und er wollte wissen, wer das ist. Und wenn dann ,Dirty Deeds‘ läuft, ist das schon ziemlich schräg.“