STOMPER 98

Foto

Oi! The Liedermacher

Was machen eigentlich ... STOMPER 98? Sie covern Konstantin Wecker, Reinhard Mey und Hannes Wader – zu hören auf der neuen 6-Song-EP „Antisocial“, die im Mai erscheint. „Oi! The Liedermacher“? Das wollte ich genauer wissen.

Sebi, Flacke, für dieses Interview gibt es einen Grund ...

Sebi: Ja, eine neue Mini-CD mit sechs Songs steht ins Haus, „Antisocial“, der Titeltrack, fasst im Prinzip zusammen, was für Empfindungen ich unserer Gesellschaft gegenüber habe. Bis zum heutigen Tage fällt es mir immer wieder schwer, nicht doch einmal komplett durchzudrehen bei der ganzen Scheiße, die uns hier verkauft wird. Nur darum geht es leider in der Welt, alles dreht sich um möglichst teure Statussymbole. Ein Song fällt ein bisschen aus dem Rahmen. Zusammen mit Nico von AULD CORN BRIGADE und ein paar Leuten von DRUMS & PIPES GÖTTINGEN haben wir „Es ist an der Zeit“ aufgenommen, im Englischen bekannt als „The green fields of France“. Der deutsche Text ist von Wader/Wecker/Mey und es ist insgesamt ziemlich folkig geworden. Das war mal ein Spaß, aber wir fühlen uns im Punk irgendwie wohler, hahaha. Das Cover hat uns wieder der Nico gemalt von Slams Tattoo/ACB in Nordhausen. Es ist stark angelehnt an die Motive des Frühachtziger-US-Hardcore beziehungsweise den Schwarz/Weiß-Zeichnungen im LAST RESORT-Umfeld in Großbritannien. Einfach auf den Punkt gebracht, ist es für uns auch ein Rückblick auf den Anfang, die Ursprünge der Musik, die wir machen.

Wie kommt man dazu, Konstantin Wecker, Reinhard Mey und Hannes Wader zu covern? Musikalisch liegen doch Welten zwischen deren Musik und eurer, man hat doch den Eindruck, die repräsentier(t)en zu ihrer besten Zeit in den Siebzigern auch eine ganz andere Lebenswelt – Hippies, Friedensbewegung und so weiter.

Flacke: Welten liegen auch zwischen unserer Musik und der von Desmond Dekker, Edwyn Starr oder auch TV SMITH. Das sind trotzdem, jedenfalls für mich, alles wichtige Einflüsse. Wader, Wecker und Mey sind mir als Kind von den Eltern um die Ohren gehauen worden, vermutlich hab ich mich deshalb mit 12, 13 Jahren dem Punk und damit genau dem Gegenteil zugewendet. Aber selbstverständlich ist da was hängen geblieben, und in der Rückschau find ich die drei ollen „Hippies“ als Feindbild inzwischen obsolet. Besser die, als wenn man mich Zeit meiner Kindheit mit den schönsten deutschen Märschen beschallt hätte. Und was die Friedensbewegung angeht: ich hatte nie Probleme damit, mich samstags beim Fußball zu wuppen und sonntags auf ’ne Demo gegen Kriegstreiber und den militärisch-industriellen Komplex zu latschen. Wenn man wie wir einen Klassenstandpunkt vertritt und nicht komplett hohl ist, wird man drauf kommen, dass es quer durch die Geschichte und bis zum heutigen Tage nicht die Bourgeoisie war, die auf den Schlachtfeldern verheizt wurde. Und die Kriegsgewinnler standen und stehen nicht am Fließband oder auf dem Bau – insofern ist die von besagten Musikern repräsentierte Lebenswelt vom Grundsatz her gar nicht so ganz anders. Das hätte ich aber, ehrlich gesagt, mit 17 auch noch ganz anders gesehen.

Sebi: Die Lebenswelt ist definitiv eine andere, da stimme ich dir zu. Textlich ist die Nummer der Wahnsinn, sie beschreibt ganz genau die Sinnlosigkeit von Krieg und all das Leid der Beteiligten. Und sie ist brandaktuell,wenn wir die Entwicklung bei der Bundeswehr betrachten, die ja mittlerweile aktiv in Kriege verwickelt ist. Und wie „humanitär“ das Ganze ist, erkennen wir dann an den Opfern und den Hintergründen der Konflikte. Bullshit, alles sinnlos verheizte Menschenleben.

Wie war der erste Kontakt zu Wader/Wecker/Mey, was schätzt du an ihrer Musik, ihren Texten? Und warum habt ihr gerade diesen Song gecovert, worum geht es??

Flacke: Wie gesagt, das ist so was wie der Soundtrack meiner Kindheit. Und von biografischen Verstrickungen mal abgesehen, neben Punk ist diese Musik das, was ich unter echter „Volks“-Musik verstehe, oder besser: unter proletarischer Musik. Ich hätte sogar nach Hannes Wader das „Einheitsfrontlied“ von Brecht/Eisler gecovert, aber da wäre der Bruch im Vergleich zu dem, was wir sonst machen, unter Umständen zu hart gewesen, haha.

Sebi: Mey ist ja schon irgendwie „Volksgut“ und meine Mutter hat viel so was gehört. Meine Mutter war in den Siebzigern und Achtzigern riesiger Johnny Cash-Fan und wir sind ihm auf seinen Touren regelmäßig begegnet. Sie hat da auch so Fanclub-Sachen gemacht, und neben Cash lief halt viel Zeug wie Mey und Wader bei uns. Es sind halt Texte aus der Sicht des „kleinen Mannes“ und sie spiegeln oft die Hilflosigkeit gegenüber den Mächtigen wider. Das ist nicht der Kram, der bei mir rauf und runter läuft, aber es hat Charme. Bei meinem Sohn in der Grundschule werden Wader-Lieder im Musikunterricht gesungen, natürlich ist das schon besser als „Schni-Schna-Schnappi“ und ähnlich hohles Zeug.

In letzter Zeit kamen ja diverse Punkrocker auf die Idee, à la Chuck Ragan oder Mike Ness als „Liedermacher“ mit akustischer Gitarre auf dem Barhocker zu musizieren. Bei Sebi kann ich mir das nicht so recht vorstellen ... oder doch?

Flacke: Ich kann mir das bei Sebi durchaus vorstellen, aber was STOMPER 98 angeht: es hat Spaß gemacht, Ähnliches ist für die Zukunft nicht ausgeschlossen, aber das war’s dann auch.

Sebi: Aufgrund der Tatsache, dass wir in ganz Deutschland verstreut leben und unser Drummer aus New York City kommt, können wir außer im Rahmen von Aufnahmen oder Konzerten nie wirklich proben. Also mache ich zu Hause viel nur mit Gitarre und Stimme – allerdings nicht für die Öffentlichkeit. Die meisten Ideen und Songs sind dann auch eher persönlicher Natur und passen nicht wirklich zu STOMPER 98. Zwei Freunde von mir haben des Öfteren schon angefragt, ob wir so was nicht mal machen wollen, aber ich war immer sehr zurückhaltend, weil es halt gerade jeder macht. Terminlich ist es eh immer schwierig, im Mai fangen wir schon an, unser neues Album vorzubereiten, das ab September dann aufgenommen werden soll.

In rechten Kreisen wurde ja schon versucht, etwa seitens Frank Rennicke, „völkisches“ Liedgut mal nicht nur als Stumpfrock zu verbreiten, und es gab sogar bereits Ansätze, „linke“ Musik wie von TON STEINE SCHERBEN und SLIME zu missbrauchen. Ein Kommentar in Richtung dieser Trottel?

Flacke: Na ja, ein „Kommentar in Richtung dieser Trottel“ wäre einfach: fickt euch ins Knie. Viel mehr fällt mir beispielsweise zum NPD-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nicht ein. Möglicherweise liegt dem die Illusion zugrunde, eine Art reaktionäres ’68 verwirklichen zu können. Diese Leute sind sich ja für nichts zu blöd oder zu schade ... Aber Spaß beiseite: dahinter stecken Bestrebungen der Nazis, eine Querfront zu etablieren. So albern diese Aktionen sind, ernst nehmen muss man sie wohl doch. Persönlich beweg ich mich jenseits der Kotzgrenze, wenn ich daran denke, dass die Bunken versuchen Slogans zu okkupieren wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ oder gar „Keine Macht für niemand“.

Und was machst du sonst so, Sebi? Man hört, du arbeitest an einer Karriere als Fußballtrainer ...

Sebi: Hahaha, ob es dafür reicht, wage ich mal zu bezweifeln. Da meine Kinder recht sportlich sind und es immer schwierig ist, Eltern oder Jugendliche für die Arbeit mit Kids zu gewinnen, habe ich vor zwei Jahren eben selber die Fußballmannschaft meines ältesten Sohnes als Trainer übernommen. Zusammen mit einem guten Freund verbringe ich viel Zeit mit den Kids und wir versuchen auch, außerhalb des Fußballplatzes für sie da zu sein. Bei vielen Kindern gibt es einen Migrationshintergrund, schwierige Familienverhältnisse etc., sie haben einfach Probleme zurechtzukommen und da helfen wir dann auch, wo wir können. Ist halt manchmal heftig, sehen zu müssen, wie Kinder hier behandelt werden. Gerade bei Ämtergängen als Beispiel bemerke ich einfach den unterschwelligen, alltäglichen Rassismus und die Arroganz der Behörden und der Menschen, die dort arbeiten. Durch den Sport kommen unterschiedliche Kids mal zusammen und kochen nicht mehr nur ihr eigenes Süppchen. Das macht echt Spaß, und für die Jungs und Mädels bin ich auch nicht anders drauf als so, wie sie sich selbst teilweise fühlen.