AKELA

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Noisecore mit Jutetasche

Für sein „Dschungelbuch“ schuf Rudyard Kipling den einsamen Wolf Akela, und obwohl der britische Autor ein eher ungewöhnlicher Namensgeber sein mag, passt er doch zu den Lüdenscheidern, denn das Quintett ist beileibe keine alltägliche Band. Auf Midsummer Records erschien kürzlich „Orientation“, das Debüt der Noisecore-Combo mit ehemaligen Mitgliedern von DEAD FLESH FASHION, HAVING TROUBLE BREATHING und IDENTIFY THE STEREOTYPES.

Steckt hinter „Orientation“ ein Konzept, welches ihr während der Aufnahmen verfolgt habt? Topografie, Kartographie und Raumkonzepte scheinen dominante Themen zu sein.

Samuel: Das Konzept, wenn man denn von einem sprechen will, ist eigentlich erst im Nachhinein entstanden. Als es irgendwann darum ging, einen passenden Titel für die Platte zu finden, ist uns aufgefallen, dass es in den Texten oft um eine Art Standortbestimmung geht, oder auch um die Suche nach einer Neuausrichtung. Ich bin zur Zeit wohl an einem Punkt, an dem ich vielleicht zum ersten Mal wirklich das Gefühl habe, ein „fertiger“ Mensch zu sein, mich selbst beobachte und nun darüber nachdenken muss, wer ich bin, und warum ich genau dieser Mensch geworden bin. Wie viel von dem, was ich meine Persönlichkeit nenne, bin wirklich ich, und wie viel wurde und wird durch äußere Faktoren bestimmt? Akzeptiere ich meine Schwächen und schließe Frieden mit ihnen, oder kämpfe ich gegen sie an? „Orientation“ fasst daher die Grundthemen der Platte ganz gut zusammen, und das Artwork beziehungsweise einige Songtitel greifen den Albumtitel auf.

Ihr fusioniert atmosphärische Passagen mit ziemlich derbem Gebretter. Wie unterscheidet sich das Songwriting bei AKELA von euren Vorgängerbands?

Flo: Ich weiß nicht, ob, und wenn ja, inwieweit sich das Songwriting von unseren Vorgängerbands unterscheidet. Jede dieser Bands hat auf ihre ganz persönliche Art und Wiese ehrliche und leidenschaftliche Musik gemacht, das weiß ich. Wir geben einfach jeder Songidee eine Chance. Fühlt es sich gut an, versuchen wir, eine Idee auszuarbeiten, klingt es scheiße, dann ist es eben scheiße. Wichtig dabei ist, nie stehen zu bleiben und auch mal das eine oder andere Experiment zu wagen.

Samuel: Fakt ist, dass wir uns für gewöhnlich sehr viel Zeit lassen und vieles ausprobieren. Was auch zur Folge haben kann, dass Songs nach zwei Monaten des Herumfeilens wieder komplett verworfen werden.

Euer Album zeigt auf dem Cover eine Bergkette und auf eurer Website verkauft ihr Jutetaschen. Seid ihr eine ökologische Band?

Samuel: Nun, Plastiktüten verkaufen sich einfach nicht so gut. Aber im Ernst: Das ist ein Thema, das uns als Band nicht wirklich definiert. Ich selbst versuche, möglichst wenig Dreck zu machen, zu recyclen etc., aber ich würde mich niemals auf die Bühne stellen und Predigten halten. Das fände ich schon sehr heuchlerisch. Was Merchandise und so weiter angeht, haben wir uns bisher für die kostengünstigeren Varianten entschieden, weil wir die Preise eben insgesamt möglichst niedrig halten wollen. Vielleicht wird es aber demnächst auch mal ökologisch/sozial unbedenklichere Alternativen geben, wenn wir merken, dass da Nachfrage besteht.

Ihr kommt gerade von einer Tour mit CALEYA zurück, war da umweltbewusstes Reisen im Vorfeld ein Thema?

Samuel: Auch da geht wahrscheinlich mehr, als wir getan haben. Allerdings hatten wir beispielsweise einen sehr begrenzten Geldbeutel, so dass wir die Busse nehmen mussten, die wir bezahlen konnten. Das Geld war auch der Hauptgrund, weshalb wir versucht haben, die Wege zwischen den Shows möglichst kurz zu halten. Ich als jemand, der nicht einmal einen Führerschein besitzt, finde es natürlich gut, wenn man sozusagen aus Versehen klimafreundlicher unterwegs ist, obwohl man eigentlich nur Geld sparen wollte. Berufspendler und Autofans sehen das häufig anders.

Damit einhergehend ist eine starke Entpolitisierung der Szene zu beobachten. Hat die Spaßgesellschaft endgültig Einzug gehalten?

Samuel: Leute, die mir was über Hardcore erzählen wollen und im gleichen Atemzug Band XY verächtlich als „schwul“ bezeichnen, gehen einfach nicht! Aber es darf meiner Meinung nach nicht bloß darum gehen, eindeutige politische Statements und Parolen von sich zu geben. Viel wichtiger ist doch das aktive Vorleben von Werten. Um beim Beispiel zu bleiben: Wenn jemand von der Bühne aus erzählt, dass Homophobie scheiße ist, ist das gut, aber viel effektiver ist diese Botschaft, wenn das in einem Umfeld geschieht, wo das dann auch glaubwürdig vorgelebt wird. Das würde ich mir wünschen.

Eure Website ist ziemlich ausgefuchst – ist das Teil des Plans, sich als individuelle Band zu präsentieren?

Flo: Absolut. Es war uns wichtig, dass wir unseren eigenen kleinen Heimathafen in der kalten Internet-Welt haben, ohne nervende Werbebanner und Leute, die einen zuspammen. Dazu hat man mit einer eigenen Website einfach viel mehr Möglichkeiten, da soziale Netzwerke ja doch sehr limitiert sind, wenn es um individuelle Gestaltungsmöglichkeiten geht. Ich wollte das Bergszenario von unserem Plattenartwork aufgreifen, da es doch viel Tiefe hat und zum Entdecken einlädt, so dass die Website uns und unsere Musik gut widerspiegelt.