CARRIER

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Total geerdet

THE CARRIER ist eine junge, ... na ja, also eigentlich kommt jetzt hier immer das Wort „aufstrebend“ hin. Irgendwie hatte man beim Interview aber mehr den Eindruck, die Jungs sind sehr zufrieden mit der Situation, wie sie ist. Nach ihrem beeindruckenden Erstling „One Year Later“ haben sie gerade ihren zweiten Longplayer „Blind To What Is Right“ bei Deathwish veröffentlicht und sind so was wie der Geheimtip im Bereich Melodic-Hardcore. Mit 21, 22 sind die Bostoner zudem noch recht jung, spielen in dieser Zusammensetzung aber schon beachtliche fünf Jahre zusammen, was man auch hören und sehen konnte. Ungestüm, energisch und kompromisslos ging es da zur Sache. Vor ihrem Konzert in Münster hatte ich die Gelegenheit, mit Schlagzeuger Mike und Gitarrist Alex zu sprechen. Herausgekommen ist ein Interview, das genau wie die Platten der Jungs zyklisch und ganzheitlich konzipiert ist. Die Platten sind in sich geschlossen und erlauben es, sie zu hören, ohne zu merken, wann sie wieder vorne anfangen.

Ihr habt gerade euer zweites Album rausgebracht, gibt es so was wie ein durchgängiges Thema dabei?

Alex: Nein, würde ich nicht sagen. Ich denke, dass viele der Songs für ganz individuelle Erfahrungen stehen, also eher Momentaufnahmen darstellen. Sie drücken aus, wie sich unser Sänger zu einem bestimmten Zeitpunkt gefühlt hat. Ganz einfach bestimmte Gefühle zu einer bestimmten Zeit. Aber so ist das eigentlich mit all unseren Songs.

Im Vergleich zu „One Year Later“, die für mich einfach sehr verzweifelt klingt und sehr zerrissen, klingt die neue Platte „Blind To What Is Right“ viel angepisster und aggressiver ...

Mike: Viele Songs entstehen, wie gesagt, aus solchen Momentaufnahmen heraus. Aber musikalisch würde ich schon sagen, dass wir uns in eine deutlich chaotischere und eher heavy Richtung entwickelt haben. Ein schnellerer und dunklerer Sound eben für diese Platte. Zumindest musikalisch war es das, was wir angestrebt haben. Was die Lyrics angeht ...

Alex: Wenn du wirklich die Texte liest, ist der Inhalt oftmals gar nicht so verschieden von „One Year Later“, also auch thematisch.

Mike: Nein, wenn du unsere Band und unsere Musik kennst, dann denke ich, hast du eine ziemlich gute Vorstellung davon, was unsere Lyrics angeht, also ihren Stil und ihren Inhalt.

Alex: Aber ich meine, einige der Songs auf „One Year Later“ haben wir geschrieben, als wir 16, 17 Jahre alt waren. Ich denke, daher kommt dieses eher etwas Melodramatische der Songs.

Mike: Ich glaube, es fand auch erst nach der Platte eine wirkliche Auseinandersetzung damit statt, welchen Sound wir überhaupt für uns haben wollten. Also nicht, dass ich irgendwas gegen unsere vorherigen Releases habe, aber eben erst danach haben wir uns darum bemüht zu klären, welchen Sound wir wirklich haben wollen.

Es ist also kein Zufall, dass die neue Platte von der alten, zumindest im Sound, deutlich verschieden ist?

Mike: Na ja, wie oft kann die gleiche Band die gleiche Platte veröffentlichen, nur mit eben anderen Lyrics? Wir wollen uns mit jeder Platte auch weiter entwickeln und mit der jetzt sind wir alle sehr zufrieden.

Alex: Ich denke, dass dieser neue Sound auch schon auf „No Love Can Save Me“ zu hören ist. Ich bin immer noch sehr stolz auf die Platte. Ich finde, ab da klingt die Musik mehr, wie THE CARRIER klingen sollte.

Was ist mit dem Titel der neuen Platte? Wer ist blind und wer hat Recht?

Mike: Der Titel fing für uns das Gefühl der gesamten Platte einfach am besten ein. Der Song stach irgendwie am meisten heraus, er ist einfach der energetischste. Und die Texte, würde ich sagen, beziehen sich nicht auf etwas Bestimmtes, also eine Person oder so ...

Alex: Ein großer Teil des Songs befasst sich damit, wie es ist, verwirrt zu sein und eben das Gefühl zu haben, nicht in der Lage zu sein, zu erkennen, was in dem Moment gerade richtig wäre. Du bist einfach nur verloren und weißt dir nicht zu helfen.

Genauso könnte man aber zumindest den Titel auch so verstehen, als beziehe er sich auf Ignoranz, auf jemanden, der einfach ignorant ist.

Mike: Ja, das geht natürlich. Einige Songs beschäftigen sich auch damit. Ein Grund für den Titel mag eben die vielfältige Deutbarkeit gewesen sein, was natürlich dazu führt, dass Leute ihn unterschiedlich interpretieren, und das ist auch okay.

Aber eigentlich kommt der Titel vom ersten Song auf der Platte.

Mike: Wir haben absichtlich den ersten Song auf der Platte als Titeltrack genommen, weil wir uns von Anfang an einig waren, dass dieser Song der erste auf der Platte sein sollte. Er repräsentiert einfach am besten den Gesamteindruck.

Ich habe das Gefühl, dass ihr eure Platten sehr ganzheitlich konzipiert.

Mike: In einem anderen Interview wurden wir gefragt, warum es uns über zwei Jahre gekostet hat, eine neue Platte rauszubringen. Und was du gerade gesagt hast, wäre vermutlich eine gute Antwort auf die Frage. Wir versuchen, eine ganzheitliche, komplette Platte zu schreiben. Die mehr als ein Gedanke funktioniert, nicht als zehn Songs, die wir zusammengeschmissen haben. Wir haben uns Zeit genommen und ein Album geschrieben, das eben komplett ist.

Euer Coverartwork stammt immer vom gleichen Künstler. Wer ist es?

Alex: Er heißt Ken Stewart, er ist ein Freund von uns.

Wieso macht er eure Cover, mögt ihr seinen Stil besonders oder liegt es an der Freundschaft?

Mike: Es gibt ganz viele Gründe dafür. Irgendwer hat mal gesagt, dass unser Bandname ein Synonym für das Artwork ist. Und mir persönlich beziehungsweise uns gefällt das gut. Wir sind gute Freunde und können gut miteinander kommunizieren. Und heraus kommt ein Artwork dabei, das uns gut gefällt. Wir sind inzwischen fast an einem Punkt, wo sein Artwork genau das repräsentiert, wonach wir streben. Es gefällt uns richtig gut.

Wenn ihr die Chance hättet, THE CARRIER hauptberuflich zu machen, würdet ihr das tun?

Mike: Ganz ehrlich, ich glaube, THE CARRIER würden ihren Wert für uns verlieren. Wir genießen es, auf Tour zu gehen, es ist nicht nur eine Tour, sondern auch Urlaub für uns. Ich freue mich jedes Mal tierisch darauf, auf Tour zu gehen. Für viele Bands ist es nur eine andere Tour, aber nicht für uns. Ich bin immer total begeistert, wenn wir die Gelegenheit bekommen zu touren.

Touren ist also eine Art Exitstrategie gegen den Alltag?

Alex: Ja. Auf gewisse Art und Weise ist es hart, weil du dir Zeit dafür nehmen musst, Urlaub von der Arbeit und deinen Pflichten gegenüber deiner Familie.

Mike: Viele Leute verstehen das nicht. Sie sagen: „Oh, eure Band tourt nur im Sommer und im Winter.“ Aber das ist okay. Wir tun, was wir tun, und wir machen so viel, wie wir können. Und wir nehmen uns das Beste davon mit. Wir haben viel dafür geopfert. Unser Privatleben, die Ferien und den Urlaub. Ich meine, du darfst eben auch nur so viele Familienfeiern verpassen und dies und das ... Wir haben viel dafür aufgegeben. Ich nehme an, vielen Leuten ist das nicht bewusst. Und das ist ja nicht nur für uns so. Ich denke, für jede andere Band auf der Welt ist es genau so.

Was kommt als Nächstes? Habt ihr schon die nächste Platte im Auge?

Alex: Ja, wir haben schon mit neuen Songs angefangen. Einer ist schon fertig ...

Mike: Wir können nicht sagen, wann er rauskommt. Denn, wenn wir sechs Monate sagen würden, wären es vermutlich zwei Jahre. Keine Ahnung.

Alex: Ja, wir sind echt langsam. Langsam, aber kontinuierlich.

Ihr macht also keine Pause oder so?

Mike: Die neue Platte hat uns eigentlich sogar noch mehr motiviert. Nach dem Motto: Was können wir machen für unsere nächste Aufnahme? Und das treibt uns jetzt erst mal eine Weile an.