Eric Sandin / NOFX

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My little Drummerboy – Folge 9

Panikattacken und die damit verbundenen Hitzewellen machten dem weit gereisten Ox-Reporter zu schaffen, als von den Organisatoren des Groezrock Festivals die Information ausgegeben wurde, dass NOFX auf ihrer diesjährigen Festival-Tour keine Interviews geben würden. Ein lange geplantes Interview mit einem der unterbewertetsten Drummer unserer Zeit schien kurz davor zu platzen. Glücklicherweise galt das „No“ nur für die üblichen Verdächtigen und Eric Sandin freute sich sehr, für das Ox als Drummerboy zur Verfügung stehen zu dürfen. Der NOFX-Drummer der ersten Stunde gehört zu der Sorte Schlagwerker, die sich auf Studioalben nicht in den Vordergrund spielen, dafür jedoch bei Live-Auftritten den aufmerksamen Besucher oftmals mit offenem Mundwerk zurücklassen. Er ist ein wahres Energiebündel, das durch besonders tightes Spiel bei extremer Geschwindigkeit zu begeistern weiß.

Eric, hast du auf Küchengeschirr angefangen zu spielen oder warst du an den Drums eher ein Spätentwickler?

Irgendwie war es von beidem ein bisschen. Als ich ungefähr zwölf Jahre alt war, wohnte in meiner Nachbarschaft ein Junge, der Schlagzeug spielte, und bei dem bin ich ins Haus eingebrochen und habe seine Drumsticks gestohlen. Also ich bin da nicht wirklich eingebrochen, die Tür war auf und so bin ich da einfach reinmarschiert und habe mir seine Sticks geschnappt. Damit habe ich dann zu Hause auf Töpfen, Pfannen und allen möglichen anderen Dingen rumgetrommelt. Als ich 15 war, sagten einige meiner Freunde zu mir: „Hey, lass uns eine Band gründen.“ Der eine wollte unbedingt Gitarre spielen, ein anderer sagte, er wolle absolut Bass spielen, und am Ende blieb für mich nur das Schlagzeug über. Ich sagte okay, denn immerhin hatte ich ja schon ein Paar Drumsticks rumliegen. Das ist wohl so eine typische Situation für den Start einer Karriere als Drummer.

Wie bist du zu deinem ersten Schlagzeug gekommen?

Ich habe schon früh angefangen zu arbeiten und habe da einiges zusammen gespart. Ich habe dann für 200 Dollar das wahrscheinlich mieseste Schlagzeug gekauft, das man sich vorstellen kann. Das war ein altes Roger’s Set. Im Nachhinein muss man wohl sagen, dass ich da ziemlich über den Tisch gezogen worden bin. Das Ding war schrecklich und es hatte nicht mal Ständer für die Becken dabei. Ich habe also Nägel in die Decke geschlagen und die Becken mit einem Knoten an Seilen befestigt. Das war natürlich Mist, weil die Teile bei jedem Anschlag fürchterlich hin und her geschwungen sind. Außerdem hatte ich keine Hi-Hat und das machte es auch nicht einfacher. So hat alles begonnen und immerhin habe ich so das Trommeln gelernt. Später habe ich das Set dann wieder für 200 Dollar an jemand anderen verkaufen können und habe wenigstens meine Kohle zurückbekommen.

Was für Musik habt ihr damals gespielt?

Punkrock! Ja, wirklich, ich stand schon damals nur auf Punk. Durch meinen Vater hatte ich schon frühzeitig eine ziemlich breit gefächerte Allgemeinbildung, was Musik anbelangt. Er stand auf wahnsinnig unterschiedliche Musik und hat mir das ganze Zeug zum Hören gegeben.

Gab es damals irgendwelche Platten, die du unbedingt nachspielen wolltest?

Nein, so ist das bei mir nicht gewesen. Es gab keine bestimmten Platten, zu denen ich dann trommeln wollte. Das wäre auch mit meinem alten Plattenspieler und ohne die technische Ausstattung gar nicht möglich gewesen. Aber es gab da diesen Song „In-a-gadda-da-vida“ von IRON BUTTERFLY und von denen habe ich diesen Punkbeat gelernt. Ja, wirklich, IRON BUTTERFLY haben meinen Punkbeat maßgeblich beeinflusst, die wirklich schrecklichste psychedelische Rockband der Sechziger und Siebziger.

Hast du damals viel für dich allein im Keller geprobt?

Sowohl als auch. Ich habe schon viel zu Hause geprobt, aber meistens haben wir als Band zusammen gespielt. Die Jungs in der Band konnten ja kaum ihre Instrumente halten und wussten nicht wirklich, wie man richtig Gitarre spielt. Wir haben uns also alles selbst beigebracht und haben damals nur Coverversionen von Punk-Songs gespielt. REDD KROSS, AGENT ORANGE und all dieses Zeug. Meine zweite Band war dann eine Band mit dem Namen CAUSTIC CAUSE, die in L.A. wirklich einen guten Ruf hatte. Wir hatten einige große Shows und haben sogar für FEAR und BLACK FLAG eröffnet. Ich war damals ein Teenager und die anderen in der Band waren alle schon über 30. Ich hatte Glück und das Trommeln fiel mir von Anfang an leicht. Ich machte also schnell Fortschritte und irgendwann habe ich die Jungs von CAUSTIC CAUSE mal auf einer Party kennen gelernt. Meine damalige Freundin fuhr uns nach Hause und dort haben wir zusammen gejammt. Kurze Zeit später habe ich meine erste Band verlassen und war der neue Drummer von CAUSTIC CAUSE. Wir spielten und spielten, und die Gigs wurden immer größer. Auf einer dieser Shows habe ich dann die Jungs von NOFX das erste Mal getroffen. Dann habe ich CAUSTIC CAUSE verlassen und bin bei NOFX eingestiegen. Nur um dann wieder in einer Band zu spielen, wo die Leute nicht wussten, wie man ein Instrument spielt. Das war für mich ein großer Rückschritt, der sich aber – rückblickend betrachtet – ziemlich großartig entwickelt hat. Es hat einfach gut gepasst.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben? Mir fällt immer wieder deine unglaublich schnelle Fußarbeit auf, obwohl du nie eine Doppelfußmaschine benutzt.

Nein, niemals. Ich wüsste auch gar nicht, wie man mit einer Doppelfußmaschine spielen muss. Das könnte ich wahrscheinlich gar nicht. Ich möchte immer solide spielen und verzichte möglichst auf irgendwelchen Schnickschnack. Ich spiele meinen geraden Beat und setze die Akzente in einem Song nur dann, wenn der Song einen Akzent wirklich erfordert. Immerhin ist das Punkrock, und wenn der Drummer da zuviel zaubert und irgendwelche Rolls und Fills einbaut, ist er verloren. Es ist einfach zu schnell, entweder der Song geht verloren oder der Drummer kommt nicht hinterher. Ich möchte das Fundament für die Band sein, und vor allem möchte ich live immer wie auf Platte klingen.

Hast du nach so vielen Jahren NOFX jemals versucht, andere Musik zu spielen?

Tatsächlich interessiere ich mich für Reggae und würde das gern mal probieren. Aber in den vergangenen knapp 30 Jahren Punkrock hat mir nie jemand was gezeigt und ich habe auch niemals eine einzige Schlagzeug-Stunde genommen. Ich habe mir halt alles selbst beigebracht und nun bin ich doch etwas limitiert hinsichtlich komplizierter Rhythmen. Wenn ich also andere Musik spielen wollte, würde ich wohl doch an meine Grenzen stoßen und scheitern. Ich könnte es natürlich probieren, aber dann würde ich viel schummeln und mich dabei nicht wohl fühlen. Ich glaube, ich bin wirklich gut in dem, was ich tue, aber wenn es darum geht, andere Stile zu spielen – oder mit anderen Musikern zu jammen –, dann ist das für mich sehr schwierig. Heutzutage ist die Sache bei den jungen Bands ganz anders, denn jede Band hat heute einen technisch perfekten Drummer. Die haben meistens alle frühzeitig Unterricht genommen und können viele ältere Drummer technisch locker in die Tasche stecken. Da hätte ich keine Chance.

Du fühlst dich also bei NOFX wohl und brauchst zu deiner Auslastung kein Zweitprojekt?

Oh nein, ich fühle mich in der Band sehr wohl. Ich habe wirklich sehr viel mehr erreicht, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Wo ich jetzt stehe, ist es wunderbar, da brauche ich keine Nebenbeschäftigung.

Gibt es bei den vielen Platten, auf denen du gespielt hast, eine, auf der du mit dir und deinem Sound besonders zufrieden bist?

Das ist wirklich schwer zu beantworten, weil ich die neuen Songs nicht wirklich üben kann, bevor ich sie im Studio einspielen muss. Ich bekomme die Songs vorher einfach nicht zu hören und das kann manchmal wirklich sehr frustrierend sein. Mike kommt ins Studio, zeigt mir einen Song und zehn Minuten später muss ich ihn bereits aufnehmen. Ich kann also nur selten ein Gefühl für die einzelnen Songs entwickeln und versuche immer nur, so gut wie möglich durch die jeweiligen Lieder durchzukommen. Wenn ich im Nachhinein alle unsere Platten höre und die Songs häufig gespielt und gehört habe, stelle ich natürlich viele Dinge fest. Manchmal stimmt das Timing einfach nicht oder ich denke, ich könnte hier und dort andere Dinge einbringen oder einfach mehr aus dem Song machen. Wir üben die Songs wirklich nie vorher und das macht es für mich schwierig. Die anderen Jungs können immer wieder und wieder bestimmte Parts einspielen, aber die Drums müssen immer sofort solide klingen. Mit unseren letzten beiden Alben bin ich aber alles in allem schon sehr zufrieden. Nicht zu 100% zufrieden, aber doch sehr glücklich. Ein paar Jahre später denkt man ja immer, man hätte hier und dort ein paar Sachen besser machen können, aber mit diesen Songs fühle ich mich sehr eng verbunden.

Macht sich bei dir nach all den Jahren schon mal das Alter bemerkbar und machst du irgendwelche Fitnessübungen?

Man merkt schon, dass alles nicht mehr so einfach und locker funktioniert wie in früheren Jahren. Mein rechter Fuß – also der Bassdrumfuß – ist mit der Zeit schon etwas müde geworden. Nicht wirklich schlimm, ich komme damit zurecht, aber man bemerkt schon so kleine Zipperlein hier und dort. Das klingt jetzt dämlich, aber ich versuche, mich gesund zu ernähren und fit zu bleiben. Ich habe einen körperlich sehr anstrengenden Job und wenn ich mich da gehen lassen würde, würde ich nicht mehr klar kommen. Ich spüre Verspannungen in der Schulter und in meiner Hand und insbesondere im Bereich der unteren Rückenmuskulatur. Manchmal tut mir der Rücken nach einer Show wirklich wahnsinnig weh.

Hast du musikalische Pläne für die Zukunft?

Wenn du mir diese Frage 1991 gestellt hättest, hätte ich geantwortet: „Vielleicht machen wir es noch zwei bis drei Jahre“ – und das ist nun schon 20 Jahre her. Nein, ich habe keine Ahnung, wie lange wir die Band noch machen werden. Es ist verrückt, das Publikum wird immer jünger. Wenn heute Leute in unserem Alter zu den Konzerten kommen, dann bringen sie ihre Kinder und manchmal sogar schon ihre Enkelkinder mit. Wir werden also weitermachen, solange es uns Spaß macht und immer noch Leute kommen, um uns zu sehen.