FANZUI XIANGFA

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Die Internationale des Punk

Grenzen waren im Punk noch nie von Bedeutung, aber kaum jemand verkörpert das so beeindruckend wie FANZUI XIANGFA aus Peking, eine 2006 gegründete Hardcore-Punk-Band mit zwei chinesischen Mitgliedern, zweien aus den USA und einem aus Schweden. Auf sie aufmerksam wurde ich durch ihre fantastische, 2010 erschienene Split-Single mit der sächsischen Band SS20, ein gemeinsamer Release von elf Labels aus sieben Ländern auf drei Kontinenten. Was SS20 auf Tour in China erlebten, kann man in Ox #93 nachlesen, nun kommen vom 1. bis 23. Juli 2011 FANZUI XIANGFA auf Gegenbesuch nach Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich und Polen. Übrigens, je eingehender ich mich mit FANZUI XIANGFA beschäftigte, desto kleiner schien die Welt zu werden. So entpuppte sich Gitarrist Nevin Domer als Booker von Pekings bekanntestem Punk-Club, dem D22, wo ein Freund von mir während seines Studienaufenthalts gekellnert hat, der mir auch gleich ein Foto von sich und Nevin präsentieren konnte. Und Jonas, der schwedische Schlagzeuger, war nicht nur Gitarrist der legendären D.S.-13, sondern ist auch der Bruder von Dennis Lyxzén, der durch THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY und vor allem REFUSED ja vielen ein Begriff sein dürfte. Außer den beiden antwortete auf meine Fragen Mai Dian, der zweite Gitarrist und zentrale Figur der Szene in Wuhan, lange Zeit die Punk-Hauptstadt von China.

Wie kommt so ein internationales Line-up zustande?

Nevin: Wir leben nun mal in einer globalisierten Welt. Menschen überschreiten Grenzen, aus ganz unterschiedlichen Gründen, dadurch entwickeln sich quer über den Globus Beziehungen und Freundschaften von Leuten, die ähnliche Ansichten teilen. Nationalität oder ethnische Zugehörigkeit verlieren immer mehr an Bedeutung, da wir neue, auf Freundschaft basierende Zusammenhänge schaffen und so die alten Bindungen überwinden.

Mai Dian: Wir fanden auch die Projekte gut, die die anderen am Laufen hatten, zum Beispiel zählte D.S.-13, Jonas’ alte Band, immer schon zu meinen Favoriten. Während Nevin und Adam offenbar das Punk-Fanzine Chongzhuang kannten, das ich herausgab.

Jonas: Wir stammen zwar ursprünglich aus den verschiedensten Ecken der Welt, aus Schweden, den USA und China, im Grunde sind wir aber nur ein paar Freunde, die auf Hardcore und Punk stehen und zusammen Musik machen wollen. Wobei ich überzeugt bin, dass es von Anfang an die richtige Entscheidung war, dass jeder in seiner Muttersprache singen sollte. Folglich haben wir jetzt Texte auf Chinesisch, Englisch und Schwedisch. Aber weil wir uns nun mal in China über den Weg gelaufen sind und die Band in Peking gegründet haben, sind wir eben eine Band aus China. Und da alle außer mir immer noch dort leben und arbeiten, fahre ich also so oft wie möglich hin, damit wir proben können, um neue Songs aufzunehmen und manchmal auch auf Tour zu gehen.

Wo habt ihr euch getroffen?

Jonas: Das war irgendwo auf lokalen Punk-Shows, Mai Dian traf ich in Wuhan, da war ich als Roadie mit P.K. 14 auf Tour, und Nevin und Adam in verschiedenen Clubs in Peking, wo ich zwei Jahre studiert habe. Die Bekanntschaft von Liu Liu, unserem Sänger, machte ich damals bei einem Konzert meiner alten schwedischen Band INSURGENT KID in Guilin, im Südwesten Chinas.

Mai Dian: Mit Nevin und Adam kam ich nach einem Gig meiner damaligen Band 400 BLOWS in Peking ins Gespräch, wir entdeckten sofort ohne Ende Gemeinsamkeiten und diskutierten gleich die Möglichkeit, mal in einer Band zusammen zu spielen. Sie haben mir sogar noch ein Buch geliehen, „The Anarchist Cookbook“. Als dann ihre Einladung nach Peking kam, habe ich mich sehr gefreut, auch wenn die Strecke hin und zurück nach Wuhan für mich jedes Mal mindestens 20 Stunden Fahrtzeit bedeutet.

Nevin: FX sind einfach eine Gruppe Individuen, die sich in Peking gefunden hat, aber keiner von uns ist eigentlich von hier. Wir stammen aus verschiedenen Städten, Ländern und Kulturen, doch wir haben schließlich begriffen, dass es zwischen uns mehr Gemeinsamkeiten gibt als Unterschiede.

Peking ist also die gemeinsame Basis der Band?

Nevin: Wir mögen zwar keine ausschließlich chinesische Band sein, aber es sind die alltäglichen Erfahrungen eines Lebens in Peking, die unsere Texte und unsere Musik beeinflusst und geprägt haben.

Jonas: Inzwischen lebt die Band etwas verstreut, ich bin zurück in Schweden, unser Sänger ist wieder in Guilin und Mai Dian in Wuhan, aber zum Proben treffen wir uns alle immer noch dort.

Woher kennt ihr SS20?

Mai Dian: Mit Wane, einer Freundin, hatte ich ein D.I.Y.-Label namens Bi Ma Wen, mit dem wir hauptsächlich neue Bands in China bekannt machen wollten und Touren für sie organisiert haben, so wie 2007 für Ricos frühere Band, THE 4 SIVITS, die bei ihrer Show in Wuhan dann richtig abgeräumt haben.

Nevin: Wir leben unsere Überzeugungen, sind tief verwurzelt in der D.I.Y.- und Hardcore-Szene, und dadurch haben wir auch THE 4 SIVITS und später SS20 getroffen. Möglicherweise war es bei jedem Band-Mitglied zu anderer Zeit und auf andere Art, doch letztlich war es die Hingabe an die Szene und die Musik, die unsere Bands zusammengebracht hat.