PELOTAN

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Surfing Nippon

MySpace ist auf dem absteigenden Ast, die Goldgräberstimmung der letzten Jahre ist vorbei. Trotz aller Kritik muss man aber fairerweise auch zugeben, dass es von Zeit zu Zeit doch immer mal wieder gelingt, auf MySpace einen kleinen Schatz zu heben. Ende letzten Jahres war es wieder soweit. Auf dem Profil von SONIC SURF CITY fand ich einen Kommentar der Band, in dem die brandneue CD der japanischen Band PELOTAN in den höchsten Tönen gelobt wurde. Was von SONIC SURF CITY gepriesen wird, kann nicht wirklich schlecht sein. Sekunden später war ich auf der MySpace-Seite von PELOTAN und noch ein paar Sekunden später war ich bereits mit dem PELOTAN-Virus infiziert. Wenige Takte mit bestem Surf-Pop-Punk im Stile von SONIC SURF CITY, HAWAII MUD BOMBERS oder den BARRACUDAS in ihrer „1965 Again“-Phase reichten dazu völlig aus.

Meine Versuche, in Deutschland an PELOTAN-Tonträger zu kommen, scheiterten allerdings kläglich. In dieser Situation hieß es, aus der Not eine Tugend zu machen und die Band direkt zu kontaktieren. PELOTAN-Frontmann Akira versorgte mich dabei nicht nur mit den beiden aktuellen PELOTAN-CDs, sondern erwies sich darüber hinaus auch noch als überaus sympathischer Bursche. Alles zusammen natürlich beste Voraussetzungen, ihn mal selbst zu Wort kommen zu lassen, damit seine Band in Deutschland verdientermaßen deutlich an Bekanntheit gewinnt und sich hoffentlich endlich auch noch ein Mailorder findet, der die PELOTAN-CDs ins Programm nimmt. Also aufgepasst, alle Freunde gepflegten Surf-Pop-Punks!

Akira, ich gehe mal davon aus, dass ihr bis jetzt in Europa noch nicht so riesig bekannt seid. Stell doch bitte die Band kurz vor.

Die Band besteht aus vier Personen. Uns gibt es seit 2004, unsere Keyboarderin Ayu verstärkt unsere Band aber erst seit 2008. Zu Hause sind wir übrigens in Kawaguchi, ganz in der Nähe von Tokio.

Und was bedeutet der Name PELOTAN?

Wir wissen schon gar nicht mehr, wie wir auf den Namen gekommen sind. Im Japanischen hat er auf jeden Fall keine Bedeutung. Wir mögen ihn auf alle Fälle immer noch, weil sich viele Japaner darunter nichts vorstellen können, und schon gar nicht, dass wir Pop-Punk spielen.

Welche Veröffentlichungen gibt es bis jetzt von euch?

2007 erschien „With A Split“, 2008 kam das Album „No Time For The Summer“, beide auf People’s Records. Ende 2010 veröffentlichte K.O.G.A. Records schließlich „Summer Means Fun“.

Und wie sieht es mit den musikalischen Einflüssen aus?

Als wir 2004 loslegten, standen wir auf solche Sachen wie NOFX oder LAGWAGON. Inzwischen bin ich aber zu alt, bei diesem Musikstil ermüde ich zu schnell. In den letzten Jahren haben wir etwas das Tempo herausgenommen. Einflüsse gibt es von Bands wie den QUEERS oder SONIC SURF CITY. Und ganz wichtig sind für uns natürlich die BEACH BOYS, gerade im Hinblick auf die Arrangements und unsere Chöre.

Ein Großteil eurer Songs handelt von den ganzen schönen Dingen im Leben, die mit S beginnen: Sommer, Sonne, Strand, Surfen und schicke Bräute. Aber die Bands, die am lautesten über das Wellenreiten singen, sind oft die miesesten Surfer. Könnt ihr überhaupt surfen, gibt es vielleicht sogar den einen oder anderen verkappten Jack Johnson in eurer Band?

Immer, wenn ich in Kalifornien bin, nehme ich mein Brett und surfe richtige Big Waves und lasse mich dabei am liebsten von den ganzen Girls am Strand anhimmeln. Herrlich! All das aber leider nur in meiner Fantasie. Eine Woche lang habe ich mal versucht, das Wellenreiten zu erlernen, aber man kann sich gar nicht vorstellen, wie schwer das ist. Ich habe das dann auf jeden Fall gelassen. Bei den anderen in der Band sieht es auch nicht besser aus. Ich denke, es ist besser, wenn wir über das Surfen singen, anstatt es selbst zu praktizieren. Zumal wir natürlich auch noch das Problem haben, dass wir ca. 200 Kilometer bis zu einem geeigneten Strand zurücklegen müssten.

Da befindet ihr euch ja in guter Gesellschaft. Von den BEACH BOYS konnte das auch nur Dennis Wilson. Und – Ironie des Schicksals – gerade er fand den Tod in den Wellen.

Nun, Gefahren lauern nicht nur im Meer, sondern auch an Land. Unseren Bassisten hat es auch schon mal ordentlich zerlegt. Yuta meinte einmal, während eines Konzertes von der Bühne in die Zuschauermenge springen zu müssen. Jedenfalls überschätzte er wohl die Menge vor der Bühne, konnte nicht aufgefangen werden, landete gepflegt auf dem Hinterkopf und verlor das Bewusstsein, so dass ein Rettungswagen kommen musste. Heute finden wir die ganze Story witzig, aber damals konnten wir nicht darüber lachen. Die Geschichte haben wir übrigens in unserem Song „Call an ambulance“ verarbeitet.

Wenn wir schon bei dem Thema sind: was machen eure Konzertaktivitäten?

Wir haben keine exakte Statistik geführt, aber ich denke, dass wir es schon auf bestimmt 300 Konzerte gebracht haben. Unser schlechtestes Konzert war gleich unser erster Auftritt 2004. Der war so grottenschlecht, dass ich froh wäre, wenn ich ihn aus meinem Gedächtnis streichen könnte. Aber wir wurden natürlich auch durch fantastische Konzerte entschädigt, Höhepunkte waren mit Sicherheit unsere gemeinsamen Shows mit den QUEERS und den PARASITES 2009 in Tokio. Mit den YUM YUMS standen wir auch schon zusammen auf der Bühne. Wir hatten Konzerte mit zehn Zuschauern, aber auch teilweise mit bis zu 200 Besuchern. Einen Lieblingsclub haben wir bisher übrigens nicht, wir spielen gerne überall dort, wo es genügend Sauerstoff gibt.

Habt ihr es auch schon bis ins Ausland geschafft?

2007 haben wir in Taiwan gespielt, was eine tolle Erfahrung war. Liebend gern würden wir es mal in die USA und nach Europa schaffen, insbesondere nach Deutschland, Schweden, Norwegen und Spanien. Perfekt wäre es dann noch, wenn wir zusammen mit SONIC SURF CITY oder den HAWAII MUD BOMBERS spielen könnten. Aber dafür müssen wir noch hart arbeiten. Ich schätze, dass ihr in Europa bestimmt noch 30 Jahre auf uns warten müsst, haha.

In Europa heißt es immer, dass in Japan europäische Surf-Pop-Punk-Bands wie SONIC SURF CITY und HAWAII MUD BOMBERS hoch im Kurs stehen. Ist das wirklich immer noch so?

In den Neunzigern hat es in Japan einen regelrechten Surf-Boom gegeben, von dem natürlich auch viele europäische Bands profitiert haben. Diese Euphorie ist heute leider vorbei, aber die Surf-Pop-Punk-Bands profitieren natürlich schon noch von den Fans, die seit den Neunzigern in diesem Genre hängen geblieben sind. Aber wie gesagt, die ganz großen Zeiten sind leider vorbei. Und selbst in ihren Glanzzeiten reichten Bands wie SONIC SURF CITY oder die HAWAII MUD BOMBERS nicht an die Popularität von OASIS oder Nena heran.

Dann wollen wir doch hoffentlich mal dafür sorgen, dass im Sinne einer ausgeglichenen Musik-Welthandelsbilanz auch ein paar japanische Bands in Europa an Bekanntheit und Beliebtheit zulegen. Gibt es neben PELOTAN noch ein paar gleichgesinnte Bands, die du uns empfehlen kannst?

Da fallen mir spontan zwei Bands ein, die ich euch ans Herz legen möchte. Mit beiden Bands haben wir schon live gespielt, sympathische Bands, die beide tollen und frischen Surf-Pop-Punk bieten. Es handelt sich um SUNNY BRANCH und GRILL CHICKENS.

Was steht in diesem Jahr noch an, gibt es schon konkretere Pläne?

Zusammen mit unserem aktuellen Label K.O.G.A. Records arbeiten wir gerade an einer Japan-Pop-Punk-Compilation mit mehr als 20 Bands. Der Sampler soll im Sommer rauskommen und es ist schon absehbar, dass er großartig wird. Bei K.O.G.A. sind wir seit 2008, ein tolles Label mit einem sympathischen Chef, der alle Arten von Pop-Punk liebt.

Nach unserem Interview im Februar sind einige Wochen ins Land gezogen, die leider für Japan mit viel Schrecken und Leid verbunden waren. Aus diesem Grund machte es Sinn, unser Interview im April noch um ein paar weitere Fragen zu aktualisieren.

Unser Interview im Februar endete mit der profanen Frage nach eurer musikalischen Zukunft. Eine Frage, die wohl momentan absolut zweitrangig ist. Momentan sind mit Sicherheit ganz andere Fragen von Bedeutung. Zunächst: Wie habt ihr das Erdbeben, die Tsunami-Welle und die Atomkatastrophe erlebt und wie geht es euch heute?

Ich saß gerade am Computer, als das Erdbeben begann. Dadurch, dass wir nicht in unmittelbarer Nähe zur Küste und zu einem Kraftwerk wohnen, blieben die dramatischen Folgen für uns zum Glück aus. Auch wenn sich die Gesamtsituation ganz langsam leicht entspannt, sind wir trotzdem leider noch weit von einem „normalen Tagesablauf“ entfernt. Nachbeben, Stromausfälle und Gerüchte über radioaktive Verstrahlung sorgen für reichlich Verunsicherung und Ängste.

PELOTAN ist ja durchaus als unpolitische Band einzustufen. Wird sich jetzt daran etwas ändern? Als Surfband ist es ja naheliegend, sich z.B. zum Schutz der Weltmeere zu engagieren.

Es ist richtig, dass PELOTAN als Band keine politischen Themen transportiert. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Wir haben aktuell aber durchaus Gedanken, Songs zu Themen wie Umweltzerstörung bzw. Umweltverschmutzung zu schreiben. Dies würden wir aber dann mit einer neuen Band bzw. unter einem neuen Bandnamen umsetzen.

Durch die Ereignisse in Japan haben in Deutschland die Diskussionen über Atomkraft neuen Antrieb erhalten. Die Anti-Atomkraft-Bewegung erlebt momentan einen enormen Aufschwung. Wie sieht es in Japan aus? Gewinnt der Umweltschutz endlich an Bedeutung und wird das Thema Atomkraft inzwischen kritischer gesehen?

Selbstverständlich und zum Glück gibt es jetzt auch in Japan breitere Diskussionen über die Zukunft der Atomkraft. Ich wünschte, dass wir in Japan einen schnellen Atomausstieg erreichen könnten. Ich fürchte aber, dass dies nicht realistisch ist. Japan ist leider ein Land ohne Ressourcen und mit hohem Stromverbrauch. Deshalb werden wir wahrscheinlich noch längere Zeit auf Atomkraft angewiesen sein. Momentan gibt es dazu leider keine klaren Antworten.

Vielen Dank für die Interviews und euch in dieser schwierigen Situation alles Gute. Keep it surfin’!