PETER MURPHY

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Bela Lugosi’s back

Der ehemalige BAUHAUS-Sänger Peter Murphy hat seine Shisha in Istanbul für einige Augenblicke zur Seite gelegt und wieder ein paar Songs geschrieben, die dieser Tage in Form des Albums „Ninth“ veröffentlicht wurden. Murphy, der momentan in Istanbul und New York lebt, erschloss sich einige neue Fans, als er 2009 auf Trent Reznors NINE INCH NAILS-Tour im New Yorker Terminal 5 auftauchte. Murphy und Reznor sind alte Freunde. So gute Freunde, dass sie bereits „Warm leatherette“ von THE NORMAL als Coverversion einspielten, und das ziemlich fulminant. Und Murphy versuchte sich in eigener Geschichtsbewältigung im Rahmen eines kleinen Staatsakts, als er zu Reznor auf die Bühne stieg, um mit ihm „Reptile“ von NINE INCH NAILS sowie seinen Song „A strange kind of love“, einen der besten Songs aus seiner Feder überhaupt, und den BAUHAUS-Klassiker „Kick in the eye“ zu spielen.

2010 war Murphy dann als „der Kalte“ in „Eclipse“, dem jüngsten Teil der „Twilight“-Reihe, zu sehen. Als man ihn wegen der Rolle ansprach, war er geschmeichelt und amüsiert: „Wer sonst hätte und sollte sie übernehmen können?“, erwiderte Murphy. „Es war reizend und klug von David Slade, mich zu fragen.“ Reizend ist er ebenfalls immer noch, wenn auch sehr selektiv – und zwar auf der Bühne oder wie es ein weiblicher Fan nach einem Konzert beschrieb: „Peter Murphy was playful, charming and graceful enough to make a girl swoon.“ Vergangenen Herbst traf sich Peter Murphy mit Bassist Mick Karn (JAPAN, DALIS CAR, RAIN TREE CROW) nach über 20 Jahren wieder, um im Studio am Folgeprojekt DALIS CAR 2 zu arbeiten, nachdem beide bereits 1984 mit DALIS CAR ein musikalisches Konglomerat aus JAPAN und BAUHAUS schufen und Mick Karn mit seinem prägenden Fretless Bass bereits damals Okzident und Orient verband und zuvor damit die Signatur für den typischen JAPAN-Sound gelegt hatte. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen war Mick Karn bereits schwer an Krebs erkrankt. Er verstarb im Januar 2011. Peter Murphy beantwortete einige Fragen während seiner USA-Tour.

Peter, du hattest noch kurz vor Mick Karns Tod die Möglichkeit, mit ihm am Projekt DALIS CAR 2 zu arbeiten. Soweit ich weiß, habt ihr euch zuvor über 20 Jahre nicht gesehen. Wie seid ihr wieder zusammengekommen und wie war die Atmosphäre, mit ihm zu arbeiten, in Anbetracht seines gesundheitlichen Zustands?

Ich habe wieder mit Mick Kontakt aufgenommen, nachdem ich von seiner Krankheit gehört hatte, und wie du erwähnst, habe ich ihn fast 26 Jahre nicht gesehen, noch etwas von ihm gehört. Auch wenn ich nicht sagen kann, dass wir die engsten Freunde waren, gab es durch DALIS CAR immer diese enge Verbindung zwischen uns, und in diesem Moment fühlte ich mich auch sehr verpflichtet, ihn zu unterstützen, wo es auch nur ging. Ich habe den Gedanken, DALIS CAR mit Mick neu zu beleben, nicht ernsthaft verfolgt, bis ich feststellen musste, dass kaum einer seiner alten Freunde, mit denen er all die Jahre als Musiker zusammenarbeitete, ihn bei einem letzten musikalischen Projekt unterstützte. Ich war dann selbst sehr angetan und inspiriert von dieser Idee – und Mick war es auch –, so dass wir wie von selbst zusammenfanden. Wir haben dann auch mit der Hilfe eines befreundeten Arztes, Dr. Frederick Bury, das notwendige Geld für das Studio aufgebracht. Mick besuchte mich dann in Oxford, in den Malt Barn Studios, und wurde dabei begleitet von seiner japanischen Frau Kyoko, seinem Sohn Metis und seiner langjährigen Freundin Debi Zornes, mit der er vor einigen Jahren sein Label MK Music gründete. Für mich war es eine sehr positive und unglaublich kreative Zeit, die auf gewisse Weise völlig unbelastet von Micks Krankheit gewesen ist. Auf eine bestimmte Art sind wir wieder ganz neue Freunde geworden und ich habe ihn als völlig versunken und verinnerlicht in dieser, seiner letzten kreativen Arbeit erlebt, unserer letzten Zusammenarbeit als DALIS CAR. Ich bin glücklich und fühle mich geehrt, Teil dieses Projekts mit ihm gewesen zu sein, und ja, ich bin auch ziemlich stolz darauf. Unser gemeinsamer Freund, der ehemalige JAPAN-Schlagzeuger und Produzent Steve Jansen, hat die Songs abgemischt und einige Percussion- und Schlagzeugparts beigesteuert. Micks Frau und Freunde haben auch die kompletten Verwertungsrechte an diesen Songs und können über ihre Verwendung entscheiden.

BAUHAUS-Bassist David J hat gerade ein Konzeptalbum veröffentlicht, das sich im Wesentlichen mit der Sterblichkeit beschäftigt. Kannst du deine Einflüsse und Inspirationen beschreiben, die dich beim Album „Ninth“ getrieben haben?

Konzeptalben sind etwas für Menschen, denen es an der nötigen Fantasie mangelt. Meiner Musik haftet nie etwas Konzeptionelles an, sondern sie ist immer im Einklang und Fluss mit der Gegenwart und Zukunft. Diese Songs sind zeitlos und werden nicht altern. Über die Sterblichkeit habe ich bereits vor vielen Jahren geschrieben, andere brauchen wohl etwas länger, um diese Entwicklung zu verstehen oder nachzuvollziehen. Im Grunde dreht es sich um das, was ich „The poetry of rapture“ zwischen Liebenden nennen möchte, aber nicht im Sinne einer sentimentalen Vorstellung von Liebe. Die Texte entstanden größtenteils unter dem Einfluss der Umgebung und Erfahrungen während meines Aufenthalts in den Catskills Mountains, einem Ausleger der Appalachen, ein Mittelgebirge nahe des Bundesstaates New York. Dort verbrachte ich eine Weile, um Songs zu schreiben und einzuspielen.

Letztes Jahr ist Rowland S. Howard verstorben. Mick Harvey hat ihm auf seinem aktuellen Album den Song „October boy“ gewidmet. Könnest du dir vorstellen, einen Song über Mick Karn zu schreiben?

Der erste Song, den ich mit Mick zusammen geschrieben habe, ist über und für ihn. Aber wenn du so willst, sind alle Songs vom aktuellen Projekt DALIS CAR ihm gewidmet. Als eine besondere Widmung habe ich auch einen Song für meinen guten Freund David Baron geschrieben, der auch mein aktuelles Album produziert hat, der mit seiner Frau Jihni während unserer gemeinsamen Produktion Schlimmes erlebt hat, auf das ich jetzt im Detail nicht eingehen will.

Wie gestalteten sich die „Ninth“-Aufnahmen mit David Baron?

Ich habe im Studio unter anderem mit meinem langjährigen Gitarristen Mark Gemini Thwaite gearbeitet, der schon seit vielen Jahren Live-Musiker bei mir in der Band ist und auch schon für THE MISSION, TRICKY oder SPEAR OF DESTINY gespielt hat, und Bassist Jeff Shartoff sowie Schlagzeuger Nick Lucero, der auch bei QUEENS OF THE STONE AGE gespielt hat. „Ninth“ ist völlig unbelastet von irgendeiner Erwartungshaltung an meine vergangenen Alben entstanden. Ich löse mich da völlig von der Vergangenheit beim Aufnahmeprozess. Ich mag es, wenn die Songs während des Prozesses des Schreibens sehr spontan entstehen und sich entwickeln können. Viele Songs habe ich mit David Baron geschrieben, einen Song mit Mark und einen mit meinem alten Freund Paul Statham, mit dem ich schon für mein Album „Unshattered“ einige Songs geschrieben habe. Energie und Direktheit waren die Eckpfeiler dieser Aufnahmesessions. Wir spielten diese Songs in ungefähr einer Woche in einem Studio ein, das in einer umgebauten Kirche eingerichtet war. Allerdings ist es wichtig festzuhalten, dass dabei nicht irgendwelche Gothic-Klischees ausschlaggebend waren, sondern schlicht die natürliche Akustik in diesem Studio einfach aufgrund dieser Umstände extrem gut gewesen ist. Ich wollte unbedingt, dass wir alle in diesem Raum spielen und von der Atmosphäre gefangen werden. Es ist wirklich ein großartiges Album geworden, das auch Musiker und nicht nur Fans hören sollten.