SHEER TERROR

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Immer dieser Hass

„Just can’t hate enough“ – das war genau das, was ich mit meinen 16 Jahren hören wollte. Hass auf alles und jeden. SHEER TERROR aus New York City lieferten den idealen Soundtrack dafür, wenn man nachts in eine Kneipenschlägerei verwickelt wurde oder an der Tanke einen Haufen Dorfnazis umhaute. Auch wenn schon alles verloren schien, kamen einem der bitterböse Gesang von Paul Bearer und die tiefergestimmten, hasserfüllten Gitarren in den Sinn – und mit einem Mal wendete sich das Blatt. Nicht umsonst nannte man ihren Sound eher Hatecore als Hardcore. 18 Jahre später empfindet man immer noch Hass, die Dorfnazis sind nicht mehr so leicht zu erkennen und SHEER TERROR sind wieder da. Grund für mich, Paul Bearer, dem „Crazy Uncle“ der New Yorker DMS-Crew um Bands wie MADBALL, AGNOSTIC FRONT oder SKARHEAD, ein paar Fragen zu stellen.

Paul, du hast immer gesagt, die Sache mit SHEER TERROR sei endgültig vorbei und es gäbe kein Zurück mehr. Was ist passiert, dass du deine Meinung geändert hast?

Es ergab sich die Gelegenheit, in Japan einige Konzerte zu spielen, da sind wir noch nie gewesen. Der ursprüngliche Plan war, dass wir nur dort spielen, anschließend sollte es wieder vorbei sein. Allerdings bekamen wir einen Monat, bevor es losging, das Angebot, in Philadelphia auf dem „This Is Hardcore Fest“ zu spielen. Ich dachte mir, es wäre eine großartige Gelegenheit, das als Warm-up für die anstehenden Japan-Konzerte zu nutzen, und das war es tatsächlich. Als ich dann in Japan mit meinen neuen Bandkumpels unterwegs war, fing ich an, darüber nachzudenken, wie gut es sich eigentlich anfühlt, auf der Bühne zu stehen und genau diese Songs zu spielen. Ich betrachtete die neuen Musiker in der Band und wusste, das ist definitiv ein großartiges Line-up. Die Jungs waren und sind alle SHEER TERROR-Fans, und wer weiß, wo ich sie her habe, der weiß, es wäre ein Verbrechen, sie wieder gehen zu lassen. So entschied ich mich während der Tour, ein neues Kapitel für die Band aufzuschlagen.

Und wie fühlt es sich an, mit SHEER TERROR wieder auf der Bühne zu stehen?

Ehrlich, ich fühle mich besser als je zuvor. Ich denke, nachdem man einige Jahre Abstand von dem Ganzen bekommen hat, sieht man es alles ein bisschen differenzierter, und ich weiß Dinge einfach mehr zu schätzen. Es war die beste Entscheidung, die ich seit langem getroffen habe!

Wie sieht euer Leben außerhalb der Band aus?

Wir gehen fleißig arbeiten. Ich bin in einem Nachtclub als Türsteher angestellt und das schon länger, als mir lieb ist. Ich stehe seit zwölf Jahren vor der gleichen New Yorker Bar.

SHEER TERROR waren immer etwas Besonderes in der Szene. Wieso wart ihr niemals so typisch NYHC wie die ganzen Bands um die DMS-Crew?

Wir haben Hardcore und Punk noch nie voneinander getrennt. Wir orientierten uns auch nicht an anderen Bands, wenn wir einen Schritt weiter gingen. Ganz im Gegenteil, wenn wir uns die anderen Bands anschauten, wussten wir genau, was wir nicht machen wollten. Die DMS-Crew ist meine Familie, auch wenn du sagst, dass wir nicht richtig dazugehören. Ich habe sehr viele von ihnen aufwachsen sehen. Ich war sozusagen der „verrückte Onkel“, der in seinem Haus lebt und dich vom Rasen jagt. Was wir gerade bei Black N Blue Productions und Black N Blue Radio machen, hat positiven Einfluss auf das, was von der NYHC-Szene übrig geblieben ist. Wir sind ein gutes Beispiel dafür, wie man eine Szene wiederbeleben kann, und ich hoffe, dass Leute auf der ganzen Welt nicht bloß versuchen, wie eine NYHC-Band zu klingen, sondern bei uns auch abgucken, wie man zusammenarbeitet. Keiner sagt, dass wir perfekt sind, aber wir arbeiten daran.

Auch deine Texte waren eine Spur persönlicher und alles andere als der Ausdruck einer positiven Denkweise. Woher hast du deine Inspiration genommen?

Da muss ich dir widersprechen. Ich denke, dass meine Texte viel mehr Positives enthalten als der ganze Haufen einfacher Phrasen und abgenutzte Slogans. Ich schreibe über mein Leben oder das, was mich umgibt. Es ist nicht immer schön oder angenehm, ganz im Gegenteil, es kann ganz schön verrückt und eklig sein. Ich bin auch nicht dafür da, um dir Lösungen für deine Probleme vorzugeben. Genauso wenig aber werde ich dich verurteilen. Wie viele von den so genannten „Posi-Bands“ von „vorgestern“ können das von sich behaupten? Musik ist ein Ventil, das mir eine Art Mitspracherecht gibt, und ich habe etwas zu sagen. Vielleicht ist die Möglichkeit, dadurch Gehör zu finden, für mich sogar die Hauptmotivation.

Wie ist es heutzutage, in NYC zu leben? Bestehen noch Kontakte zu früheren Freunden aus der Hardcore-Szene?

Ich habe einen Haufen Freunde, ob Hardcore, Punks oder Skinheads. Einige von ihnen kenne ich mehr als 20 Jahre. Wir versuchen, uns so oft zu sehen, wie es zeittechnisch möglich ist. Zumindest erkundigt man sich mal, ob noch alles in Ordnung ist. Keiner von uns wird jünger und es gibt im Hardcore keine Rentenversicherung. Wir haben nicht immer nur optimale Entscheidungen in unserem Leben getroffen, aber wir waren immer füreinander da. Nur allein dafür, dass wir gemeinsam tausende Male um die Blocks gezogen sind, bin ich schon dankbar. Manchmal habe ich echt nicht gedacht, dass es einige von uns schaffen werden – mich eingeschlossen.

Was können wir in Zukunft von SHEER TERROR erwarten? War es eine einmalige Reunion oder gibt es neue Platten und auch Touren dazu?

Wir schreiben gerade neue Songs. Ich hoffe, dass irgendwann demnächst unsere neue Platte erscheinen wird. Es wird keine „große“ Tour geben, da ich das schon alles einmal gemacht habe, ich muss nichts mehr beweisen, um damit möglichst eine Menge Platten loszuwerden. Ich möchte, dass jede Show etwas Besonderes ist. Du wirst uns nicht alle vier bis sechs Monate auf einer riesigen Package-Tour finden, sondern kannst froh sein, wenn du uns einmal im Jahr auf der Bühne sehen wirst, und dann nur auf einer kurzen Tour von vielleicht einer Woche. Dadurch verlieren wir nicht so schnell die Lust an der ganzen Sache und fangen auch nicht an, dich zu langweilen, weil du uns zu oft siehst. Wir freuen uns alle sehr darauf!

Famous last words – was wolltest du der Welt schon immer mal mitteilen?

Open your mind, instead of your mouth. And don’t be a jerk.