COMPUTERS

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You Can’t Hide From ...

THE COMPUTERS sind die zur Zeit vielleicht aufregendste Band von der Insel. Die vier aus Exeter vereinigen auf gelungene Weise den Rock’n’Roll der Fünfziger mit dem Hardcore und Punkrock von heute. Nach der EP „You Can’t Hide From The Computers“ aus dem Jahr 2009 erschien vor kurzem ihr Debütalbum „This Is The Computers“, das sie mit ihrem Idol John „Speedo“ Reis in dessen Studio in San Diego aufnahmen. Ich traf Sänger Screamin’ Al und Bassist Nic nach ihrem fulminanten Auftritt auf dem Area 4-Festival.

Woher kommt bei euch der Einfluss des klassischen Rock’n’Roll?

Al: Der war bei mir schon seit der Kindheit da, zum Beispiel durch Filme wie „Back to the Future“, wo am Ende „Johnny B. Goode“ gespielt wird.

Nic: Die Songs von Chuck Berry waren im Grunde bereits Punkrock. THE SONICS haben das dann aufgegriffen und waren noch mehr Punkrock als Chuck, obwohl es Punk als solchen noch gar nicht gab.

Al: Chuck Berry machte halt, was ihm gefiel, nicht nur musikalisch. So verführte er damals eine 14-Jährige, musste ins Gefängnis und verlor seinen Plattenvertrag.

Wieso tragt ihr auf der Bühne alle Weiß?

Al: Die Farbe spielt keine Rolle, es geht uns mehr um den gleichen Look. In den Sechzigern war es üblich, dass Bands wie eben THE SONICS auf der Bühne das Gleiche trugen, um so ihre Identität als Gruppe zu unterstreichen. Das machen wir auch und verwenden bewusst die eher uncoole Farbe Weiß, weil es uns dabei nicht um Mode oder so was geht. Wenn wir live spielen, tragen wir alle den gleichen Scheiß und müssen uns keine Gedanken machen, was wir anziehen sollen. Bei unserem Gig gerade hat sich übrigens unser Drummer am Handgelenk verletzt. Seine ursprünglich weiße Hose ist jetzt voller Blut. So etwas passiert schon mal.

Wie ist es euch gelungen, John Reis als Produzenten für euer neues Album zu gewinnen?

Nic: Wir sind schon seit langem große Fans von allem, was er bisher gemacht hat, insbesondere von ROCKET FROM THE CRYPT und den HOT SNAKES. Als wir mit seiner neuen Band THE NIGHTMARCHERS in England auf Tour waren, haben wir uns nach der letzten Show erst ziemlich betrunken und ihn dann einfach gefragt und er hat spontan ja gesagt. Er gab uns seine Telefonnummer und nach ein paar Telefonaten flogen wir zu ihm nach San Diego. Bevor wir mit den Aufnahmen begannen, haben wir zunächst drei Tage lang mit ihm gejammt, was natürlich einen Einfluss auf die Songs hatte.

Al: Er war sehr bestimmend und hat uns genau gesagt, wie die Lieder zu spielen sind und wie sie aufgenommen werden. Für uns war das okay. Schließlich ist er der Swami, haha!

Bei den Aufnahmen waren aber keine Computer involviert, oder?

Al: Genau. Wir vier standen im Raum verteilt herum und spielten die Songs in einem Take live ein, so wie Johnny Cash seine frühen Platten aufgenommen hat. Direkt aufs Band.

Hat Speedo euch auch den Deal bei One Little Indian besorgt?

Nic: Ja, hat er. Als wir mit den Aufnahmen fertig waren, fragte er uns nach unseren weiteren Plänen und ob wir schon eine Plattenfirma hätten, was aber nicht der Fall war. Am Tage unser Rückkehr aus San Diego erhielten wir dann eine Mail von One Little Indian, die er in der Zwischenzeit kontaktiert hatte und die uns übrigens zunächst für eine amerikanische Band hielten. Sie boten uns einen Vertrag an, und zwar nur auf der Basis dessen, was Speedo ihnen über uns erzählt hatte. Derek, ihr Boss, hat uns seitdem aber ein paar Mal live gesehen.

Screamin’ Al , auf den B-Seiten eurer aktuellen Singles gibt es zwei Coverversionen von Elvis beziehungsweise THE CLASH, wo du tatsächlich singst, nicht schreist.

Al: Mit den beiden Songs wollen wir zeigen, wo unsere musikalischen Wurzeln liegen. Das gilt übrigens auch für die kommende Single, auf der es mit „Surfin’ bird“ eine weitere Coverversion geben wird. Auf dem nächsten Album werde ich tatsächlich mehr singen, aber nicht, um uns irgendwo anzubiedern und im Radio gespielt zu werden, sondern um nicht auf Dauer gleich zu klingen. Außerdem stehen wir alle auf Soul, genauso wie wir Hardcore mögen. Leute, die unsere Platte „This Is The Computers“ kennen, mag das überraschen, aber wenn sie irgendwann das nächste Album hören, ist es vielleicht nicht mehr so überraschend. Wir sagen über uns selber, wir seien eine Garage-, Rock’n’Roll- und Soul-Band. Das wollen wir stärker als bisher herausstellen.

Ihr seid aus Exeter in Devon. Wie lebt es sich dort und gibt es eine Szene für Bands wie euch?

Nic: Exeter ist keine große Stadt und liegt im Südwesten von England, ungefähr vier Stunden von London entfernt. Die Küste ist nicht weit, und das Leben ist recht angenehm dort.

Al: Die Szene ist natürlich überschaubar, aber es gibt Leute, die sich für Rock’n’Roll interessieren, wozu wir möglicherweise einen Teil beigetragen haben. Ein paar Kids haben kürzlich eine Band gegründet und klingen stark nach uns. Das ist cool.

Anfang August kam es in diversen englischen Großstädten zu Plünderungen und Brandstiftungen. Wie habt ihr das wahrgenommen?

Al: Wir waren zu dem Zeitpunkt mit THE BRONX auf Tour und sahen, wie in einem Vorort Londons ein Doppeldeckerbus angegriffen wurde, direkt vor unseren Augen. Kurz darauf war alles voller Polizei. Außerdem wurde das Sony-Vertriebszentrum angezündet, in dem auch unser Vertrieb PIAS beheimatet ist. Offensichtlich war der Auslöser des Ganzen die Erschießung eines unbewaffneten Familienvaters durch die Londoner Polizei.

Nic: Zunächst richteten sich die Proteste gegen die Art und Weise, wie die Polizei damit umgegangen ist. Das Ganze artete dann aber schnell aus und hatte mit politischem Protest wenig bis gar nichts zu tun. Verschiedene Leute, nicht nur Gangs, nutzten die Situation aus und besorgten sich inmitten der Tumulte einen neuen Fernseher oder teure Turnschuhe. Wenn es schon zu Unruhen kommt, dann sollten sie sich nicht gegen kleine Shop-Besitzer richten. Die Leute hätten lieber das örtliche Arbeitsamt oder so was anzünden sollen.

Was kann man live von THE COMPUTERS erwarten?

Al: Live unterscheidet sich unser Sound kaum von dem des Albums, weil es, wie gesagt, live aufgenommen wurde. Wir gehen einfach raus und spielen und wollen keine Show im eigentlichen Sinne auf die Bühne bringen. Wir rotzen viel, springen herum und klettern auf alles, was sich uns in den Weg stellt. Klassischer Rock’n’Roll halt. Wir lieben übrigens Städte wie Dortmund oder Hamburg. Am besten gefällt es mir selbst allerdings in Berlin. Ich war zwar erst ein paar Mal da, würde aber am liebsten sofort dort hinziehen. In deutschen Großstädten wie Berlin gibt es noch richtige Plattenläden und Falafelbuden an jeder Ecke, was für uns Vegetarier toll ist. Deswegen gefällt es mir auch in Frankreich in dieser Hinsicht nicht so. Dort bekommt man überall nur Fleisch.