DAMPFMASCHINE

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Harte Musik für Mädchen

Mit „Bete zur Maschine“ haben DAMPFMASCHINE aus Osnabrück kürzlich auf Redfield Records ihr neues Album veröffentlicht, das in Ox #97 besprochen wurde. Ich bat Simon „Siggy Rock“ Brandhorst von DAMPFMASCHINE, mit mir ganz wissenschaftlich und analytisch meine Rezension zu interpreteren und zu erklären.

DAMPFMASCHINE: Dampfmaschinen waren wichtig bei der Industrialisierung, sind heute aber nur noch Museumsstücke, zum Beispiel hier um die Ecke bei uns in Solingen. Was sagt uns das über eure Band? Und ... wer ist überhaupt in der Band?

Meine DAMPFMASCHINE-ID ist Siggy Rock, äußerst introvertierter Gesingsang. Dann sind da noch Hase: Klampfe, Fitten: Klampfe II, Rave Paulsen: Basssgitarrr, Schnalli: trommelt. Eure Ecke in Solingen kenn ich noch nicht – bin aber interessiert. Museumsstück, eher Drecksstück, Industrialisierung, find ich gut, Dampfmaschine, das ist unser Ding.

„Bete zur Maschine“: Anbetung statt Maschinenstürmerei? Wieso muss ich an „Metropolis“ denken?

Ich musste auch öfter mal an „Metropolis“ denken, auch und vor allem wegen des Titels, Anbetung muss sein, sonst macht man nicht so’n Quatsch und vor allem nicht so lange. Live versuchen wir schon, die Maschine zu stürmen ... da fühlen wir uns wie im arabischen Frühling.

Bitzcore haben sich selbst den Stöpsel gezogen, da wart ihr labellos. Wie kamt ihr zu Redfield?

Alex von Redfield kommt aus Melle-Shitty, das ist ein Kaff bei Osnabrück. Wir kennen uns schon ewig – so wie man sich in so einem Dorf halt kennt. Und zu Bitzcore: das war für uns mit dem Debüt alles in Ordnung.

„Markantestes Merkmal von DAMPFMASCHINE ist der eigenwillig bellende Gesang von Siggy Rock – man merkt bei jeder Zeile, wie der Kerl Spaß daran hat, mit Worten zu spielen, sie auf verschiedenste Weise herauszupressen, herauszuspucken, sie rundzulutschen, bevor sie dann doch rausmüssen. Peter Hein und Jens Rachut tun das mit ähnlicher Intensität, ohne dass sie stilistisch vergleichbar sind. Mir gefällt das, aber wenn einem DAMPFMASCHINE nicht gefallen, hat das wahrscheinlich mit dem Gesang zu tun.“ Und was sagst du dazu?

Ja, das ist so. Wer Ronnie James Dio sucht, wird ihn bei uns nicht finden. Aber Musik muss einen packen, das hat meinem Empfinden nach nur was mit „darauf abfahren“ zu tun. Spaß ist Number one und ich hab Spaß. Die Worte, die ich rundlutsche, liebe ich. Wir sind die schlimmste Klasse des Jahrgangs, aber immer locker unterwegs – immer Dampf! DAMPFMASCHINE will Mucke machen und Siggy will immer draufhauen. ’tschuldigung, Schnalli will immer draufhauen – ich will es nur raushauen.

„Wir erinnern uns, es ist die runderneuerte Nachfolgeband der Osnabrücker GOOD WITCH OF THE SOUTH.“ Irgendwie sind DAMPFMASCHINE eine ganz andere Band, wie kam’s dazu, was ist geblieben?

Wir sind geblieben und mit uns vieles, was früher war. Nur hat mein Bruder Winckelkopf der DAMPFMASCHINE totale Lyrik mitgegeben ... und das ist gut so.

„Irgendwie werden sie gerne mit SMOKE BLOW in einen Topf geworfen, aber außer Freundschaft verbindet die beiden Bands nichts.“ Ja, warum eigentlich (nicht)?

Nee, sehe ich gar nicht so, wir sind keine Freunde! Höhö ... aber ist beides live ein Erlebnis, finde ich! Letten und Hellhammer haben uns studiotechnisch entjungfert. Da haben wir 2001 unsere Unschuld verloren, was die technische Reproduktion dessen angeht, was im Proberaum passiert.

„SMOKE BLOW sind räudige Rocksäue, DAMPFMASCHINE hingegen Virtuosen, verspielte Musikertypen, die konzeptionell arbeiten, die den Stoner-Rock der Vorgängerband längst hinter sich gelassen haben. Ihr Rock ist komplex, zerfahren, rhythmusorientiert, kein Riffmonster – ein Doppelpack-Konzert mit NOMEANSNO wäre vorstellbar, ohne dass sich hier 1:1 was deckt.“ Einverstanden oder missverstanden?

Ja, klar, wir sind anders – wir sind gewachsen und wachsen weiter, hoffe ich zumindest. Aber verspielte Musikertypen, die konzeptionell arbeiten, sind wir auch nur bedingt – wir können auch ganz anders! NOMEANSNO? Ich hab mal in die Runde gefragt, da kam keine hier erwähnenswerte Antwort. Beispiel: „Das sind Holländer“ – ich bin von Asis umgeben!

„Mit solcher Musik stehen DAMPFMASCHINE ziemlich allein auf weiter Flur: Den Punks zu Rock, den Rockern zu verspielt, Studenten-Pop ist es schon gar nicht – so ist das eben, wenn man sei eigenes Ding macht.“ Ich zumindest sehe das so – wie geht es euch, wie geht es anderen? Jeder will doch irgendwo dazugehören.

Wir wollen zu DAMPFMASCHINE gehören, eine Band für alle oder für keinen sein. Aber Danke. Bei uns hat das, glaube ich, weniger mit dem Bandshirt, das ich trage oder der Schublade, in der ich lebe, und der Platte, auf die ich gerade so was von abfahre, zu tun. Ich bin verrückt nach geiler Rockmucke, stehe auf abgefahrenen Krams. Ich kauf mir „Bete zur Maschine“ und feiere die Scheibe ab. Wir haben es immerhin geschafft, eine Platte aufzunehmen, die wir selber gut finden. Nur das zählt.

„Exzellent auch das Artwork“. Wer hat das gezeichnet und warum ist ein Panzer auf dem Cover, und ein Wolf, eine Eule?

Das ist von Mille von SuperStupidBros aus Berlin. Vielen Dank für den optischen Wahnsinn, Mille. Ich bin Fan. Wir wollten was anderes machen, mit der Platte, also im Studio und überhaupt. „Bergsteigen“, „Mein neuer Hit“, „Bete zur Maschine“, das sind Experimente. Was die Optik der Verpackung unseres Schätzchens angeht, da musste Mille ran.

„Passend dazu die Texte: Zivilisationskritik ohne hohle Phrasen, ,Haben haben haben‘ ist die neue Hymne des Anti-Konsumismus, der Titelsong ,Bete zur Maschine‘ nimmt Bezug auf den Dadaisten Kurt Schwitters.“ Richtig erkannt oder falsch verstanden? Und was geht mit Schwitters – Namedropping, um unter Dadaisten neue Fans zu gewinnen?

Schwitters – richtig. Wollte Winckelkopf unbedingt erwähnen, dass er massiv und bewusst geklaut hat. Namedropping eher im Sinne von „Verklagt uns bitte nicht!“, als „Ihr Dadaisten aller Länder, vereinigt euch und kauft alle meine Platte!“. Wobei, wenn ich so drüber nachdenke ... auch schon ein bisschen davon.

„Spätestens jetzt sollte man DAMPFMASCHINE für sich entdecken!“ Sollte man?

Ja, tut das! Und das sollte Frau auch, „harte Musik für Mädchen“ oder so. Entdecken heißt aufs Konzert gehen. Wir bespielen die Republik ab Oktober 2011 wieder und freuen uns auf jeden, der kommt.