MARIO RUBALCABA (OFF!, RFTC, EARTHLESS ...)

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My little Drummerboy – Folge 11

Namedropping heißt das Spiel, das mir als Erstes in den Sinn kommt, wenn ich mir die Veröffentlichungen anschaue, bei denen Mario Rubalcaba seine Hände im Spiel hatte. Der Tausendsassa aus San Diego hat im Laufe seiner über zwanzigjährigen Tätigkeit als Punkrock-Drummer in so großartigen Bands wie 411, CLIKATAT IKATOWI, ROCKET FROM THE CRYPT, HOT SNAKES und rund einem Dutzend anderer Combos gespielt. Aktuell ist Mario der Drummer von OFF! und somit führte kein Weg daran vorbei, den sympathischen Herrn mit dem einzigartigen Drum-Stil vor der Show in Berlin zum Interview zu bitten.

Mario, hast du schon als Baby mit dem Trommeln begonnen und bist deiner Mutter auf die Nerven gegangen?

Ja, ich bin wohl so etwas wie der total stereotype Schlagzeuger. Ich kroch meiner Mutter zu Hause vor den Füßen herum und habe dann auf ihren Töpfen und Pfannen herumgeklopft. Typischer geht es wohl nicht. Mit fünf Jahren habe ich angefangen, mir selbst Trommeln zu bauen, und auf denen habe ich dann gespielt, bis ich mit elf oder zwölf Jahren mein erstes richtiges Schlagzeug bekam. Dann habe ich angefangen, mit Freunden Musik zu machen, und so langsam kamen dann die ersten Versuche mit Bands.

Hattest du in deiner Familie einen musikalischen Background?

Nein, überhaupt nicht, ich habe wohl nur diesen Drang geerbt, auf Dingen herumzuklopfen. Ich kam allerdings schon sehr früh zur Musik, weil meine Onkels große Schallplattensammlungen hatten, und so habe ich schon früh solche Sachen wie LED ZEPPELIN, Jimi Hendrix, THE WHO oder ALICE COOPER gehört. Schon damals fühlte ich mich irgendwie von der Percussion-Seite der Musik angezogen und habe auf meinen Trommeln versucht, es irgendwie hinzubekommen, die Grooves zu kopieren. Meine Vorbilder waren damals zunächst Peter Criss von KISS und Ian Paice von DEEP PURPLE. Später dann auch Bill Ward von BLACK SABBATH oder Keith Moon von THE WHO, der auch großartig ist. Ich mag den Mix aus allen und habe mich gern von ihnen beeinflussen lassen, um dann später meinen eigenen Stil daraus zu entwickeln.

Wie kamst du zu deinem ersten eigenen Schlagzeug?

Oh, das habe ich zu Weihnachten geschenkt bekommen, weil meine Eltern wohl nach den vielen Jahren, in denen ich auf selbstgebautem Zeug trommelte, dachten, es wäre eine gute Idee, mir endlich ein richtiges Schlagzeug zu kaufen. Zum Glück hatte ich nie Ärger mit unseren Nachbarn und habe daher lange lange Zeit zu Hause bei meinen Eltern üben können. Als ich älter wurde und das Üben immer lauter wurde, hatte ich zum Glück schon meine erste Band und wir konnten in unserem eigenen Übungsraum proben.

Hast du dir alle Grooves selbst beigebracht oder hast du auch mal Unterricht genommen?

Nein, ich habe mir alles selbst beigebracht. Ich habe mir einfach die Kopfhörer aufgesetzt und dann sehr viel Musik gehört. Dann habe ich mich hinter das Schlagzeug gesetzt und so lange getüftelt, bis der Rhythmus irgendwann passte. Ich habe damals viel KISS, GRAND FUNK RAILROAD und BLACK SABBATH gehört und sehr lange versucht, mich mit deren Grooves vertraut zu machen. Später bin ich dann mehr zum Heavy Metal gekommen und habe DEEP PURPLE, IRON MAIDEN – noch in der Zeit mit Clive Burr am Schlagzeug – nachgespielt. „Number Of The Beast“ ist eine unglaubliche Platte und für lange Zeit mein Lieblingsalbum. Die Mischung unterschiedlicher Stile war auf dieser Platte einfach großartig.

Wie bist du in die Punk-Szene reingerutscht?

Ich stand damals unheimlich auf die ganzen Speed-Metal-Bands der ersten Stunde. METALLICA, MERCYFUL FATE und SLAYER liefen damals in einer Radioshow. Diese Platten hatte ich mir gekauft und bin damit zu einem Freund gegangen, um ihm zu zeigen, wie schnell und fies diese Bands waren. Er sagte dann zu mir: „Willst du mal etwas wirklich Schnelles hören, dann solltest du diese Scheibe testen.“ Dann legte er die erste BAD BRAINS-LP auf und ich dachte nur noch: „Waoohhh“. Dann spielte er mir noch DISCHARGE vor und es war um mich geschehen. Diese beiden Bands hatten die Lautstärke der Metal Bands, spielten aber mit so viel mehr Energie, es war unglaublich. In dieser Zeit begann ich auch mit dem Skateboardfahren und dieser druckvolle Sound gab mir den notwendigen Kick auf dem Board.

Wann hast du mit deiner ersten Band begonnen?

Als ich 13 war, hatte ich mit ein paar Freunden eine Band mit dem Namen DISMEMBERED YOUTH und wir hatten immerhin ein Demotape aufgenommen. Die Band hat sich dann nach einem halben Jahr in THE COMMITTED umbenannt und bestand noch für ungefähr zwei Jahre. Dann wurde das Skateboarden für mich immer wichtiger und ich spielte nicht mehr in Bands. Ich hatte noch die Zeit, um für mich selbst zu trommeln, aber als Skateboard-Profi hat man nicht wirklich die Zeit, um parallel noch eine Band am Start zu haben. Durch das Skateboarden habe ich allerdings auch viele Leute kennen gelernt und bin so auf meine erste wirklich Band gestoßen, mit der ich aufgenommen habe und auf Tour gegangen bin. Das waren Anfang der Neunziger Jahre 411. Von da an habe ich in vielen verschiedenen Bands und Projekten gespielt.

Wenn man sich deine Diskografie anschaut, fällt auf, dass du in sehr vielen Bands gespielt hast, die alle nicht besonders lange aktiv waren.

Irgendwie stimmt das wohl. Mit 411 haben wir zwei US-Touren gemacht, und nach der zweiten haben wir uns aufgelöst. METROSCHIFTER war nur so ein Seitenprojekt. CLIKATAT IKATOWI waren immerhin dreimal auf Tour, bevor sie sich auflösten. Mit THINGY habe ich zwei Platten aufgenommen, bevor ich sie verließ, weil ich nach Chicago umgezogen war. Mit ROCKET FROM THE CRYPT habe ich dann ziemlich lange zusammengespielt, und meine Band EARTHLESS gibt es immerhin auch schon seit 2001. Letztendlich ist es so, dass ich eine so große Bandbreite unterschiedlicher Stimmungen und musikalischer Geschmäcker in mir habe, dass mir eine einzige Band über 20 Jahre gar nicht gerecht werden könnte. Es macht mir viel mehr Spaß, immer variabel zu sein und immer neue Dinge ausprobieren zu können. Bei EARTHLESS spielen wir ja sehr lange Stoner-Rock-Songs mit vielen Improvisationen, und als ich dann mit Keith Morris und OFF! angefangen habe, spielten wir plötzlich diese 30-Sekunden-Hardcore-Songs. Ein schöner Kontrast, denn ich mag Vielseitigkeit sehr.

Entstand der größte Teil deiner vielen Projekte eher zufällig?

Ja, teilweise schon. Die meisten haben sich allerdings aus Freundschaften entwickelt und basierten während ihrer Existenz auch darauf. THE BLACK HEART PROCESSION beispielsweise entstanden aus THREE MILE PILOT, denn als diese schon nicht mehr aktiv waren, hatten sie noch noch einige weitere Songs geschrieben. Sie riefen mich dann an und meinten: „Hey, wir haben da noch ein paar Songs rumliegen, die noch Drumtracks gebrauchen könnten.“ Also haben wir uns getroffen und die ersten drei Songs klangen auch gleich im Proberaum großartig, und ehe ich mich versah, fand ich mich im Studio wieder, um die neuen Songs einzuspielen, und danach ging es gleich auf Tour. Kaum Zeit, um groß zu überlegen, was jetzt als nächstes passiert. So ist es häufig. Mit THINGY war es ähnlich. Rob Crow war häufig zu Gast auf CLIKATAT IKATOWI-Shows und dann lösten sich seine Band HEAVY VEGETABLE und wir so ziemlich zeitgleich auf. Rob Crow ist ein total wahnsinniger Songwriter, der manchmal bis zu 50 Songs am Tag schreibt, und so rief er mich an, ob ich Zeit für ein neues Projekt hätte. Es dauerte keine zehn Sessions und schon hatten wir das Material für die erste THINGY-Platte

ertig. So ging also alles sehr schnell, obwohl ich in diesem Fall nie geplant hatte, in der Band THINGY zu spielen. Das war also mehr ein Aufnahmeprojekt für das Studio. Meistens sind es also Freunde, die man über Freunde kennen gelernt hat, und wenn dann die Chemie stimmt, wird auch was daraus und manchmal geht es eben auch sehr schnell voran.

Du hast erwähnt, dass du auch Gitarre spielst. Wolltest du einfach mal ein anderes Instrument ausprobieren?

Ja, ich spiele jetzt auch schon sehr lange Gitarre und wir hatten schon zu Zeiten von 411 eine Seitenprojekt mit dem Sänger von FINAL CONFLICT, wo ich bereits Gitarre gespielt habe. Dann waren da noch MANNEKIN PISS und neuerdings eine Band namens SPIDER FEVER, wo ich Gitarre spiele, singe und auch der Songschreiber bin. Das macht mir sehr viel Spaß und insbesondere als Schlagzeuger hat man eine ganz eigene Herangehensweise an das Songwriting. Wenn man sein ganzes Leben lang Schlagzeug gespielt hat, ist Rhythmus so sehr im Bewusstsein verankert, dass man auch beim Stückeschreiben automatisch in Rhythmuspatterns denkt. Für mich macht es total Sinn, neue Rhythmen in meinem Kopf zu erfinden und Stücke daraus zu machen. Alles hat irgendwie mit Rhythmus zu tun. Für meine neue Band schreibe ich die Stücke alleine, nehme die Riffs bei mir zu Hause auf und bringe sie den Jungs dann zur Probe mit. SPIDER FEVER haben gerade ihr erstes Album aufgenommen, das irgendwann demnächst erscheinen wird, und haben erst mal zwei Singles veröffentlicht. Viel Abwechslung also für mich und eine sehr spaßige Sache.

Es gibt ja nicht viele Drummer, die als Songwriter bekannt geworden sind.

Nein! Und dann werden sie auch noch verhöhnt und verspottet, wenn sie versuchen, auf das Songwriting einer Band im herkömmlichen Sinne Einfluss zu nehmen. Da wird dann häufig gelacht und dem Drummer kein Respekt entgegengebracht. Das bezieht sich nicht nur auf die Punk-Szene, sondern auf Musik ganz allgemein. Das ist offensichtlich eine schlimme Sache, denn hier geht es doch immer um zwischenmenschliche Kommunikation und man kann nicht grundsätzlich sagen, als Drummer hast du dich da herauszuhalten. Da sage ich einfach: „Fuck it. Do what you wanna do. Live how you wanna live and think what you wanna think.“ So habe ich das immer gehandhabt und bin bisher immer ganz gut damit gefahren.

Wie bist du auf Keith Morris gestoßen?

Ich habe Keith bei einer ROCKET FROM THE CRYPT-Show kennen gelernt, bei der er unser Gast war und mit uns im Backstage abgehangen hat. Das ist jetzt schon ungefähr zehn Jahre her und er kannte einige meiner alten Bands. Im Laufe der Jahre haben wir uns dann immer mal wieder bei verschiedenen Shows getroffen und auch bei EARTHLESS-Shows war er hin und wieder anwesend. Dimitri habe ich kennen gelernt, als seine Band BURNING BRIDES mit ROCKET FROM THE CRYPT zusammengespielt hat. Ich habe dann später für vier Shows bei BURNING BRIDES ausgeholfen und so lernten wir uns besser kennen. Das war acht Jahre später und es stellte sich dann heraus, dass Dimitri und Keith bereits sehr gute Freunde waren, und das war dann auch schon der Beginn von OFF! Du siehst, die Welt ist klein.

Dein Schlagzeug besteht heute nicht aus übermäßig vielen Trommeln. Hast du schon immer ein so reduziertes Set gespielt?

Ja, so habe ich eigentlich schon immer gespielt. Vier Trommeln genügen. Ein Hängetom, Standtom, Snare und Bass. Dazu ein Ride- und ein Crash-Becken und das ist es auch schon. Bei meinem ersten Schlagzeug hatte ich mal zwei Hängetoms und habe die auch eine Zeit lang benutzt, aber im Grunde mag ich es eher einfach und habe dann ein Tom weggelassen. Es gibt ja Leute, die auf drei Hängetoms und dazu noch zwei Standtoms zaubern, aber ich denke, dass ich die gleichen Effekte auch mit meinen Set erreichen kann. Ich kann mein kleines Kit zumindest fast genauso klingen lassen, wie ein ungleich größeres.

Du hast früher viel Heavy Metal gehört. Hat dich da Doublebass nie interessiert?

Du hast Recht. Ich habe als Kind immer von einem Set mit Doublebass geträumt und als ich mit 15 mein erstes wirklich neues Drumset bekam, wurde mein Traum war. Ein nagelneues Pro-Set mit zwei Hängetoms, zwei Standtoms und zwei Kickdrums! Und dann habe ich das Teil in dieser Form einen Monat lang gespielt und gemerkt, dass das nichts für mich ist. Ich wollte unbedingt Death Metal spielen, also habe ich es probiert. Es war nichts für mich, also habe ich es sein lassen. Außerdem hatte zu dieser Zeit entdeckt, dass mein großes Vorbild, John Bonham von LED ZEPPELIN, Double-Kick-Figuren mit einem Fuß spielte, und das wollte ich auch erreichen.

Bevorzugst du live oder im Studio zu spielen?

Live auf der Bühne zu spielen ist definitiv das Größte. Ich mag es zwar auch, im Studio zu spielen, aber live zu spielen gibt dir doch viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten und ist für mich das einzig Wahre. Das Zusammenspiel mit den anderen, Schwitzen, das kann ein Studio nicht bieten. Wenn du dich im Studio verspielst, ist es egal, dann machst du es halt noch mal. Auf der Bühne muss es in diesem einen Moment passen und da ist der Adrenalinspiegel natürlich viel höher. Im Studio versuchen wir auch immer alle Songs live einzuspielen, so dass hinterher nur noch ein paar wenige Overdubs bei den Gitarren erforderlich sind, aber der Song grundsätzlich wie live gespielt klingt.

Was sind deine Pläne für die nähere Zukunft?

Jetzt hat OFF! erst mal die oberste Priorität und nimmt uns dieses Jahr sehr in Anspruch. Im Oktober steht die nächste US-Tour an und im Dezember gehen wir dann in Australien auf Tour. Das ist es dann für dieses Jahr. 2012 wollen wir neue Songs schreiben, diese hoffentlich im April aufnehmen und irgendwann eine neue Platte herausbringen. EARTHLESS wollen nächstes Jahr auch wieder aktiv werden und eine neue Platte veröffentlichen. Und dann wollen SPIDER FEVER auch wieder mehr Shows spielen, so dass ich mich wirklich nicht über Langeweile beklagen kann.

Gibt es bei den vielen Platten, auf denen du gespielt hast, eine, die dir besonders am Herzen liegt?

Wenn ich mich für eine entscheiden muss, wäre das wohl „Live At Roadburn“ mit EARTHLESS, weil die eigentlich gar nicht als Veröffentlichung geplant war. Wir sollten damals ursprünglich auf der kleinsten Bühne vor ungefähr 300 Leuten spielen und in letzter Minute hat der Veranstalter uns auf die große Bühne geschickt, so dass wir plötzlich vor 3.000 Leuten gespielt haben. Wir hatten also plötzlich 90 Minuten Zeit, haben alles aus uns herausgeholt und so heftige Improvisationen gespielt, wie wir nur konnten. Das war eine großartige Show, und als wir die Aufnahmen von diesem denkwürdigen Tag hörten, beschlossen wir spontan, sie zu veröffentlichen. Ja, diese Platte sticht wirklich heraus.

Gibt es Hardcore/Punk-Platten, die dir besonders durch ihren Schlagzeuger aufgefallen sind?

In der Tat wird ja häufig übersehen, dass auf einigen Punk-Platten wahnsinnig gute Drumparts zu hören sind. Da wären die frühen CRO-MAGS zu nennen oder INSIDEOUT, wo viele coole Drumparts zu entdecken sind. BATALLION OF SAINTS fallen mir noch ein oder sogar NAPALM DEATH, weil da einige wirklich wahnwitzige Wirbel zu hören sind, die einzigartig sind.