SAMIAM

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Die größte kleine Band der Welt ist zurück

Es kommt gelegentlich vor, dass sich Musikredakteure darum prügeln, wer das nächste Interview mit einem bestimmten Künstler führen darf. Meist geht es dabei um Bands, die gerade schwer angesagt sind, für die sich die Überbleibsel des Musikfernsehens und sogar die lokale Tageszeitung vor einem Konzert interessieren. Nicht so beim Ox. Hier entbrennt alle Jahre der Wettstreit um einen Beitrag zu SAMIAM. Ich weiß das genau, denn bislang habe ich jedes Mal verloren. Warum eigentlich? SAMIAM hatten während des allgemeinen Punkrock-Hypes Mitte der Neunziger zwei mäßig erfolgreiche Single-Auskoppelungen, die ab und an im Nachtprogramm von MTV und VIVA gespielt wurden. Vor zehn Jahren löste sich die Band dann mehr oder weniger auf, um trotzdem Jahr für Jahr vereinzelte Konzerte und Europatouren zu spielen. 2006 folgte mit „Whatever’s Got You Down“ nach Jahren ein neues Album. Klang es Anfang 2010 mal wieder so, als stünde die Band vor dem Aus, erschien nun im September 2011 mit „Trips“ etwas überraschend ein neues Album. War der Band aus Berkeley, Kalifornien in bislang mehr als 20 Jahren kommerzieller Erfolg nicht vergönnt, so hat sie es umso deutlicher geschafft, sich in die Herzen zahlreicher treuer Fans zu spielen. Zu diesen gehören nicht wenige Musiker und Musikjournalisten. Wer einmal bei einem der meist ausverkauften Konzerte von SAMIAM war, weiß, dass sich manche jüngere und erfolgreichere Band eine solche Stimmung bei ihren Shows und auch nur annähernd so treue Zuhörer wünscht. SAMIAM sind eben der beste Beweis dafür, wie wenig Verkaufszahlen über Qualität und Bedeutung einer Band aussagen. Und so freut sich eben auch ein gestandener Musikschreiber über die Gelegenheit, mit dem Gitarristen Sergie Loobkoff über SAMIAM reden zu können.

Wie viele Comeback-Alben kann eine Band herausbringen?

Vor den letzten beiden Alben haben wir zwar jeweils fünf Jahre lang nichts aufgenommen, dennoch würde ich diese Alben nicht so bezeichnen. Unter einem Comeback verstehe ich den Versuch, an alte kommerzielle Erfolge anzuknüpfen. Das ist bei uns nicht der Fall, wir hatten schließlich nie kommerziellen Erfolg. Wir haben einfach eine Zeit lang nichts aufgenommen, das ist alles. Dank der Möglichkeiten, die das Internet heute bietet, glaube ich auch, dass „Trips“ mehr online gestohlen werden wird, als dass es jemand kauft. Daher mache ich mir über Verkaufszahlen auch keine Gedanken. Ich möchte, dass das Label genug einnimmt, um auch ein weiteres Album von uns zu finanzieren, sollten wir eines aufnehmen wollen. Darüber hinaus haben wir bislang mit keinem Album richtig Geld verdient, egal, auf welchem Label wir unter Vertrag standen. Ich fände es natürlich schade, wenn wir mit dem Album nicht einmal zwei neue Fans gewinnen könnten, letztendlich mache ich mir aber auch darüber keine Gedanken. Weder beim Vorgänger noch bei dieser Platte haben wir uns vorgenommen, damit endlich richtig durchzustarten und irgendwelche Gipfel zu erklimmen. Wir sind schon lange jenseits von solchen Hirngespinsten.

Ich habe das Wort Comeback benutzt, weil ich den Eindruck habe, dass es in fast jeder Ankündigung des neuen Albums irgendwo vorkommt.

Das ist in Deutschland insgesamt eine besondere Situation. Seit 2000 waren wir da etwa zehnmal auf Tour. Jedes Mal kommen Leute nach Shows auf uns zu und sagen, es sei irgendwie blöd, dass wir wieder eine Comeback-Tour gemacht hätten, nachdem bei der Tour davor auf Flyern und in Berichten angekündigt gewesen sei, es wäre unsere letzte Tour. Dabei haben wir nie einem Veranstalter gesagt, eine der Touren würde unsere letzte sein. Das machen wohl einige Veranstalter von sich aus, um mehr Leute zu den Konzerten zu ziehen. So ist dann schnell die Rede von einem Comeback, auch wenn wir selbst nichts dazu beigetragen und in den letzten Jahren regelmäßig in Deutschland gespielt haben.

Vielleicht haben auch die Tourabsagen Anfang 2010 dazu beigetragen, nach denen der Eindruck entstanden war, das wäre das endgültige Aus für SAMIAM. Ein Eindruck, der durch die Raritätensammlung „Orphan Works“ verstärkt worden ist. Wann und wie kam es zum Entschluss, ein neues Album aufzunehmen, euer mittlerweile achtes?

Es ist interessant, dass derjenige, der für diese Tourabsagen vor anderthalb Jahren verantwortlich war, auch derjenige war, der unbedingt ein neues Album aufnehmen wollte und das vorangetrieben hat. Es war bei SAMIAM schon immer so, dass das Interesse der Bandmitglieder an der Band immer geschwankt hat. Zu Beginn des Jahres ist einer total motiviert und will wieder viel machen, um dann acht Monate später zu sagen, er könne die anstehende Tour nicht spielen und habe gerade weder Interesse noch Zeit. Tatsache ist, dass wir keine überaus angesagte Band sind und, wie schon gesagt, nie viel Geld mit SAMIAM verdient haben. Es ist nicht einfach, das Interesse aller an der Band dauerhaft aufrechtzuerhalten. Ich persönlich freue mich, meine Tasche zu packen und Shows in Berlin oder Köln zu spielen. Ich bin wirklich glücklich, dass ich so etwas machen und irgendwohin reisen kann, um vor ein paar Leuten zu spielen, die unsere Songs kennen.

Also hat es dich gefreut, ein neues Album aufzunehmen?

Ich habe mich auf die damit einhergehenden Konzerte gefreut. Was ein neues Album selbst angeht, war ich dieses Mal vor dem Hintergrund der letzten Aufnahmen vor sechs Jahren etwas zurückhaltend. Seinerzeit hatten wir die Arbeit an „Whatever’s Got You Down“ mit den besten Absichten begonnen, um am Ende ein Album aufzunehmen, das einige in der Band gut finden, andere dagegen gar nicht. Damals gab es viele Bands, die sehr sauberen, glatt produzierten Pop gespielt haben und dabei ähnlich wie SAMIAM klangen. Das sind Bands, mit denen wir nichts zu tun haben und die wir alle nicht besonders mögen und daher auch nicht mit ihnen in Verbindung gebracht werden wollten. Wenn man sich aber ihre Sachen und dann unsere anhört, klingt das doch insgesamt sehr ähnlich. Also wollten wir das Album mit einem etwas rauheren Punk-Sound aufnehmen. Leider ist es aber aus meiner Sicht an der Stelle aus dem Ruder gelaufen, vielleicht auch, weil wir mit jemandem zusammengearbeitet haben, der nicht wusste, was er da machen soll oder sich auch nicht weiter darum gekümmert hat. Letztendlich gab es darüber innerhalb der Band einige Auseinandersetzungen während der Aufnahmen und nach der Veröffentlichung, wann immer ich den Sound irgendwo kritisiert habe. Insgesamt war das keine angenehme Zeit. Daher rührte dieses Mal meine Zurückhaltung. Es war aber nicht so, dass ich es nicht machen wollte. Ich bin die Sache offen angegangen, und jetzt im Nachhinein finde ich, dass „Trips“ sehr gut klingt. Natürlich hatten wir auch dieses Mal einige Diskussionen darüber, wie wir gewisse Sachen machen sollen. Aber im Gegensatz zu den letzten Aufnahmen gab es dieses Mal wirklich keinen einzigen Streit und somit eine wesentlich angenehmere Situation. Nachdem ich vorher einige Befürchtungen hatte, bin ich jetzt froh, dass wir das Album aufgenommen haben.

Auch wenn jetzt kein Name gefallen ist, geht es wohl um Sean Kennerly, der nach dem Ausstieg eures ehemaligen Gitarristen James Brogan beim letzten Album vom Bass zur Gitarre gewechselt ist und sich erstmals am Songwriting beteiligt hat, und der für den Sound verantwortlich war. Rührt die Rückkehr zu dem für SAMIAM typischen Klang daher, dass dieses Mal die Songs hauptsächlich von dir sind?

Nein, tatsächlich habe ich mich bei diesem Album eher hinten angestellt. Ich habe zwar einige Lieder geschrieben, aber es lief bei uns schon immer so, dass wir alle unsere Songideen unserem Sänger Jason Beebout schicken und er alleine entscheidet, welche Songs ihm gefallen und was wir aufnehmen werden. Auch wenn das jetzt den Eindruck erwecken könnte, ich wäre etwas verbittert, möchte ich sagen, dass das definitiv nicht der Fall ist. Zwar war ein Großteil der Songs, aus denen „Trips“ entstanden ist, von mir, aber am Ende haben wir nur fünf davon auch tatsächlich aufgenommen, während wir von Seans Ideen bis auf eine alles übernommen haben. Vermutlich haben Jason meine Sachen nicht so gefallen, oder er fühlte sich mit Seans Liedern einfach wohler. Während Sean und ich oder auch Jason und ich manchmal unterschiedlicher Ansicht sind, wenn es um die Band geht, sind sich Jason und Sean in fast allen Belangen einig. Ich glaube, dass sich SAMIAM im Laufe der Jahre immer mehr zu Jasons und Seans Band entwickelt hat. Bis Ende der Neunziger waren hauptsächlich James Brogan und ich für die Band verantwortlich, aber mit der Zeit wurden Jasons und Seans Vorstellungen immer prägender. Darüber bin ich, wie gesagt, nicht verbittert, sondern stelle das einfach fest. Schließlich ist „Trips“ aus meiner Sicht ein wirklich gutes Album geworden. Also hat alles seine Richtigkeit.

Haben dich diese Verschiebungen innerhalb der Band überhaupt nicht berührt?

Wenn ich jetzt im Nachhinein darüber rede, sehe ich das alles ganz locker und bin zumindest mit dem jüngsten Werk sehr zufrieden. Aber natürlich hat mich das in den letzten Jahren schon irgendwo beschäftigt. Möglicherweise, und ich sage bewusst möglicherweise, bin ich in dieser Hinsicht etwas erwachsener geworden. Ich weiß nicht, ob mein Ego vor zehn Jahren damit genauso lässig hätte umgehen können. Aber ich möchte meine Ideen nicht den anderen aufzwingen. Es ist vollkommen in Ordnung, dass Jason die Ideen eines anderen Songwriters besser gefallen. Außerdem glaube ich auch nicht, dass ich ein besonders großartiger Songwriter bin. Ich mache meine Sachen, die oft ähnlichen Mustern folgen. Hätte ich versucht, mehr von meinen Ideen bei „Trips“ durchzusetzen, hätte einiges auf dem Album gleich geklungen. Sean dagegen schreibt Songs, die nicht ganz so typisch für SAMIAM klingen. Das dürfte den Reiz seiner Songs für Jason ausmachen. Schließlich versuchen wir alle einfach nur, ein gutes Album aufzunehmen. Sean hat sicher keinen Plan, SAMIAM zu übernehmen, ebenso wenig wie sich Jason sagen würde: „Scheiß auf Sergie, ich will nur noch Seans Songs singen.“ So wie ich es sehe, würden die beiden gerne häufiger etwas anderes machen, um die Band damit musikalisch voranzubringen. Ich dagegen möchte, dass wir möglichst gute Songs schreiben, die sich nach SAMIAM anhören und nicht jedes Mal anders klingen müssen. Aber das ist in erster Linie meine Meinung, die nicht jeder unbedingt teilt. Manche Leute finden es gut, wenn jedes Album typisch für SAMIAM klingt, während andere Seans und Jasons Ansicht teilen, dass so irgendwann alles gleich klingt.

Wenn die Rückkehr zu einem für SAMIAM typischen Sound auf „Trips“ nicht daran lag, wer die Songs geschrieben hat, war dann der Produzent Chris Dugan, der vorher unter anderem mit GREEN DAY zusammengearbeitet hat, dafür verantwortlich?

Nach dem letzten Album haben wir uns dieses Mal lange darüber unterhalten, wie das neue Material am Ende klingen soll. Und auch wenn wir bei der Bewertung des Vorgängers unterschiedlicher Meinung sind, wollten wir für „Trips“ alle wieder einen saubereren Klang und haben uns eher an „Astray“ orientiert. Chris Dugan war weniger dafür verantwortlich, als dass er unsere Ideen verstanden und uns geholfen hat, sie gut umzusetzen. Es gibt einige Bands, die einen Soundtüftler in ihren Reihen haben, bei denen jede Demoaufnahme perfekt klingt und die dann im Studio diesen perfekten Sound zusätzlich verbessern. Bei uns ist das nicht der Fall, niemand von uns versteht sich so gut darauf. Wenn wir Produzenten wären, wäre keiner von uns besonders erfolgreich. Wir gehen einfach ins Studio und versuchen, die Sachen möglichst gut aufzunehmen, und hoffen, dass sie am Ende auch klanglich optimal ausfallen. Interessanterweise war es schon immer so, dass wir direkt nach den Aufnahmen mit den Sachen nicht wirklich zufrieden waren, sie sich aber – bis auf das letzte Album – im Nachhinein als gelungen erwiesen haben.

In den letzten zehn Jahren haben SAMIAM regelmäßig in Europa gespielt, auch wenn es zwischendrin lange kein neues Material gab. Da ist die anstehende Tour mit neuem Album im Gepäck eher ungewöhnlich für euch. Oder macht das keinen Unterschied?

Was mich angeht, macht es keinen Unterschied. Ich würde auch vom neuen Album höchstens vier Lieder auf der Tour im Oktober spielen und mich auf älteres Material konzentrieren. Darunter vielleicht auch den einen oder anderen Song, den wir in den letzten Jahren nicht mehr live gespielt haben. Aber das ist ein weiteres Thema, bei dem Sean und Jason anderer Meinung sind, die sich auf das neue Album konzentrieren und mehr als die Hälfte der Songs im Programm haben möchten. Sie finden es langweilig, immer wieder die alten Nummern zu spielen. Beim letzten Album war es ähnlich. Ich erinnere mich aber noch an die Reaktionen des Publikums, wenn wir ein neues Lied gespielt haben. Viele kannten es noch nicht und standen etwas gelangweilt in der Gegend rum, nur um total durchzudrehen, sobald wir zwei Minuten später ein altes Stück angestimmt haben. Ich kann gut nachvollziehen, dass einige Leute unzufrieden sind, wenn sie 15 Euro Eintritt bezahlt haben und die Band nur Material spielt, das noch weitgehend unbekannt ist. Vielleicht gehört daher auch etwas Mut dazu, überwiegend neues Material zu spielen und sich nicht um die Meinung der Leute zu kümmern. Wenn es aber darum geht, bin ich ein totaler Angsthase und möchte nur das machen, was sich schon bewährt hat. Zudem gehöre ich selbst zu den Konzertbesuchern, die Songs hören möchten, die sie kennen, und die es nicht ausstehen können, wenn eine Band das komplette neue Werk spielt. Und auch mit SAMIAM möchte ich jeden Abend einfach Spaß haben. Wenn die Stimmung bei einer Show gut ist und die Leute zufrieden sind, ist das für mich wie eine Party mit Freunden. Deshalb mache ich das alles. Wenn die Leute dagegen unzufrieden sind, weil wir ihrer Meinung nach zu viele neue Stücke spielen, frage ich mich selbst, was ich da verloren habe.

Diese „Party mit Freunden“ dauert mittlerweile mehr als 20 Jahre, auch wenn es in den letzten zehn Jahren zwischendurch so aussah, als wäre die Feier vorbei. Wie siehst du SAMIAM nach all dieser Zeit?

SAMIAM haben in gewisser Hinsicht ihre musikalische Relevanz verloren. Wir bewegen uns schon lange außerhalb dessen, worüber die meisten Musikmagazine schreiben, was Radiosender spielen und wofür sich junge Leute heute interessieren. Aus meiner Sicht haben wir einfach jahrelang ordentliche Alben veröffentlicht, so dass sich die Leute gedacht haben, „die sind gut, aber irgendwie langweilen sie mich“. Mit dem letzten Album ist es uns vor fünf Jahren aus meiner Sicht gelungen, zufällig das Niveau etwas herabzusenken. Ich hoffe, dass „Trips“ als eine Rückkehr zu alten Zeiten aufgenommen wird und sich manche Leute freuen, dass wir wieder so klingen wie vorher, nachdem wir ihnen in den letzten fünf Jahren vielleicht nicht so gefallen haben. Darüber hinaus hat niemand in dieser Band irgendwelche Karriereerwartungen. Keiner von uns hofft, in Zukunft viel mehr Alben zu verkaufen und auf einmal ordentlich Geld zu verdienen. Wir erwarten auch nicht, dass zu diesem Zeitpunkt auf einmal mehr Leute zu unseren Konzerten kommen. Es werden vermutlich genauso viele wie beim letzten Mal und bei der Tour davor sein. Wir freuen uns einfach, dass wir auf Tour gehen können und dass die gleiche Anzahl von Leuten wie letztes Jahr bei den Shows sein wird. Was ich damit ausdrücken möchte, ist, dass ich, dass wir alle die Band nicht als Karrieremöglichkeit sehen und an Erfolgen messen. Das haben wir früher nicht gemacht, daran wird sich nichts ändern. SAMIAM ist keine besonders große Band, aber das ist vollkommen in Ordnung so. Ich rede mit niemandem in meinem Privatleben über SAMIAM. In meinem Arbeitsumfeld und selbst in meinem Freundeskreis weiß niemand, der nicht Punkrock hört, dass ich überhaupt in einer Band spiele. Ich bin einfach ein ganz normaler Typ, der froh ist über die Möglichkeit, auf Tour zu gehen und vor ein paar Leuten zu spielen, die unsere Musik mögen.

Wenn es weder extern noch in der Band besondere Erwartungen gibt, geht man dann das neue Album ohne jeglichen Druck an?

Wenn es bei den Aufnahmen zu „Trips“ irgendwo Druck gab, dann angesichts der bandinternen Auseinandersetzungen während der Aufnahmen zum Vorgänger. Ich wollte nicht, dass sich das wiederholt. Darüber hinaus aber haben wir noch nie Druck verspürt. Wir hatten zwar in den Neunzigern ein paar Songs, die im Radio gespielt wurden, aber keinen Hit. Es erwartet niemand von uns, dass wir auf einmal einen Hit aufnehmen. Das finde ich gut, denn um ein so erfolgreiches Lied zu schreiben, muss man viele simple bis banale Komponenten aneinanderreihen, eingängige Teile immer wiederholen und sich, genau betrachtet, beim Schreiben des Songs sehr einengen. An so etwas müssen wir uns nicht halten. Aber genau das ist etwas, das Leuten auch gefällt. Unsere Musik klang schon immer sehr poppig, aber nie so, als würden wir versuchen, uns damit bei möglichst vielen Menschen anzubiedern. Wenn man sich musikalisch einer breiten Menge anbiedern will, ist es ähnlich wie mit Süßigkeiten. Viele kaufen und konsumieren sie, aber die wenigsten konsumieren sie dauerhaft. Wir sind bei weitem nicht die beste Band der Welt, aber ich glaube, dass wir gute Songs haben, die die Leute öfter und über lange Zeit hören, ohne dass ihnen davon schlecht wird.

Ein leidiges Thema, das euch seit 15 Jahren begleitet, ist euer Verhältnis zu Atlantic Records. Nachdem dort 1994 „Clumsy“ veröffentlich wurde, wollte das Label zwei Jahre später den Nachfolger „You Are Freaking Me Out“ nicht haben, euch aber auch nicht die Freigabe erteilen. Erst nach einem Jahr konntet ihr durchsetzen, dass ihr das fertige Album auf einem anderen Label veröffentlicht. Inzwischen sind beide Alben in den USA vergriffen und werden nicht mehr nachgepresst. Letztes Jahr habt ihr den Versuch unternommen, beide Platten über No Idea Records neu aufzulegen. Gibt es mittlerweile Fortschritte?

Ja und nein. Var von No Idea und ich haben viel Zeit damit verbracht, uns gegenseitig und den Plattenfirmen zu schreiben. Leider gibt es immer wieder jemanden, der nein sagt. Wir hatten zwischenzeitlich ein Okay von Atlantic, dann meinte aber jemand bei Warner Bros., denen Atlantic gehört, das ginge so nicht und drohte uns mit einer Klage. Inzwischen sind wir soweit, dass uns mitgeteilt wurde, wir könnten die Alben anderweitig veröffentlichen. Gleichzeitig will aber bei keinem Unternehmen jemand etwas unterschreiben, das uns die Rechte an beiden Alben überträgt, womit ausgeschlossen wäre, dass man uns rechtlich belangt. Als wir das in Angriff genommen haben, habe ich nicht gedacht, dass es sich so lange hinziehen würde. Ich hatte etwas naiv erwartet, es würde einfacher gehen. Es ist schon frustrierend. Da sind diese millionenschweren Unternehmen, sie besitzen Rechte an Alben, die sie nicht interessieren, die sie nicht wollen und von denen die meisten Zuständigen überhaupt nicht wissen, dass sie in ihrem Besitz sind. Trotzdem ist niemand bereit, etwas zu unterschreiben, dass uns die Rechte überträgt, aus Angst, es könnte einem Vorgesetzten nicht passen. Sobald man sie danach fragt, wollen sie wissen, was wir ihnen dafür geben. Wenigstens sind beide Alben endlich über iTunes erhältlich. Bis vor kurzem konnte man sie nur illegal über das Internet finden. Ich war sogar froh darüber, dass sie wenigstens so zu haben waren, das hat die Platten in gewisser Weise am Leben gehalten. So oder so verdienen wir damit nichts. Es gibt aber auch viele Leute, die sich nichts illegal herunterladen, und die jetzt endlich die Möglichkeit haben, die Alben legal zu bekommen. Mir geht es darum, dass Leute, die Interesse an den Alben haben, sie auch irgendwie erhalten können. Auch eine Veröffentlichung auf Vinyl wäre cool, wenn es klappt.

Es gibt sicher verlässlichere Prognosen als diese, aber wie sieht die Zukunft von SAMIAM aus?

Zunächst stehen die Touren in den USA, Europa, Japan und Australien an. Wenn uns das alles gefällt, kann es gut sein, dass wir ein neues Album aufnehmen. Allerdings wird es von Tour zu Tour mit zunehmendem Alter immer schwieriger, die ganze Band aufs Neue zu motivieren. Es kann gut sein, dass wir das irgendwann so lange hinauszögern, bis wir entweder gar nichts mehr machen oder sich niemand mehr dafür interessiert, ob wir noch etwas Neues machen, weil wir nur noch irgendwelche alten Säcke auf der Bühne wären. Ich glaube, wir sind noch nicht soweit und haben noch etwas in uns, aber Genaueres wird die Zukunft zeigen.