REJECTED YOUTH

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Welcome to the Concrete Jungle

Zwischen Matze von REJECTED YOUTH und Matze von Concrete Jungle Records kann man nicht trennen, und so befragte ich ihn sowohl zum neuen Album „Fuck The Consent“ wie zur Labelarbeit generell. Hat sich das Nürnberger Label doch in den letzten zwei, drei Jahren mit Releases wie GENERATORS, ADOLESCENTS oder TURBO AC’S doch zu einem der interessantesten und aktiven in Deutschland entwickelt.

Matze, du hast so um 2008/2009 Concrete Jungle Records gegründet. Damals war die Stimmung in der „Branche“ und in der ganzen Wirtschaft extrem mies. Da kamst du auf die Idee, ein Label zu gründen. War das gezieltes antizyklisches Handeln?

Concrete Jungle Records war ursprünglich ein Plattenladen und Mailorder, den ich 2005 mitgegründet habe. Allerdings war das Logo auch damals schon immer auf allen Releases abgebildet, die wir auf dem Label MSM1279 Records veröffentlicht haben. Irgendwann habe ich beides dann der Einfachheit halber nur noch unter dem Namen Concrete Jungle geführt und mich später immer mehr auf die Label-Arbeit konzentriert. Ende 2009 kam dann noch die Idee, ein weiteres Label mit dem Namen Aggressive Punk Produktionen zu gründen, was sich rein mit dem deutschsprachigen Punk – sprich dem klassischen Deutschpunk – beschäftigen sollte. Dass es seit Jahren nicht die beste Zeit ist, um Platten zu veröffentlichen, geschweige denn neue Labels zu gründen, ist ja mittlerweile jedem bekannt. Auch mir. Aber wenn du eine Idee hast, von der du überzeugt bist, musst du ja irgendwann mal anfangen. Wenn gerade einige gehen, ist es oft auch eine gute Zeit für diejenigen, die neu starten wollen.

Und würdest du das heute noch einmal machen?

Nun, ich denke schon. Ich bereue es auf jeden Fall nicht. Aber ich denke da nicht wirklich drüber nach. Es ergibt sich eh immer irgendwie alles von selbst.

Nach außen hin macht es den Eindruck, als sei Concrete Jungle ein erfolgreiches Label – und innerhalb kürzester Zeit hat es sich schon zu einem der hierzulande größten entwickelt. Viel Arbeit, oder?

Unglaublich viel Arbeit. Ich glaube aber, das können wirklich nur Leute nachempfinden, die auch selber Label-Arbeit betreiben. Du hast fast täglich mit Deadlines zu kämpfen, musst Tonnen an E-Mails beantworten, Abrechnungen bewältigen, Presse- und Promotion-Betreuung am laufen halten und dabei auch immer die Übersicht über das Ganze behalten, ohne aber Details zu vergessen. Was einem im Übrigen manchmal sehr teuer zu stehen kommen kann, wenn z.B. bei der Pressung etwas schief geht, weil du genau so eine Kleinigkeit übersehen hast. Und das schmerzt dann so richtig, denn der finanzielle Puffer ist immer klein. Aber auch wenn sich das jetzt nach etwas viel Gejammer anhört und es Tage gibt, wo ich gerne den Stecker ziehen möchte, bereitet mir genau diese Arbeit wahnsinnig viel Freude. Es gibt dann immer wieder diese Momente, wo du weißt, wieso du dir den ganzen Stress antust.

Hatte die Welt eigentlich auf Concrete Jungle gewartet – oder wie hast es du es geschafft, Bands wie etwa GENERATORS oder TURBO AC’S davon zu überzeugen, dass dein Label das Richtige für sie ist?

Mit Sicherheit nicht. Aber die Leute sehen wohl, dass hier vernünftige Arbeit geleistet wird – auch schon damals, als noch hauptsächlich unbekannte Bands veröffentlicht wurden –, und das spricht sich herum. Der erste Kontakt kommt dann auch oft über Empfehlung von jemandem, mit dem man schon mal zusammen gearbeitet hat. GENERATORS war allerdings ein Ausnahmefall, bei dem ich eingesprungen bin, weil People Like You Records gerade nichts veröffentlichen konnten, die Europa-Tour aber schon feststand. Ansonsten scheinen wir die Bands nach dem ersten Kontakt von unserem Konzept zu überzeugen. Was mich natürlich sehr freut, vor allem weil hier keine Luftschlösser verkauft werden.

Gibt es für dich so etwas wie eine „Label-Politik“, was sind deine Prinzipien?

Nein, eigentlich nicht, zumindest auf Genres bezogen. Aber es gibt natürlich ein paar No Gos: Rassistische, faschistische, homophobe, und sonstige Scheiße würde ich nicht machen. Ansonsten muss es mich selber mitreißen. Es muss nicht unbedingt meine absolute Lieblingsscheibe werden, aber ohne das gewisse Etwas fehlt mir auch die notwendige Motivation, ein Album so zu promoten, wie es nötig ist, um in der heutigen Zeit überhaupt was zu verkaufen. Außerdem sollten die Bands auf unserem Label möglichst selber viel aktiv sein. Soll heißen: touren, touren, touren.

Wie hart ist es, in Zeiten ein Label zu betreiben, da man allenthalben zu hören bekommt, niemand wolle mehr für Musik bezahlen, im Netz gebe es ja alles umsonst? Was sind die „Tricks“, um dennoch zu überleben?

Wie schon anfangs erwähnt, ist das hier kein einfaches Ding. Aber es zwingt mich ja auch keiner dazu, es zu machen. Es ist sicherlich richtig, dass die aktuellen Verkaufszahlen ein Witz gegenüber denen der Achtziger- und Neunziger-Jahre sind und viele Menschen Musik nicht mehr als etwas Besonderes ansehen. Das Konsumverhalten der Massen hat sich aber nicht nur im Musikbereich verändert, von daher bringt es nichts, sich ständig darüber aufzuregen. Ich nehme die Situation so an, wie sie ist und versuche, darauf zu reagieren. Und mal ganz ehrlich: Bei dem immer schnelleren Informationsaustausch und der Überdosis an Unterhaltungsangeboten ist es doch auch nicht verwunderlich, dass es sich so entwickelt hat. Mich persönlich lässt das auch nicht unberührt. Ich kaufe mir auch nicht so oft neue Platten, weil es einfach zu viele schlechte Neuveröffentlichungen gibt und es immer mühsamer wird, sich die Perlen herauszupicken. Wenn es denn einen Trick gibt, um trotzdem in der Flut von Neuerscheinungen zu überleben, dann denn, dass du in jede Produktion 100 % stecken musst. Ich glaube, viele da draußen merken durchaus, ob ein Label in seine Platten viel „Liebe“ hineinsteckt oder nur seelenlose Massenprodukte herstellt, um mal einen schnellen Euro mitzunehmen. Aktuell bestes Beispiel ist die SMOKE BLOW „Legacy“ Box, die wir über unseren Shop exklusiv vertreiben. Diese Holzbox kostet in der Produktion schon paar Euros, aber dafür ist das auch ein Monster-Package mit ganz viel Charme. Und das honorieren die Leute. Das Ding verkauft sich sehr gut.

Eben ist der zweite Label-Sampler erschienen, so etwas wie eine Bestandsaufnahme. Was waren für dich die bisherigen Highlights, und was steht 2012 an?

Für mich persönlich gab es viele Highlights, aber am meisten Spaß gemacht haben mir die Scheiben von ADOLESCENTS, TURBO A.C.’S und KOTZREIZ. Schwer zu sagen wieso, aber es hat einfach Bock gemacht, diese Alben mitzugestalten. Für 2012 sind viele Sachen geplant, die aber leider noch nicht 100 % fix sind. Und wenn ich etwas in den letzten Jahren gelernt habe, dann niemals zu früh die Katze aus dem Sack zu lassen. Das geht nur allzu oft nach hinten los. Das Einzige, was ich jetzt schon mal „verraten“ kann, ist, dass KOTZREIZ dabei sind, ein neues Album aufzunehmen, welches dann hoffentlich im Frühjahr 2012 bei AGP erscheint.

Ein Highlight in eigener Sache ist sicher das neue REJECTED YOUTH-Album. Allerdings hast du vor Jahren schon eure Platten auf MSM1279 selbst veröffentlicht. Wie ist das „Verhältnis“ von Label und Band, wie gehst du mit der Doppelrolle Label-Boss und Band-Mitglied um?

Ich habe das Label ja unter anderem auch deshalb gestartet, weil ich meine eigene Musik selber vertreiben wollte. Keine Frage, dass du immer noch ein bisschen mehr an Arbeit reinsteckst, als wenn es irgendjemand anderes produzieren würde. Für mich stellt sich die Frage aber eher selten, also ob ich jetzt gerade als Label-Boss fungiere oder als Band-Mitglied. Ich habe natürlich immer Interesse daran, die eigene Band zu supporten, aber stelle sie jetzt auch nicht vor alles andere. Ich denke schon, dass ich REJECTED YOUTH ganz gut einschätzen kann, also wo wir stehen und wie weit wir vielleicht kommen können. Im Großen und Ganzen bin ich als Label-Inhaber doch eher Realist und mache mir da nichts vor. Das größere Problem, das ich habe, ist eher die mangelnde Zeit. Sowohl Label als auch Band fordern sehr viel Aufmerksamkeit und da komme ich doch manchmal in Bedrängnis und muss mich entscheiden, was gerade wichtiger oder, sagen wir mal, dringender ist.

„Fuck The Consent“ heißt das neue Album. Was ist damit gemeint? Gesellschaftlicher Konsens als Feindbild?

Das kannst du natürlich auch allgemein sehen. Bei uns ist es aber schon eher spezifisch auf die Bereiche bezogen, in denen wir uns als Band bewegen. Mich nervt das immer wieder aufkommende Argument, wir müssten doch alle an einem Strang ziehen, Unity und so. Da ist zwar grundsätzlich auch nichts daran auszusetzen, aber es reicht doch nicht, wenn wir uns oft nur in einem Punkt einig sind. Was interessiert es mich, wenn beispielsweise Grauzonen-Band XY ständig damit um die Ecke kommt, dass sie doch das Good Night White Pride-Label auf ihren Tourpostern hat, wenn wir uns in sämtlichen anderen Punkten uneinig sind? Der kleinste gemeinsame Nenner kann nicht alles sein und schon gar nicht das Ziel. Das gilt aber nicht nur für Grauzonen-Bands. Es gibt auch genug Punk-Bands oder selbsternannte antifaschistische Bands, für die das gleiche zutrifft. Beispielsweise funktioniert ein Gegen Nazis-Symbol direkt neben einem zerschlagenen Davidstern für mich auch nicht. Was soll es da für einen Kompromiss geben?! Ich versuche zwar trotzdem, irgendwie „offen“ mit solchen Bands umzugehen, denn ich will ja auch eine Veränderung, und da bringt es – zumindest in meinen Augen – nichts, sich komplett abzuschotten und sich nur noch unter Gleichgesinnten zu bewegen. Aber ich möchte eben mit dem Titel und dem Opener „Turnaround“ jedem ganz klar machen, dass wir nicht automatisch auf einer Seite stehen, nur weil es bei einem Punkt Überschneidungen gibt.

„Power to the people“ fordert ihr – ermutigt von der „Arabellion“?

Also wenn du auf den gleichnamigen Song vom neuen Album anspielst, muss ich dich leider enttäuschen. Der Song ist in keiner Weise eine Forderung oder eine Parole, das überlasse ich lieber anderen. Dieser Song ist kein Ausrufezeichen, sondern durch und durch ein Fragezeichen. Der Titel ist natürlich absichtlich so plakativ gewählt und soll genau das suggerieren, was auch du angenommen hast. Aber genau deshalb hoffe ich, dass der Text die Leser und Hörer zum Nachdenken anregt. Denn ich finde, das Thema ist durchaus wichtig und es lohnt sich, sich darüber mal Gedanken zu machen. Es sind eigentlich zwei Hauptfragen, die ich mir gestellt habe. Zum einen, was passiert, wenn das Volk die Macht fordert und am Ende auch einen Sturz wie beispielsweise in Nordafrika schafft. Keine Frage, dass – soweit ich das von hier beurteilen kann – diese Machthaber, oder wegen mir auch Diktatoren untragbar waren. Aber glaubst du wirklich, dass jetzt echte Demokratie herrschen wird?! Oder ist es nicht doch so, dass sich das Machtverhältnis von einigen wenigen zu einem anderen kleinen Kreis verschiebt und diese wiederum die neu gewonnene Macht für ihre Zwecke ausnützen? Daher auch der abgewandelte Black-Panther-Slogan „Power To The People ... Now And Then“ (im Original „Then And Now“). Aber bitte nicht falsch verstehen: Die Forderung nach Veränderung ist sehr wichtig und richtig, nur sollte diese auch wirklich etwas zum Positiven bewirken können. Die zweite Frage beruht auf einem Zitat vom allseits bekannten Ernesto Guevara, der da meinte „Qué importa la vida de un hombre cuando el futuro de la humanidad está en peligro!“, was frei übersetzt so viel heißt wie „Was bedeutet schon ein Leben, wenn die Zukunft der gesamten Menschlichkeit (wohl in Bezug auf seine Wertvorstellung von Humanismus) in Gefahr ist“.

Street-Punk/Oi! in eurem klassischen Stil ist in den letzten Jahren etwas ins Hintertreffen geraten. Stattdessen schießen sogenannte „Deutschrock“-Bands wie Giftpilze aus dem Boden. Ist eure Platte auch als Statement in dieser Hinsicht zu sehen?

Also ich muss dir ganz ehrlich sagen, mit 90% von dem, was heutzutage als Oi! verkauft wird, haben wir gar nichts, aber auch wirklich null-Komma-nichts zu tun. Und auch das Street-Punk-Etikett funktioniert im Vergleich für mich nur noch sehr bedingt. Aber ich verstehe schon, worauf du hinaus willst, und ja, das siehst du vollkommen richtig. Wie vorhin schon erwähnt, wollen wir zum einen noch mal unseren Standpunkt klar machen – ohne uns in Zukunft über jede neue Grauzonen-Platte auslassen zu müssen – und zum anderen auch den Kids zeigen, dass es noch was anderes gibt als FREI.WILD & Co.

Überhaupt: „Deutschrock“. Es gibt sicher gute Gründe, warum es solche Bands nicht auf deinem Label gibt.

Absolut. Und weißt du, selbst wenn diese ganze Scheiße nicht wäre und ich keinerlei Probleme mit den Leuten an sich hätte, würde ich das wohl trotzdem nicht produzieren. Ich habe mir natürlich auch schon mal einige FREI.WILD-Songs auf Youtube und so angehört, vor allem nach dem Einstieg der letzten Platte „Gegengift“ auf Platz zwei der deutschen Album-Charts – und ich kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Wie kann so etwas schlecht Produziertes in die deutschen Album-Charts kommen? Textlich furchtbar, ein Sänger, der nicht singen kann, und musikalisch kann das jede drittklassige Dorfkapelle besser. Und genau das finde ich wirklich beunruhigend: die große Anhängerschaft solcher Musik, Texte und Bands.

Wie haltet ihr es als Band mit solchen Bands? Mittlerweile spielt solcher Dreck ja auf jedem zweiten Festival, da wird es zunehmend schwer zu vermeiden, mit solchen am gleichen Tag auf einer Bühne zu stehen.

Ich gehe grundsätzlich mit der Einstellung an so etwas ran, dass WIR dort spielen um UNSERE Message zu verbreiten. Ich sehe mich nicht immer als Teil des Ganzen. Aber auch für uns gibt es Grenzen. Das ist nicht ganz einfach und wir überlegen uns das auch von Anfrage zu Anfrage immer wieder aufs Neue.

Noch zum „Youth“ in eurem Namen: Wofür steht der? Historisch ist das ja ein sowohl im deutschen wie englischen Sprachraum in Sachen Punk und Hardcore oft verwendeter Begriff bei Bandnamen, Album-/Songtiteln etc.

Zu unserer Gründungszeit, gab es bei uns in der damaligen Clique etliche, die sich „Rejected“ in den Nacken haben tätowieren lassen. Unter anderem auch Keks, unser Schlagzeuger, mit dem ich die Band gegründet habe. Das „Youth“ kam von meiner Seite aus. Zum einen waren wir damals noch 100 % „Youth“ und zum anderen war ich großer Fan von YOUTH OF TODAY. Ja, das war es auch schon. Das ist die Geschichte hinter dem Bandnamen.