SIXXXTEN

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Sweet little Sixten

Man denke an SMOKE BLOW. An DAMPFMASCHINE. An deutsche Bands, die keinen Betroffenheitsrock für Erstsemester-StudentInnen und Jesus Freaks spielen, sondern ihre eigene Sprache sprechen, musikalisch wie textlich. Die sich nicht an US-amerikanische oder britische Vorbilder klammern und trotzdem zeigen, wo sie herkommen. So eine Band sind auch SIXXXTEN, deren zweites Album auf Redfield Records ich zum Anlass nahm, um von Hanno was über seine Band und „Automat Supérieur“ zu erfahren.

Erst mal die Klarstellung: Ihr heißt nicht SIXTEEN, sondern SIXXXTEN – und habt auch nichts mit der „Sixteenischen Kapelle“ zu tun, oder?

Nein, die Band heißt SIXXXTEN. Kommt von meinem Spitznamen Sixten. Wenn du 15 und Punker bist, willst du nicht so heißen, wie deine Eltern sich das mal gedacht haben. Fast alle meine Kumpels damals haben sich eigene Namen gegeben. Ein Punk-Klischee, aber für junge Menschen durchaus wichtig, haha. Es ist ein ganz normaler skandinavischer Jungenname, den ich einfach cool fand. Ich war ziemlich auf einem Skandinavien-Punk-Trip damals. ASTA KASK und so ... Vielleicht kommt es daher. Dann habe ich angefangen, in Bremen, wo ich herkomme, alleine mit der Gitarre Singer/Songwriter-Punk-Kram zu machen, unter dem Namen Sixten Tresh. Dann bin ich ein paar Jahre als Gitarrist bei den Bremer MIMMI’S mitgefahren und habe jede Toilette mehrfach gespielt. Da hat sich der Name ebenfalls einfach so manifestiert. Ach ja, dann habe ich eine Band gegründet und mir fiel kein besserer, oder sagen wir eher schlechterer Name ein. Die drei X haben sich nur aus Optikgründen entwickelt. Eigentlich albern, so what? Man kann die Band mit einem oder acht X schreiben. Ist eigentlich egal. Namen sind Schall und Rauch.

Ihr seid große Geheimniskrämer, was die Bandmitglieder betrifft. Was hindert einen daran, sich so therapiekreismäßig hinzustellen und zu bekennen: „Hallo, ich bin Hanno und spiele in einer Band“?

Klar, ich heiße Hanno. Das ist gut zu wissen, wenn man mit einander spricht. Ist im Bandkontext aber egal. Deshalb auch keine Namen oder Fotos der Band im Artwork. Ich mag das Gefühl, dass Leute die Band hören und keine Ahnung haben, wie die Typen aussehen. Wären eh alle enttäuscht, haha. Obgleich Nils, Keyboarder/Knöpfendreher und Gitarrist, eigentlich saugut aussieht. Da ist er aber der Einzige ... Timo, der Drummer sieht aus wie Herr von Bödefeld aus der „Sesamstraße“. Das ist auch nicht übel, aber natürlich nicht schön. Stefan und ich sehen einfach nur uncool aus. Ich fand es immer sehr spannend früher als Kind, Platten zu hören und nicht genau zu wissen, wer das gerade fabriziert oder im besten Fall das Feuer entfacht. Gerade bei den so wahnsinnig wichtigen Mixtapes damals war es super, dass man sich die Band so oft so anders vorgestellt hat, als sie dann eigentlich war. Ziemlich spannend, oder eben sehr enttäuschend. Ich erinnere mich zum Beispiel, als ich das erste Mal JON SPENCER BLUES EXPLOSION hörte. So was kannte ich nicht und war lange vor dem Internet schwer beschäftigt damit herauszufinden, was das für Vögel sind.

Was ist der „Automat Supérieur“? Von Robocop bis Kaffeevollautomat ist da vieles denkbar ...

Der „Automat Supérieur“ ist die Maschine Gottes. Ein Produkt des Zufalls. Sehr gefährlich, da ihm alles egal ist. Eben weil er „ist“ und nicht „sein will“. Genau das Gegenteil von mir und dem Durchschnittsmenschen. Wir kümmern uns immer um alles und alles ist uns wichtig. Alles muss stimmen, passieren, funktionieren. Der Automat S. ist ein Geisteszustand, auf den ich sehr neidisch bin. Ich bin zu kopflastig. Der Automat ist einfach gar nichts. Er interessiert sich für nichts. Das macht ihn unzerstörbar. Unabhängig. Wir „normalen“ Leute streben tagtäglich nach Funktion. Das macht uns leicht verwundbar. Wir werden ständig enttäuscht. Alles ist immer irgendwie tragisch. Sieh dir das Artwork an. Ein Pferd mit Flügeln. Was bitte ist denn das für’n Quatsch?! Aber es funktioniert. Seit unfassbar langer Zeit gilt der Pegasus als der allem überlegene „Ist“-Zustand. Wie nahezu jeder Gott. Der Mensch möchte ihm gleichkommen und verreckt elendig auf seiner Reise in den Himmel mit seinen primitiven Methoden. Siehe die toten Bänker, erhängt an den Luftballons fliegend am Horizont – das Artwork der Innenseite. Der Mensch ist das Gegenteil vom „Automat Supérieur“. Er ist ein Mensch. Nicht weniger, aber eben keinesfalls mehr. Wir versuchen, dieser Geisteshaltung mit einem 100%-D.I.Y.-Faktor zumindest nahezukommen. Wir haben die Platte live und analog aufgenommen. Rustikal. Wir machen alles selbst. Die Vinylversion, die uns natürlich besonders wichtig ist, kommt im fetten Vinyl, geile Farben, plus CD, Aufkleber und Poster. Und das zum fairen Preis. Da redet keiner rein. Die Redfield-Jungs sind cool. Wenn Dritte involviert sind, dann immer enge Freunde. Wie zum Beispiel Wayne Horse aus Amsterdam, der das Artwork gemacht hat und gerade ein Video schneidet. Oder Benny Nero aus Berlin, der sich gerade um die Shirts kümmert. Ich brauche mit der Band kein Geld zu verdienen. Wenn es welches gibt: Geil, her damit! Aber ich lege es nicht darauf an, dann müsste ich einiges anders machen und das interessiert mich gerade nicht. Mein eigentlicher Plan war, die Platte ausschließlich auf Tape und drei 7“s in einer Holzbox rauszubringen. Aber das macht natürlich – fast – kein Label mit. Ich finde nur die Idee gut, dass man die hören „wollen“ muss und nicht einfach hören „kann“. Ich denke, du kennst das Gefühl. „Konsum“ ist einfach ein schädliches Klima für schöne Dinge. Muss sich dabei nicht mal um Musik drehen. Aber ich schweife ab ...

Der Ox-Rezensent – der bald darauf seinen letzten Tag hier hatte – schrieb zu eurem letzten Album: „Was soll das sein? Die männliche Variante von Jennifer Rostock? Keine Ahnung. Deine Hobbys sind Zehntausender-Festivals, Web 2.0 und Komasaufen? Dein RAMONES-Shirt kaufst du bei H&M? Dein Lieblingssong ist ,Krawall und Remmidemmi‘? Dann bist du bei SIXXXTEN an der richtigen Adresse.“ Sorgt so was noch für Emotionen? Und was haltet ihr von den lustigen Unterstellungen im Detail?

Wer uns damit vergleicht, sollte tatsächlich seinen letzen Tag beim Ox und vielleicht auch überall anders haben. Der versteht eben keine Details. Allerdings hat jeder das Recht, meine Band kacke zu finden. Jeder hat das Recht auf seine eigene falsche Meinung, hahaha. Aber das sorgt nicht für Emotionen , nein. Ich habe viel Gutes und ebenfalls viel Schlechtes über meine Band gehört. Mein Leben wäre scheiße, wenn ich das alles zu ernst nehmen würde. Ein anderer schrieb über unsere erste Platte: „taugt gerade mal, um an der Bushaltestelle Dosenbier zu saufen“. Das hat mir sehr gut gefallen. So was passiert. Die erste Platte hat stark polarisiert. Die vielen Anglizismen – sagt man das so? – haben viele Leute verstört. Für mich aber eben normal: Ich bin mit Rap-Musik aufgewachsen, befinde mich seit 15 Jahren in einem Umfeld, in dem es normal ist, zu rappen, nachts Züge zu bemalen und so weiter. Will sagen: Der Slang greift auf die Mucke über ... Ich komme eben aus keinem Links-Intellektuellen-Diskurs-Pop Umfeld. Das war immer mein Feindbild Nummer eins. Anbiederung an das Spießertum ... Komasaufen? Ich war ein paar Jahre Gitarrist in einer recht bekannten Bremer Funpunk-Band. Ich habe zu diesem Thema einiges gesehen, was ich nicht vergessen werde. Das hat mir viele sogenannte Punks, oder Penner mit Iros nicht gerade sympathischer gemacht ... viel Elend. Wenn du ein Versager bist ohne Ziele im Leben, dann ist Alkohol sehr gefährlich. Ich persönlich hatte aber auch tolle Momente mit Alkohol. Alles andere wäre gelogen ... Ich kaufe meine RAMONES-Shirts weder bei H&M noch sonst irgendwo, da ich kein RAMONES-Fan bin. Sich in irgendeinem Punkrock-Zusammenhang über Uniformierung lustig machen zu wollen, ist schizophren. Ich habe auf der Berufsschule genauso viele Leute in denselben Klamotten von H&M gesehen wie auf Punk-Festivals Leute mit denselben Frisuren, Hosen und Band-Shirts. Menschen verhalten sich gern wie Roboter. Sie sind gern auf der „sicheren“ Seite. Im „subkulturellen“ Umfeld, wie überall anders auch, nur ja nichts riskieren.

Ihr schreibt, eure Songs seien „Keine Hymnen für das ,Wir‘-Gefühl“, sondern vielmehr: „Sixxxten: 13 / Deutschland: 0. Wortwitz“. Aha. Aha?

Ich muss einfach sichergehen, Musik zu machen, die nicht ein falsches Zusammengehörigkeitsgefühl suggeriert. Es soll schon etwas mehr dazugehören, als Arm im Arm die Texte zu grölen. Nichts dagegen einzuwenden, ich schätze Hysterie, aber es muss einen „Grund“ geben. Es soll was geben, was den Leuten gefällt an der Platte. Ich weiß nicht recht, wie ich das beschreiben soll ... Ich möchte nicht Musik machen, die alle „supi“ finden. Zumindest möchte ich das jetzt in diesem Moment nicht. Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich habe kein Problem damit, wenn 10.000 Leute meine Lieder singen würden, aber sie soll eben etwas verbinden. Und sei es in dem Moment, die Liebe zur Musik. Viele der Songs sind im Jahr 2010 entstanden. Deutschlandfahnen weit und breit. Ich glaube, ich war einfach nur angeekelt. Die Platte ist natürlich nichts für FREI.WILD-Fans und Opeltreffen. Will meinen: Ich war, als die Platte entstand, sehr, sehr angefressen von der Stimmung in diesem Land. So sehr, wie schon Jahre nicht mehr. In einer Stadt wie Hamburg muss man sich halt mit viel Scheiße arrangieren. Das wollte ich nicht, ich wollte weg. Flüchten, raus aus der Stadt. Das Konzept Stadt machte für mich keinen Sinn mehr. Der Song „Kalte Stadt“ handelt davon. Was soll ich sagen: Ich bin geblieben. Ich lebe immer noch.

Zum Schluss: Fünf Konsensbands im SIXXXTEN-Proberaum – und warum die?

Ganz ehrlich: undenkbar. Wir sind alle extremst unterschiedlich, selten einer Meinung und streiten viel. Kein Scherz! Nils ist Techno-Produzent. Der schleppt Synthesizer auf die Bühne und macht halt Tanzmusik. So Live-Electronica. Gutes Zeug. Aber eben sein Ding. Timo ist volle Kanone Metalhead und schwerer Death-Metal-Fan plus Grindcore und Co. Was Stefan hört, weiß ich eigentlich gar nicht. Ich glaube Rock, hahahaaaaa. Ich selbst höre tatsächlich alles. Obgleich ich mich in einer sehr heftigen Doom/Black-Metal Phase befinde, momentan. Warum unsere Musik dann so klingt, wie sie klingt, ist mir ebenfalls nicht erklärbar. Eine Band, die wir alle mögen, ist die ROCKSTEADY CREW.