NIKKI LOUDER

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Slowenische Untergrundmusik ohne nationalistischen Bullshit

Auch im musikalischen Underground gilt Slowenien nicht gerade als Nabel der Welt, dementsprechend freundlich waren die Reaktionen bei Moonlee Records, als ich nach meiner Rezension ihres aktuellen Albums „Our World Died Yesterday“ wegen eines Interviews mit dem Trio NIKKI LOUDER anfragte. Allzu häufig scheinen positive Reaktionen aus Resteuropa offenbar nicht zu sein – vielleicht auch weil ihre Mischung aus berserkerhaftem Noise, rockigen und elektronischen Elementen und weitgehend entfesseltem Geschrei nicht gerade massentauglich ist. Auch Peter Cerar (b/synth), mit dem ich via E-Mail folgendes Interview führte, entpuppte sich als überaus netter und angenehmer Zeitgenosse. Da mich in erster Linie das Dasein als Underground-Band in einem für die meisten Hörer musikalisches Niemandsland gebliebenen Teil von Europa interessierte, drehte sich ein guter Teil der Fragen genau darum.



Slowenien ist ein kleines Land, aber scheint eine große Bandszene zu haben. Macht es das leichter für euch, mit anderen Bands in Kontakt zu treten? Wie organisiert ihr Gigs und wie arbeitet ihr sonst zusammen?

Da stimme ich dir zu, Slowenien hat immer noch eine ordentliche Anzahl guter, aktiver Bands, Underground-Booking-Teams oder kleinere Labels. Aber es ist ein bisschen problematisch, denn die ganze „Szene“ gruppiert sich um Ljubljana herum, obwohl Bands aus dem ganzen Land kommen. Kleiner Städte haben oft Clubs oder Veranstaltungsorte für Auftritte, aber die Organisatoren müssen um das Interesse des Publikums kämpfen. So ist Ljubljana das Zentrum musikalischer Aktivität, und slowenische Bands treffen sich früher oder später dort auf oder vor der Bühne. Das Land ist so klein, dass jede Band, jedes Label, jeder Booker und alle im Publikum voneinander abhängig sind. Ich denke, das ist cool, denn es ist nicht schwer, andere Bands oder Booker zu treffen. Wir versuchen, uns gegenseitig zu helfen, indem wir Shows organisieren, Kontakte fürs Tourbooking verbreiten, Equipment ausleihen, wenn es benötigt wird, und so weiter. Ich denke, diese Art zwangloser Zusammenarbeit ist großartig.

Es muss auch schwierig sein, im Rest von Europa Gigs zu bekommen. Wie bekommt ihr oder euer Management Kontakt zu Locations, wenn ihr außerhalb eures Landes spielen wollt?

Wie ich bereits sagte, helfen sich Bands gegenseitig mit Kontakten, aber das ist oft nicht genug. Wir versuchen, ausländischen Bands zu helfen, die Konzerte in Slowenien spielen wollen, und bekommen oft Hilfe von denen, wenn wir sie benötigen, aber es gibt immer noch Länder, die schwierig zu touren sind. Doch mit etwas Geduld und harter Arbeit können Touren gebucht werden. Ich denke, das ist nicht nur ein Problem für slowenische Bands, es gibt so viele tourende Bands und Shows, die in Europa stattfinden, dass es irgendwie schwierig ist, da reinzukommen, wenn du nicht bekannt bist.

Gibt es eine Chance, dass ihr Konzerte in Deutschland geben werdet?

In Deutschland haben wir bislang nur einmal gespielt. Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist, aber es ist schwierig, in eurem Land Shows zu bekommen. Wir bekamen oft Antworten wie „Wir buchen nur HC/Punk-Shows“, und ich fand das wirklich seltsam. Ich weiß, dass wir keinen gewöhnlichen Punkrock spielen und nicht wie eine trendige Hardcore-Band klingen, aber ich war total enttäuscht darüber, wie engstirnig manche Booker sein können. Ich meine, was zur Hölle ist überhaupt Punk? Wie du klingst oder was in deinem Kopf vorgeht?

Das frühere Jugoslawien scheint momentan eine Menge Bands hervorzubringen, wie JOE 4 und RUIZ aus Kroatien. Habt ihr auch Verbindungen zu anderen Bands, beispielsweise aus Kroatien und Serbien, oder ist das aus geschichtlichen Gründen immer noch schwierig?

Ich liebe es total, dass junge Bands vom Balkan nicht mit historischen oder politischen Vorbehalten infiziert sind, und ich denke, dass Bands aus Ex-Jugoslawien eine Menge Möglichkeiten erhalten, um in Slowenien zu spielen. Die meisten jungen Bandmitglieder sind nicht alt genug, um „ernsthaft nostalgisch“ zu sein, und nationalistischer Bullshit sollte kein Teil der Untergrundmusik sein. Die gemeinsame Kultur und Sprache hilft uns dabei, Kommunikationsbarrieren zu überbrücken, und ich muss sagen, dass wir uns immer willkommen fühlen, wenn wir auf dem Balkan spielen.

Wenn ich mir Live-Clips von euch auf YouTube anschaue, fällt mir auf, dass du bei allen Gigs auf einem Stuhl sitzt. Gibt es dafür einen ernsthaften Grund oder machst du das, weil es bequemer ist?

Ich habe mir vor sechs Jahren das Rückgrat gebrochen und habe seitdem ein Problem mit der Beweglichkeit. Ich benutze Krücken und kann nicht im Stehen spielen. Der einzige Grund, warum ich den Stuhl benutze, ist also der, dass ich behindert bin.

Ihr scheint eine Menge Einflüsse von extremem Noise bis hin zu mehr rockorientierten und elektronischen Acts zu haben. Kannst du ein paar aufzählen? Es wäre interessant zu erfahren, ob die Einflüsse allgemein vergleichbar sind oder ob es sich um Bands handelt, die in Westeuropa nicht sehr bekannt sind.

Wir hören verschiedene Arten von Musik und ich denke, dass wir am meisten von Underground-Bands beeinflusst sind, die versuchen, einzigartig zu klingen, wie das großartige trashige Bluestrio SHIELD YOUR EYES aus Großbritannien, die Mathrocker NITKOWSKI, oder DON VITO aus Leipzig, RUINS MATADOR, eine großartige slowenische Band, die nicht mehr existiert, eine Art von Dark TripHop/Post-Punk aus Slowenien ... Wir hören eine große Bandbreite an Musik, eben alles, was uns bewegt.

Wie wichtig waren Fanzines für euch, und welche Musikmagazine sind für einen Punk/Alternative-Rock-Fan in Slowenien wichtig?

Wir sind in Kleinstädten aufgewachsen, wo es im allgemeinen nicht viele Fanzines oder Musikmagazine gab. Doch ich erinnere mich an Dr. Musik, das war ein nicht-mainstreamiges slowenisches Magazin mit großartigen Reviews. Die unterstützten die lokale Szene, indem sie das „Beste Demo des Monats“ aussuchten und anderes Zeug in der Art. Es gab auch ein Hardcore-Fanzine namens „13th Brat“, das nun online wieder existiert, nachdem es ein paar Jahre lang „tot“ war.