WOLVES IN THE THRONE ROOM

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Feuilleton-Metal

Sie machen vieles anders, manches aber auch nicht. Black Metal ist ein so konservatives Genre wie traditioneller Pop-Punk. Da stellt man keine Grundsatzfragen, und das Publikum ist an Veränderung und neuen Einflüssen auch nicht interessiert. Und dann wagte es vor einigen Jahren eine Band, die zudem ob ihres Hardcore-Backgrounds sowieso nur ansatzweise Stallgeruch hatte, doch tatsächlich, traditionellen Black Metal weniger mit grundlegender musikalischer Innovation als vielmehr mit ihrer Attitüde für eine Hörerschaft jenseits des üblichen inneren Zirkels zu öffnen. Hier und da wurde zwar gemeckert, aber auf Konzerten stehen sie seitdem dennoch friedlich Seite an Seite: der aufgeschlossene Post-Whatever-Hörer und der typische BM-Fan, ganz in Schwarz, mit hohen Stiefeln, in Vorfreude auf das, was die Band aus der Nähe von Portland, Oregon da an Stücken des neuen Albums „Celestial Lineage“ sowie von „Two Hunters“ (2007) und „Black Cascade“ (2009) zur Aufführung bringen wird. Minuten zuvor sprach ich noch mit Schlagzeuger Aaron Weaver, der zusammen mit seinem Bruder Nathan (Gitarre, Gesang) den kreativen Kern der Formation bildet, in einer als Garderobe genutzten Toilette des Kölner Gebäude 9 über Weizen und die Zukunft der Band. Die Themen, um die es ging und die sich zufällig ergaben, die Art, darüber zu sprechen, stehen für mich jenseits einer inhaltlichen Bewegung beispielhaft für die Sonderrolle der Band als Nebenlinie des „normalen“ Black Metals.

Aaron, du sagtest gerade, wie sehr dich die „Besessenheit“ der Europäer von Brot und Käse immer wieder erstaunt – und vor Probleme stellt.

Ja, ich bin zwar kein Veganer, nur Vegetarier, esse aber so gut wie keinen Käse – und auch keine Weizenmehlprodukte. Nicht, dass ich eine Glutenunverträglichkeit hätte, es ist mehr eine spirituelle Sache.

Das solltest du mir erklären.

Ich halte Weizen für eine der Wurzeln vieler Probleme der heutigen Welt. Man mag meine Ideen für seltsam halten, aber ich glaube, dass Weizen unsere spirituelle Energie absorbiert. Ich merke einfach, dass mir Käse und Weizenbrot nicht gut tun, meine Atemwege sind da immer ganz verstopft, wie jetzt. Wir waren gerade in Frankreich, da habe ich mich doch zum Käse- und Brot-Essen verführen lassen.

Was fasziniert dich an Weizen? Die Tatsache, dass dieses Getreide als Rohstoff an den Warenhandelsbörsen der Welt, etwa in Chicago, als spekulatives Anlageobjekt betrachtet wird, mit verheerenden Folgen für die Ärmsten der Weltbevölkerung?

Ja, Weizen funktioniert nach den gleichen Prinzipien wie Öl. Er ist ebenfalls eine grundsätzliche Energiequelle, um unsere Körper und die Gesellschaft am Laufen zu halten. Eine spirituelle Qualität sehe ich aber nicht.

Wie soll ich das verstehen?

Ich bin der Meinung, dass alles im Leben neben der ganz alltäglichen Dimension auch ein „kultisches Echo“ hat, das sich auf einer anderen Ebene der Wahrnehmung abspielt. Man kann das manchmal ganz direkt erkennen, wenn man ein Gespür dafür hat. Du sitzt irgendwo, isst beispielsweise ein Sandwich, und spürst, was da gerade geschieht, spürst die energetischen Vibrationen. Das sind alles andere als bekloppte Hippie-Ideen, um so etwas geht es beispielsweise auch in der traditionellen chinesischen Medizin, solche Ideen gibt es in allen Philosophien, in jedem spirituellen und wissenschaftlichen System, in allen Zeit – mit Ausnahme unserer westlichen Nach-Aufklärungs-Welt.

Du meinst also, dass du ganz abstrakt davon überzeugt bist, dass da mehr ist als das, was man sehen oder hören kann?

Ja, in dem relativen kurzen Zeitfenster seit dem Beginn der Aufklärung in Europa bis heute werden diese anderen Dimensionen nun Aberglaube, übersinnliche Wahrnehmung oder so genannt. Ich finde das vermessen und bin überzeugt, dass man das in 100 Jahren sicher anders sehen wird, dass man auf unsere Zeit zurückblicken wird mit Erstaunen und nicht wird glauben können, was wir eigentlich gedacht haben. Man wird uns heute so betrachten wie wir die Alchimisten des 17. Jahrhunderts.

Was bringt dich zu dieser Einschätzung?

Acid.

Hahaha, okay ...

Ein Scherz. Ich habe wirklich noch nie mit Erfolg Acid genommen, glaube aber daran, dass einen psychedelische Drogen empfänglicher machen für andere Arten der Wahrnehmung. Dabei stehe ich selbst nicht auf Drogen, mich interessiert mehr, wie psychedelische Drogen das Denken beeinflussen. Das hat sicher auch was mit meiner Herkunft von der Westküste der USA zu tun, die schon lange als Zentrum visionärer Kulturen gilt. Die Hippie-Kultur war hier einst am stärksten, viele meiner Mentoren, die Menschen, die mich im Leben beeinflusst haben, sind alte Hippies, die sich in den frühen Siebzigern aus den Städten aufs Land und in die Wälder zurückgezogen haben und seitdem ihrem Weg treu geblieben sind. Die Zeit der Hippies in den Sechzigern war jene Zeit, in der Menschen in den westlichen Kulturen umzudenken begannen, als andere Gedanken jenseits des puren Materialismus und der auf der auf Aufklärung basierenden Philosophien überhaupt gedacht werden durften. Man begann sich mit fernöstlichen Philosophien zu beschäftigen, mit Meditation, mit ganzheitlicher Ernährung, und so weiter. Vieles davon ist natürlich auch totaler Quatsch, ich bin einer der ersten, der sich über klischeehafte Hippies lustig macht, aber mir ist klar, dass die am Beginn der Entwicklung einer neuen Gesellschaft stehen, dass sie eine neue Perspektive aufs Leben ermöglichen jenseits des Mainstreams.

Mein Ding ist das ja alles nicht. Mich stört ja schon die quasi-religiöse Komponente, die viele Mit-Veganer ihrem Lebensstil beimischen und der Eifer, mit dem sie diesen verfolgen. Ich bin da eher ...

... ein säkularer Humanist? Um Himmels willen! Ich nicht! Ich bin ein absoluter „cult wizard“, hahaha. Ich war einst ein säkularer Humanist, ich sah die Welt, das Universum als Maschine an. Und dass man all das am besten verstehen kann, wenn man es als Maschine betrachtet. Wenn wir Computer hätten, die rechenstark genug wären, könnten wir alles auf dieser Welt analysieren, auch Gefühle wie Liebe und Glaube. Aber das ist Quatsch. Wieso bietet jede andere Kultur als unsere moderne, westliche viel größeren Raum zum Verständnis des Lebens, des Universums, der Unendlichkeit? Was ist so toll an der Welt, die die westlichen Zivilisationen geschaffen haben? Wir haben tolle Städte, wir haben tolle Social Networks – warum soll das alles so toll sein? Die Welt wurde seit der Aufklärung massiv zerstört, es herrschen Unterdrückung und Gewalt im großem Ausmaß, und das soll der Weisheit letzter Schluss sein? Für mich ist klar, dass sich die Menschheit umbringen wird, wenn es nicht zu einer Veränderung im Denken kommt, wenn man erkennt, dass die säkulare, humanistische, aufklärerische Weltsicht nicht die Antworten auf alle Fragen kennt.

Macht dich all das zum Anhänger eines bestimmten Kults?

Nein, ich bin ein zutiefst skeptischer Mensch, ein Agnostiker. Ich glaube erst mal an gar nichts – und deshalb auch nicht an den säkularen Humanismus, der im Kern auch ein Glaubenssystem ist, das so bekloppt ist und aus Halbwahrheiten besteht wie beispielsweise die nordische Mythologie. Ich wende mich nicht gegen wissenschaftlich bewiesene Wahrheiten und Prinzipien der Physik, ich sage nur, dass sie nur einen Teil der Realität wiedergeben, dass da noch mehr ist. Nein, ich bin also nicht Anhänger eines Kultes – oder doch, des orthodoxen Westcoast-Hippie-Kults vielleicht. Doch, doch, das ist eine Kultur für sich, gegründet von ein paar Weirdos, die Rock’n’Roll hörten und an die freie Liebe glaubten. Daraus ist ein komplexer Kult geworden, mit eigenen Traditionen.

Dazu passt ja auch, dass du im letzten Interview erzähltest, dass ihr als teilweise Selbstversorger auf einem Bauernhof lebt.

Ja, mittlerweile sind wir allerdings ein Stück weiter gezogen, in ein anderes Haus. Meine Frau kümmert sich um das Meiste, wenn wir nicht gerade auf Tour sind. Sie ist es übrigens, die auf Tour hinter dem Merch-Stand steht. Während wir weg sind, kümmern sich Freunde um den Hof. Die füttern die Hühner und schießen zur Not auch mal Rotwild, das sich an unserem Gemüse vergreifen will. Übrigens mit dem Bogen.

Nicht gerade tierfreundlich...

Du wärest überrascht, wie viele Tiere beim Gemüseanbau auf der Strecke bleiben. Das ist eine schreckliche und blutige Angelegenheit, ich habe deswegen echt ein schlechtes Gewissen. Aber pflüge oder egge oder ernte mal ein Feld mit dem Traktor, da hinterlässt du immer eine Blutspur. All die kleinen Mäuse und Hasen, die da massakriert werden, das ist schrecklich. Wir versuchen das Schlimmste zu verhindern, laufen vorher mit einem langen Stock übers Feld, um zu verjagen, was da zwischen dem Gemüse in den Furchen sitzt, aber trotzdem schaffen es viele nicht. Ich muss da immer an den Film „The Secret of NIMH“ denken. Wir versuchen einfach möglichst viel Rücksicht auf die Tierwelt zu nehmen, indem wir im Blick haben, wann und wo die Tiere und Vögel ihre Nester bauen, wann sie brüten, und so weiter. So eine Wiese muss man eben regelmäßig mähen, sonst hast du zu viel Unkraut, und auch das Mähen ist blutig. Landwirtschaft, da darf man sich nichts vormachen, ist ein zutiefst gewalttätiger, zerstörerischer Akt – gewalttätiger und zerstörerischer als das Jagen! Sich in einem Urwald zu bewegen und dort ein Tier zu jagen, zu schießen und zu essen, ist ein Akt der Gewalt, aber wie klein ist der im Vergleich zum Roden eines Waldstücks, des Vernichten von Leben, um das Land zu pflügen und ein Feld anzulegen?

Man spricht dabei von „Kultivierung“, was ein sehr interessanter Begriff für den von dir beschriebenen Akt der Gewalt ist. Und in der Tat kann man sich fragen, wo da die „Kultur“ bleibt.

Diese Gewalt ist die Grundlage von Zivilisation, die Domestizierung von Wildnis. Diese Erkenntnis ist der Grund, weshalb sich mir das Konzept des Veganismus nicht erschließt. Alles, was der Mensch tut, um sich zu ernähren, hat mit Gewalt zu tun, eben auch der Gemüseanbau. Und ich verstehe auch nicht, wieso Veganer etwas gegen tierischen Dünger wie Mist einzuwenden haben, wenn die Alternative chemische hergestellte Substanzen sind, zu deren Herstellung Rohstoffe nötig sind, um die in blutigen Kriegen gekämpft wird? Ich bin der Meinung, dass man eine liebevolle, positive Beziehung zu einem Tier haben kann auf einem Bauernhof. Aber das ist eine Frage der Menge, der Masse, der Kultur, die dahinter steckt. Unsere moderne, aufgeklärte Gesellschaft hat aber eine Situation geschaffen, in der Tiere als Anhängsel einer Maschinerie, als Teil einer Industrie angesehen werden. Auch das ist ein Grund, warum der säkulare Humanismus mich nicht überzeugen kann.

Wechseln wir das Thema, sprechen wir ganz konkret über die Band. In letzter Zeit war mehrfach zu hören, dies könnte die letzte Tour eurer Band sein. Ist da was dran?

Das Leben auf unserem Hof und auf Tour sind das krasse Gegenteil. Faktisch kann man beide Lebensweisen nicht vereinbaren, ohne dass das eine unter dem anderen leidet. Wir hatten uns deshalb entschlossen, uns ungefähr zwei Jahre auf WOLVES IN THE THRONE ROOM zu konzentrieren, um uns dann wieder unserem anderen Leben zuzuwenden. Das bedeutet aber nicht notwendigerweise das Ende der Band oder meinen Ausstieg, denn ich will definitiv eine weitere Platte machen und Konzerte spielen. Wir sind in den letzten Jahren einfach Teil einer Maschinerie geworden, haben uns zu einer leidlich erfolgreichen Rockband entwickelt, die regelmäßig vor 500 Leuten spielt und die bestehende Rock-Infrastruktur nutzt. Wir haben uns also den Spielregeln unterworfen, all dem Bullshit mit Promotion, Label und so weiter, einfach um unser Ziel zu erreichen. Das haben wir erreicht, jetzt brauchen wir all das nicht mehr. Wir können unsere Platten jetzt selbst veröffentlichen, wir haben uns ein Aufnahmestudio gebaut, und wir haben einen Punkt erreicht, wo wir nicht mehr sechs Wochen am Stück auf Tour gehen müssen, sondern es uns leisten können, hier und da einzelne Konzerte zu spielen. So können wir in jedes Konzert viel mehr Anstrengung und Energie investieren. Was nun das angebliche Ende der Band betrifft, so ist an diesem Gerücht das englische Magazin Terrorizer schuld, das mit einer sensationsheischenden Headline eine Äußerung von mir aus dem Zusammenhang gerissen hat. Klar ist allerdings, dass wir unser Vorgehen als Band ändern werden.

Ich stelle mir so eine Band als schwerfälliges Vehikel vor, das Eigendynamik entwickelt und dessen Richtung sich nur mit großer Mühe ändern lässt.

Ja und nein, denn eigentlich besteht die Band im Kern nur aus Nathan und mir, und wir haben weitgehend gleiche Vorstellungen von unseren Prioritäten im Leben. Trotzdem fiel uns die Entscheidung schwer, denn wir wussten, dass wir ein gutes Album aufgenommen haben und das die Reaktionen darauf gut ausfallen würden. Wir hatten die Tour gebucht, und wir konnten uns ausrechnen, dass es danach mit unzähligen, teils sehr guten Angeboten für Festivalauftritte weitergehen würde. Das ist wirklich verlockend und es ist schwer, der Versuchung zu widerstehen, diese Angebote anzunehmen. Das hat was von der Mafia, haha: „Nur noch ein Job, dann bin ich raus“ – und dann kommst du doch nicht davon weg. Aber ein echtes Problem ist das alles nicht für uns, wir machen exakt das, woran wir Spaß haben.

Hilfreich ist aber schon, dass viele, sowohl Veranstalter wie Plattenkäufer wie Konzertbesucher und auch die Presse in euch eine besondere Band sehen. Hast du eine Vorstellung davon, was das ist?

Darf ich die Frage an dich weitergeben? Ich bin ehrlich gesagt der schlechteste Ansprechpartner, um auf diese Frage eine Antwort zu geben.

Ich denke, ihr seid interessant, weil ihr anders seid. Weil ihr einen interessanten Background habt.

Ach ja? Ich könnte dir sicher 50 Black Metal-Bands nennen, die mir wichtig sind, die auch einen interessanten Background haben. Die Frage haben wir damit aber nicht beantwortet, haha. Liegt es daran, dass wir eine interessante Geschichte zu erzählen haben? Dass die Menschen gerne gute Geschichten zur Musik, zu einer Band hören? Dass da eine gute Story ist, ist eher selten, das könnte erklären, was uns interessant macht. Normalerweise gibt es immer was zu hören in der Art von „Four guys that love to rock, that got together one day in their practice space. One of them had a broken heart and he wrote about it, and here they are!“ Aber mal ehrlich, wer will so was hören, zum millionsten Mal? Ja, es ist wahr, wir haben eine andere Geschichte. Zum einen sind wir totale Metalheads und passen in die ganze Black-Metal-Gedankenwelt, zum anderen sind wir totale Hippies, die auf einem Bauernhof leben und recht bizarre Vorstellungen und Ideen haben. Vielleicht ist es also das, was uns anders, ja, einzigartig macht. Außerdem ist uns unsere Musik zwar sehr wichtig, aber gleichzeitig ist es für uns nicht das Wichtigste in der Welt, in einer Band zu sein, Erfolg zu haben. All das, was anderen Metalheads wichtig ist, ist uns egal: Groupies, auf jeder Tour größere Venues, und so weiter. Im Gegenteil, all das stößt uns ab. All das erlaubt uns größtmögliche Freiheit, gibt uns die Chance, unseren eigenen Weg zu beschreiten, anstatt bereits ausgetretene Pfade.

Ihr traut euch, Individualisten zu sein – anderen Musikern fehlt der Mut, anders zu sein als alle anderen. Das Erfüllen von Klischees einer Szene macht vieles einfacher.

Das trifft besonders auf die Metal-Szene zu. Da geht es oft weniger um die Band als um das Genre an sich, besonders in der Black-Metal-Szene. Da geht es um den Rahmen, die Szene, der du angehörst, weniger um das Individuum. Als Black-Metal-Fan stehst du in erster Linie auf das Genre, dann auf bestimmte Bands. Das ist okay, es ist gut, wirklich und intensiv Teil dessen zu sein, was dir wichtig ist, aber unser Fall ist all das eben nicht.

Bei aller Individualität seid ihr in einer Hinsicht aber relativ konservativ: bei der Wahl eures musikalischen Vehikels seid ihr bei aller Begeisterung, die ich für euch empfinde, letztlich wenig experimentierfreudig.

Black Metal ist einfach Musik, die hier und heute einen starken Nachhall auslöst. Es ist ein weltweites Phänomen, ein Musikstil, der in seinen Anfängen sehr kultisch war, undergroundig und obskur. Der sich außerhalb der Wahrnehmung der meisten Menschen abspielte. Heute ist das anders, da wird darüber berichtet, sogar in den Mainstream-Medien, und es gibt unzählige IMMORTAL-Klone. Und viel vom Spirit, von den Ideen und der Ästhetik des Black Metals ist in andere Musikstile eingesickert, nicht nur im Metal, sondern auch in Punk, Indie und Mainstream. Der Grund liegt meiner Meinung nach darin, dass es sich um Musik handelt, die grundsätzliche Fragen aufwirft zu unserem heutigen Leben. Black Metal ist ein harscher Kontrast zur modernen, rationalen, aufgeklärten Gesellschaft. Wenn die das materialistische Leben in großen Städten als das Nonplusultra propagiert, steht dem das Höhlenmenschenhafte des Black Metal gegenüber: Zerstört die Städte! Betet die alten Götter an! Seid wild und ungezähmt! Black Metal ist das dunkle Spiegelbild der Mainstream-Gesellschaft. Black Metal erfüllt damit die Rolle von aller guten Kunst, nämlich eine Gegenkraft zum Mainstream zu sein. Kunst ist die Sichtbarmachung von neuen Möglichkeiten, einer anderen Zukunft, und all das entsteht aus den Ängsten des Künstlers. All das, was heute „normal“ ist, hat seinen Ursprung in den Ideen von Philosophen und Künstlern, weil das Menschen sind, die solche Wünsche erfassen, aufgreifen und formulieren können, weil sie meist am Rande der Gesellschaft leben mit ihren gefährlichen, als blasphemisch angesehenen Träumen und Ideen. Doch ihre Idee sickern in den Mainstream. Und so leben wir heute in postindustriellen Gesellschaften und wissen, dass diese zerfallen werden, dass etwas anderes an ihre Stelle treten wird. Black Metal bringt die Magie zurück, Traditionen, die Wertschätzung der Natur, das Anerkennen, die Ahnung, dass da mehr zwischen Himmel und Erde ist, den Respekt vor dem, was uns ernährt. Und das darf man bitte nicht als „Blut & Boden“-Ideen abtun, es handelt sich aber auch nicht um Hippie-Kram, sondern im Kern sind es die Ideen der nordamerikanischen Ureinwohner. Die Erde ist heilig, wir dürfen sie nicht missbrauchen.

Wenn dir, wenn euch der Respekt vor der Natur so wichtig ist, was tut ihr auf eurem Hof aktiv dafür? Nutzt ihr erneuerbare Energien?

Unser Konzept besteht darin, Energie nach Möglichkeit gar nicht erst zu verbrauchen. Wir setzen beim Gemüseanbau viel auf Handarbeit, und auf unserem Level geht das auch gut. Wir bebauen ungefähr zweieinhalb Hektar, das ist recht klein, aber eine intensive Form der Landwirtschaft, im Gegensatz zu den riesigen, oft ineffizienten „Gemüsefabriken“ der großen Konzerne, die tausende Liter Diesel für ihre Traktoren verbrauchen. Dazu ist unsere Art des Bio-Anbaus schon etwas ganz anders, etwa dass wir statt chemischer Düngemittel und Pestizide mit Zwischensaat und Bodendeckern arbeiten. Es gibt wirklich viele landwirtschaftliche Techniken, die eine Alternative darstellen zur industrialisierten Landwirtschaft.

Wenn ich mir all deine Aussagen so anhöre, denke ich nicht, dass ihr euch im Gegensatz zu anderen Bands daran stört, wenn man euch ein Konzept unterstellt.

Überhaupt nicht! Das Konzept ist essentiell. WOLVES IN THE THRONE ROOM sind ein Gesamtkonzept, die Musik dient nur als Vehikel, um Ideen zu transportieren. Die Hälfte der Arbeit bei WOLVES IN THE THRONE ROOM investieren wir in konzeptionelle Arbeit, also das Ausarbeiten der ganzen Ideen. Nathan und ich setzen uns zusammen, reden, denken nach. Und wir sind sehr visuell denkende und arbeitende Menschen. Wir überlegen uns im Vorfeld eines Albums, was für einen thematischen Flow es haben soll, denken dann über die Bilder nach, die das am besten darstellen können. Das aktuelle Album besteht aus sieben Stücken, und zu jedem einzelnen haben wir einen ganzen Stapel von Fotos, aber auch beispielsweise Gedichte, und die begleiten uns durch den Aufnahmeprozess. Bei der Arbeit betrachten wir also immer wieder diese Bilder, beziehen uns darauf, um sicherzustellen, dem Konzept des Albums treu zu bleiben und nicht von der Linie abzuweichen und am Ende irgendwo im Niemandsland zu landen. Eine Idee zu haben, ist uns sehr wichtig, und natürlich, diese konsequent umzusetzen.