DEATH BY STEREO

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Härter, schneller, tödlicher

Seit Jahren wissen DEATH BY STEREO aus Orange County, Kalifornien, mit ihrer energiegeladenen Mischung aus Punk, Hardcore und Metal zu überzeugen. Auch abseits der Bühne ist Sänger Efrem Schulz die Inbrunst und Motivation anzuhören, die ihn zum Musikmachen motiviert. Beim Interview im Rahmen der Europatour mit AGNOSTIC FRONT im Februar und März 2012 schafft er es perfekt, seine gute Laune und die Wut, die ihn auch nach Jahren noch antreibt, in Einklang zu bringen.

Efrem, ihr seid gerade mit AGNOSTIC FRONT auf ihrer Jubiläumstour unterwegs. Fühlt man sich da wieder wie ein Teenager, wenn es den Headliner seit 30 Jahren gibt und euch „erst“ halb so lang?

Haha, ja, so in etwa. Uns gibt es nicht erst seit gestern, und wir haben schon einiges gemacht. Aber dann stehst du jeden Abend neben der Bühne und schaust AGNOSTIC FRONT zu, wie sie es nach 30 Jahren immer noch auf den Punkt bringen, wie präsent sie auf der Bühne sind und wie viele Leute sie bis heute mit der Musik erreichen. Sie sind wunderbare Leute, die Band ist großartig drauf, und ich hoffe, wir sind es auch noch, wenn wir die 30 mal erreichen. Die Tour ist richtig gut angelaufen. Wir freuen uns, dabei sein zu können.

Mit zunehmendem Alter lehnen sich Bands oft etwas zurück und touren weniger –ihr nicht.

Ich will so viel wie möglich mit der Band unterwegs sein und ein Konzert nach dem anderen spielen. Egal, ob das in Europa ist oder in den USA. Natürlich verstehe ich, wenn sich bei anderen ab einem gewissen Punkt die Prioritäten ändern, etwa, wenn sie eine Familie und Kinder daheim haben. Verständlich, dass jeder dann sein Kind aufwachsen sehen will. Aber für mich ist DEATH BY STEREO meine Familie, ich will jeden Tag mit diesen Leuten verbringen. Das andere Argument, warum manche Bands irgendwann seltener touren, lautet, damit sie nicht zu oft in der gleichen Gegend auftreten, was ab einer gewissen Größe stimmen mag. Aber wir sind klein genug, dass wir zum Beispiel in einem Jahr fünfmal in New York spielen könnten. Es gibt da so viele Clubs, dass wir jedes Mal woanders spielen würden, und jedes Mal kämen andere Leute zur Show. New York ist natürlich eine besondere Situation, aber unsere Shows sind in den letzten Jahren auch in Deutschland immer gut besucht gewesen. Es hat sich noch niemand beschwert, dass wir zu oft da wären. Deshalb kommen wir im Sommer erneut nach Europa. Ich kann es nicht ändern, ich liebe es einfach, jeden Abend auf der Bühne zu stehen und mit meinen Freunden Spaß zu haben.

Und trotzdem habt ihr es geschafft, mit „Black Sheep Of The American Dream“ ein neues Album einzuspielen. Das Offensichtliche zuerst: Da stimmt doch etwas mit dem Titel nicht!

Haha, du meinst, weil es seit Jahren das erste Album ohne Anspielungen auf den Tod ist? Richtig, so gesehen stimmt mit dem Titel wirklich etwas nicht. Mit den Wortspielen rund um „death“ hatten wir irgendwann den Punkt erreicht, ab dem alle weiteren Ideen irgendwie lächerlich klangen. Es war lustig für ein paar Alben, aber das war ja nichts Identitätsstiftendes. Wir sind hoffentlich nicht „die Band mit den Tod-Titeln“, oder so etwas. Beim neuen Album wollten wir etwas Ehrliches und Neues, das die Sache auf den Punkt bringt. Schließlich sind die Songs diesmal direkter geworden und sprechen jeweils unterschiedliche Probleme an. In gewisser Weise ist das eine Rückbesinnung auf unsere ersten Alben oder auf die Musik, mit der ich aufgewachsen bin, aber gleichzeitig musikalisch ein neuer Weg für uns. Der Titel passt irgendwie zu uns, wir sind schwarze Schafe in diesem Traum von Erfolg und Idylle. Und mit „wir“ meine ich jetzt nicht mich, meine Freunde oder die Band, sondern uns alle in dieser Szene.

Ohne ein bisher für euch typisches Wortspiel klingt der Titel so, als wäret ihr gerade richtig wütend. Die Songs bestätigen diesen Eindruck.

„Black Sheep Of The American Dream“ ist schneller, härter, wütender und direkter geworden, als unsere letzten Alben es waren. Um ehrlich zu sein, hat sich das eher zufällig ergeben. Unser Gitarrist Dan Palmer, der die meisten Lieder schreibt, kam einfach mit Ideen für diese verrückten, kurzen und harten Songs an und wusste selbst nicht so recht, ob das passen würde. Bei den Proben haben wir gemerkt, dass uns die Stücke großen Spaß machen. Beim nächsten Mal war es dann wieder genauso, er kam mit einigen neuen Songs an, bis wir am Ende festgestellt haben, dass das ein verdammt schnelles und hartes Album werden wird. Es gab keinen Plan, es so zu machen, aber das Ergebnis hat uns allen sehr gefallen.

Ein interessantes Ergebnis zu einer Zeit, in der nicht wenige Bands ruhigere Alben aufnehmen oder Sänger wie am Fließband zur Akustikgitarre greifen.

Stimmt, es gibt momentan diesen Trend, ein Midtempo-Lied nach dem anderen aufzunehmen, bis am Ende ein langsames Album dabei rauskommt. Ganz ehrlich, uns in der Band langweilt ein Großteil der Alben, die in den letzten zwei Jahren veröffentlicht worden sind. Wenn Bands von früher auf einmal ruhigere Platten aufnehmen, weil sie es langweilig finden, immer nur das Gleiche zu spielen, verstehe ich das. Aber gefallen tun mir die Alben trotzdem nicht. Ich will nicht sagen, dass all diese Platten schlecht sind, es ist einfach nicht mein Ding. Ich bin mit harter Musik aufgewachsen, die wirkt wie ein Schlag ins Gesicht. Außerdem hat sich in mir einiges angestaut, was ich loswerden wollte, und langsame Songs hätten es da einfach nicht getan. Keine persönlichen Sachen, sondern gesellschaftliche und politische Themen, die mir Sorgen bereiten. Auch das ist sehr oldschool: Sag, was dir nicht passt, und sprich Dinge an, die deiner Meinung nach falsch laufen. Das vermisse ich bei einigen Bands in letzter Zeit. Vielleicht öffnet es jemandem die Augen, vielleicht machen sich einige Leute ein paar Gedanken darüber. Und vielleicht ändert sich am Ende etwas. Veränderungen sind möglich, man muss aber konstant etwas dafür tun. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass wir mit einem Song von DEATH BY STEREO die Welt verbessern können. Aber nur, wenn man Probleme anspricht und andere zu überzeugen versucht, kann man etwas erreichen.

Hast du den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren inhaltlich etwas in der Szene verändert hat?

Auf jeden Fall. Die Präsidentschaft von George W. Bush und seine Kriege hatten ja – ähnlich wie 20 Jahre zuvor unter Ronald Reagan – den Effekt, dass sie die Punk- und Hardcore-Szene geradezu mit Leben erfüllt haben. Es gab so vieles, das ausgesprochen werden konnte und auch musste. Nach der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten ist diese laute Stimme des Protests deutlich leiser geworden. Natürlich ist Obama eindeutig eine Verbesserung gegenüber seinem Vorgänger Bush, aber ebenso ist es klar, dass nicht alle Probleme auf einmal beseitigt wurden, als er ins Weiße Haus eingezogen ist.

Warum sind deiner Meinung nach manche Leute in den letzen Jahren leiser geworden? Aus Freude, weil Bush weg war, oder eher aus Resignation, weil sich an den sozialen Problemen in den USA auch unter Obama nicht viel geändert hat?

Sicher werden einige Leute enttäuscht sein, dass sich nicht so viel verändert hat. Aber ich glaube, dass die Mehrheit erleichtert war, als Obama gewonnen hat. Wie du richtig sagst, hat sich aber gerade, was soziale Probleme angeht, nicht viel verbessert. Noch immer leiden etliche Amerikaner unter den Folgen der Wirtschaftskrise, es gibt Probleme in der Bildung oder auf lokaler Ebene, Polizeigewalt etwa. Da ist, unabhängig von jeder Präsidentenwahl, alles noch beim Alten. „5th of July“ auf dem neuen Album behandelt genau das, am Beispiel eines realen Ereignisses. Vor einigen Jahren haben mehrere Polizisten in Fullerton, Kalifornien einen unschuldigen Mann ohne jeden Grund erschossen und versucht das Ganze zu vertuschen. Aufgebrachte Bürger haben daraufhin tagelang vor dem zuständigen Revier demonstriert, ich war auch dabei.

War euer Protest erfolgreich?

Die verantwortlichen Beamten wurden entlassen und verurteilt, und der Polizeichef musste zurücktreten. Der Fall steht beispielhaft dafür, warum ich finde, dass es noch viele Probleme gibt, die angesprochen werden müssen. Wenn ich zum Beispiel einen Blick auf die Vorwahlen der Republikaner werfe und mir vorstelle, dass entweder ein fundamentalistischer Christ oder ein Unternehmer, der reich geworden ist, weil er weniger Steuern zahlt als jede Hilfskraft in einem Schnellimbiss, demnächst Präsident der USA werden könnten, habe ich richtig Angst. Sollte es soweit kommen, werden in der Szene wieder viele lauter werden, aber es wäre richtig, sich jetzt schon zu äußern, damit es gar nicht dazu kommt.

Ist „Please go to heaven now“ vielleicht an diese Politiker gerichtet?

Der Song richtet sich an all diejenigen, die uns täglich kritisieren, die sagen, nur sie würden ein sündenfreies Leben führen und in den Himmel kommen. Wenn diese Leute an so etwas glauben und dieser Himmel so ein herrlicher Ort sein soll, was machen sie dann noch hier? Ich dagegen bleibe lieber hier. Mein anderes Problem mit Menschen, die an so etwas glauben, ist, dass sie meine Seele in ihrer Hölle sehen wollen. Wenn sie wirklich gute Menschen wären, dann würden sie doch nicht wollen, dass ich leide ... Von mir aus kann jeder glauben, was er will und was ihn glücklich macht. Aber das gibt ihnen nicht das Recht, mich wegen meiner Ansichten zu kritisieren und sich auszumalen, ich würde nach meinem Tod irgendwo gequält werden.

Ihr habt für das Album bei Viking Funeral Records unterschrieben, hinter dem Fletcher Dragge von PENNYWISE steckt – in Deutschland seid ihr auf Concrete Jungle.

Fletcher ist ein Freund der Band, der uns seit Jahren unterstützt. Als wir gehört haben, dass er vorhat, dieses Label zu gründen, kam uns gleich die Idee, das neue Album bei ihm zu veröffentlichen. Der Vorgänger kam auf dem Label von Serj Tankian von SYSTEM OF A DOWN heraus. Serj ist ein netter Typ, aber er hatte keine richtige Vorstellung davon, wo wir herkommen, und sein Label konnte nicht wirklich etwas mit uns anfangen. Natürlich ist es ein kleines Risiko, bei einem ganz neuen Label zu unterschreiben, aber Fletcher ist einfach Punkrock, und uns geht es darum, das machen zu können, was wir wollen.