SKINTS

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London Underground Reggae Style

Das Video zur Single „Rat-a-tat“ machte mich neugierig auf diese Reggae-Band aus London, die gekonnt neuere Genres mit jamaikanischer Musik verbindet. Seit 2007 ist das junge Quartett um Sängerin Marcia Richards aktiv. Anlässlich der bevorstehenden Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Parts & Parcel“ (Bomber Music) mailte ich Marcia einige Fragen, um mehr über diese innovative Band zu erfahren.

Marcia, was geht derzeit so in London ab?

Das Großartige an London ist ja, dass hier immer irgendwas passiert. Modeerscheinungen und Strömungen kommen und gehen, aber egal was, Kultur findest du überall. Bezogen auf Punk, Reggae oder Ska geht es aufwärts. Es gibt derzeit so viele talentierte Bands wie THE KING BLUES oder CAPDOWN, die als Vorreiter der Szene so hilfreich für junge, sehr hart arbeitende Formationen wie die NEW TOWN KINGS, CLAYPIGEON, GECKO oder uns sind.

Wie ging es mit deiner Band los?

Das Wichtigste an uns ist, dass wir uns lange und vor allem sehr gut kennen! Die Herangehensweise an und Vorlieben für Musik sind sehr unterschiedlich, aber genau das sehen wir als unsere Stärke. Wir schaffen mit unserem Wissen, unseren Erfahrungen und den kreativen Möglichkeiten alle zusammen eine musikalisch schlüssige Sache. Wir hatten die Schule noch nicht beendet, als wir auf das Label Do The Dog aufmerksam wurden. Kevin ebnete uns den Weg zu unserem bisherigen Erfolg. Wir haben ihm viel zu verdanken. Auch wenn wir heute nicht mehr auf unsere erste EP hinweisen, weil das Material einfach unausgereift war, spiegelt sie unsere Entwicklung wider. Unsere ersten, selbst organisierten Tourneen sind wichtige Erinnerungen und Erfahrungen für uns. Viele der Bands und Veranstalter, die wir in den Jahren kennen gelernt haben, sind zu echten Freunden geworden und haben uns immer wieder unterstützt. Nach unserer ersten längeren Tour als Support für THE KING BLUES im Oktober 2008 nahm uns Ian von Hidden Talent Booking unter seine Fittiche, und ab diesem Zeitpunkt lief es immer besser.

2010 kam dann euer erstes Album „Live, Breathe, Build, Believe“. Du hast die Platte deiner 2009 verstorbenen jüngeren Schwester Roanna gewidmet.

Roanna beeinflusst immer noch all mein Tun, egal, was ich mache und wo ich bin, mit oder ohne Band. Roanna wurde beim Überqueren einer Straße von einem Auto erfasst. Sie erlag einen Tag nach dem Unfall ihren Verletzungen. Sie wurde nur 13 Jahre alt. Roanna hat mich an Bands wie REEL BIG FISH, LESS THAN JAKE oder SUBLIME herangeführt. Sie spielte mir Willy Mason und WEEZER vor und sie hatte einen immensen Einfluss auf THE SKINTS. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Deshalb haben wir ihr auf unserem ersten Album ein Stück gewidmet und alles, was noch kommen wird, geschieht in ihrem Namen.

Die Aufnahmen zu „Parts & Parcel“ habt ihr mit Hilfe eurer Fans finanziert. Was erwartet ihr angesichts einer sich wandelnden Musikkultur von einem Label im Jahr 2012?

Das war wirklich großartig. Wir wussten ja selbst nicht, wie unsere Kampagne auf pledgemusic.com laufen würde. Gute Plattenaufnahmen sind ein teures Unterfangen. Und dann fragen wir noch unsere Fans, ob sie uns ihr hart verdientes Geld anvertrauen, ohne zu wissen, was sie erwartet. Aber die Resonanz war überwältigend. In nur elf Tagen hatten wir das Geld zusammen. Nie hätte es dieses Album gegeben, wenn uns nicht unsere Fans das vollste Vertrauen entgegengebracht hätten. Das verdient unseren höchsten Respekt. Von einem Label erwarten wir, dass man uns weder bei unseren Entscheidungen reinredet noch bei irgendetwas kontrollieren will, was aber jetzt nicht bedeutet, dass wir gegen ein Label wären. Wir wissen doch alle, wie hart es ist und wie viele Faktoren zusammenpassen müssen, um eine Platte zu veröffentlichen. Da ist es durchaus hilfreich, wenn man dabei Unterstützung hat. Aber wir sind glücklich darüber, dass wir das alles noch selbst bewerkstelligen können. Mit unserem kleinen Label und einem tollen Team im Rücken haben wir alle kreative Freiheit. Wir sind der Meinung, dass wir so auf dem besten Weg sind, um so noch einiges erreichen zu können.

„Part & Parcel“ hat neben Reggae und Punk einige moderne Einflüsse. Eure Single „Rat-a-tat“ oder „Soundboy“ sind ziemlich unverwechselbar, während der Rest doch eher traditionell ist und an bekanntere Vertreter erinnert.

Es gibt hier nach wie vor einen funktionierenden und wieder wachsenden Underground, der sich für die Verbindung von jamaikanischer Musik und Punkrock begeistert. Wir schätzen uns glücklich dazu zu gehören. Wir versuchen nicht, andere Bands zu kopieren, dadurch würden wir unsere Musik verwässern und die Authentizität verlieren. Und das ist wahrscheinlich der häufigste und schlimmste Fehler, der heute in der Reggae-Musik gemacht wird. Diese beiden genannten Stücke sind in ihrer Art die modernsten auf dem Album und stark beeinflusst von der Londoner Grime-Szene, auch wenn das Stück einem etwas älteren Stil entspricht. „Rat-a-tat“ schrieb ich vor längerer Zeit für mein Nebenprojekt BITMUCH. Das Stück arbeitet mit Dubstep-Bass und Sounds alter Videospiele. Wir erarbeiteten uns eine Bandversion, und da unser Produzent Prince Fatty „Rat-a-tat“ sofort als perfekte Single sah, steckte er mehr Zeit in den Mix als beim Rest der Platte. „Soundboy“ ist so ein typischer „sound clash“ und ist einem der wichtigsten und berühmtesten Orte der Londoner Reggae-Kultur gewidmet.

Im Kontext eurer Platte redet ihr von einer „Arbeitsweise in Punkrock-Ethik“. Was versteht ihr darunter?

Unsere ersten Tourneen haben wir selbst organisiert. Wir hatten all unseren Kram in unserem Fiat und neben der Schule spielten wir, so oft es möglich war, um uns eine Fanbase, die Loyalität und den Zusammenhalt anderer Bands, die auf ähnlichem Niveau Musik machten, zu erarbeiten. Während unserer Tour mit THE KING BLUES lernten wir von ihnen das nötige Know-how Das Musikgeschäft ist ziemlich hart, trotzdem wollen wir uns hier behaupten. Also arbeiten wir daran, um alles nach unseren Vorstellungen umsetzen zu können.

In der Reggae-Kultur wird immer wieder das alttestamentarische „Babylon“ zitiert, von dem ihr in euren Texten auch immer wieder Gebrauch macht. Warum?

Babylon betrachten wir synonym für die Rastlosigkeit, die Dekadenz und die Korruption in London. Da gibt es mehr Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Gewalt, als uns lieb ist. London ist für uns eine Art Babylon. Wir sind nicht religiös. Zwar verbindet uns ein tiefes Gefühl für Reggae-Musik, aber wir haben nun wirklich nichts mit der Rastafari-Bewegung zu tun.

Wann kommt ihr zu uns nach Deutschland?

Im Mai! Wir werden STATE RADIO auf ihrer Europatournee begleiten und neben Deutschland auch in Österreich und in der Schweiz gastieren. Wir freuen uns auf euch.