BONE IDLES

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Tuff guys need pink

Wenn sich anerkannte Szeneveteranen aus Karlsruhe zusammentun, die in diversen Bands – unter anderem SO MUCH HATE, BAFFDECKS, WAR STREET – unterwegs waren oder sind, und unter dem Namen BONE IDLES eine erste 10“, „Beware Of ... The Wolf In Sheeps Clothing“, veröffentlichen, sollte einem das schon ein Interview wert sein. So traf ich mich mit Ün und Michel (beide Gitarre), Monne (Drums) und der norwegischen Hardcore-Legende Gunnar (Gesang) bei Horn, dem Bassisten, wo allerlei Trinkbares aufgefahren wurde und der Abend demzufolge ziemlich angenehm verlief und in der Alten Hackerei endete.

Nein, eine All-Star-Band seien sie auf keinen Fall, sondern hätten eine Besetzung gefunden, die dem Idealzustand von „Band“ nahekommt: „Das ist alles sehr zufällig geschehen, wie eine Fügung des Schicksals. Ziemlich schwülstig, aber das trifft es recht gut“, so der allgemeine Tenor.

Die Frage, ob sich die BONE IDLES als politische Band sähen, wird ebenfalls weitgehend verneint: „Natürlich kommen wir alle aus der Punk/Hardcore-Szene und sind deswegen politisch links geprägt, aber als explizit politisch im Sinne von SLIME würden wir uns nicht sehen.“ Wenn es doch mal zu politischen Aussagen kommt, herrscht allgemeiner Konsens. „Und wenn es trotzdem Diskussionen gibt, schreibe ich die Texte einfach auf Norwegisch, das versteht eh niemand“, sagt Gunnar lachend.

Auch die Frage, ob hinter der Kritik an der Kirche, die sich zum Teil in Songs und vor allem dem Artwork äußert, ein Konzept steckt, wird von Gunnar verneint. „Die Covergestaltung hat sich so ergeben. Der Missbrauchsskandal in diversen kirchlichen und sonstigen Einrichtungen war gerade in den Medien sehr präsent und hat unseren Basser Horn zu dem Coverkonzept und den Zeichnungen inspiriert. Aber das ist jetzt nicht speziell nur auf die Kirche gemünzt. Kindesmissbrauch ist nicht tolerabel, egal, wer ihn begeht. Deswegen: Vorsicht vor dem Wolf im Schafspelz, auch in Kirchenkluft.“

„Ich würde uns nicht einmal als kirchenfeindlich sehen“, fügt Ün an, womit er sofort lautstarken Protest bei den übrigen Bandmitgliedern hervorruft. „Ich bin eher dörflich geprägt, da gehörte die Kirche eben dazu. Ich war Messdiener, ebenso viele meiner Freunde. Darunter auch Langhaarige und welche mit gutem Musikgeschmack. Man hat viel zusammen unternommen. Es war eine gute Gemeinschaft und Solidarität, so wie ich sie später auch in der Punk-Szene wiedergefunden habe.“

„Später“ ist ein gutes Stichwort, wurden die BONE IDLES doch von einem Kollegen im Trust-Fanzine in einer Rezension ziemlich verrissen und als Ü40-Wochenendprojekt geschmäht. „Als wir die EP in Son Serra de Marina auf Mallorca einspielten“, erinnert sich Ün, „stand im Studio ein Karton mit alten Trust-Ausgaben herum. Es waren die ersten zehn Nummern aus den Achtzigern, und darin befand sich lustigerweise ein Interview mit KAFKA PROSESS, eine von Gunnars alten Bands. Das Interview war von 1985 und ist somit zwei Jahre, bevor unser Schlagzeuger überhaupt geboren war, entstanden. Soviel zu Ü40, aber stimmt, zumindest einer von uns ist schon soweit. Natürlich muss man uns nicht automatisch abfeiern, nur weil wir alte Säcke sind und ,nostalgischen‘ Sound machen, das ist eben die Musik, die wir mögen. Hardcore, Punk, und ab geht’s.“

Dabei passt auch das jüngste Bandmitglied perfekt ins Gefüge. „Monne ist meiner Meinung nach der beste Hardcore-Drummer überhaupt“, stellt Ün ironiefrei fest. „Jeder von uns hat seine ganz persönliche und zeitlich etwas andere Geschichte im Hardcore und Punk. Angefangen in den frühen Achtzigern bis heute. Wir sind schon von den ganzen frühen Hardcore-Bands stark beeinflusst, vor allem die frühen amerikanischen Bands, 77er Punkrock, Crust-Sound, wir mögen sogar BIOHAZARD, aber nur die erste Platte und ,Mata Leao‘. Metal hören wir auch gerne, der hat aber keinen großen Einfluss auf unsere Musik, auch wenn manche Riffs sehr metallisch sind.“

Um klarzustellen, dass der unterschiedliche Hintergrund die bandinterne Harmonie („Die beste Band, die wir je hatten“, „Es macht wahnsinnig viel Spaß“, sind zwei der häufigsten Sätze an diesem Abend) nicht stört, führt Ün noch ein weiteres Beispiel an: „Für uns gehören Fußball und Punkrock zusammen. Außer Horn, der sich dafür nicht interessiert, sind wir alle große Fußballfans, und jeder für einen anderen Verein: Monne KSC, ich bin FCKler, Gunnar ist Dortmund-Fan und Michel für die Bayern. Ja, wir haben ein Bandmitglied, das mit Leib und Seele Bayern-Fan ist, einer der meist gehassten Vereine in Deutschland. Ich finde, das ist auch Punk. Die unterschiedlichen fußballerischen Neigungen führen des Öfteren zu Frotzeleien, an die Gurgel gehen wir uns aber nicht“.

Live waren die Herren in diesem Jahr auch schon recht aktiv: Freiburg, Basel, Duisburg, Oslo, um nur einige Stationen zu melden. Eines der Highlights war nach den Aussagen der Jungs auf jeden Fall das Aufeinandertreffen mit Helge Schreiber, Ex-Ox-Autor und Verfasser des grandiosen Buchs „Network of Friends“, über die Hardcore/Punk-Szene der Achtziger. Nach einem geilen Gig im Djäzz zu Duisburg hatte man noch die Nacht in Helges Privaträumen mit dem Austausch von „ollen Kamellen“ zugebracht. Dort war auch die Idee entstanden, bei dem Gig in Oslo – anlässlich des 30-jährigen Blitz-Jubiläums, eines autonomen Zentrums – einen zweiten Song von Gunnars alter Kapelle KAFKA PROSESS ins Live-Set aufzunehmen, neben „Mental ut av balanse“ nun auch noch „Disipline“, was seine Wirkung nicht verfehlte: laut Ün sorgte der Song für Pogo, gereckte Fäuste und Mitsingen ohne Ende.

„Das Oslo-Wochenende ist unvergesslich. Zum Gig fliegen und dann noch so abgefeiert werden, ein Hammergefühl. Die Party drumherum, drei Tage lang, war auch nichts für Waisenknaben. Die Stadt an sich war auch nicht verkehrt. Nachdenklich machte uns das Regierungsgebäude mit etwas Blumenschmuck und Bauzaun drumherum. Das hatte man ja versucht, in die Luft zu sprengen. Herr Breivik saß direkt in Sichtweite von unserem Pennplatz im Osloer ,Fengsel‘ ein und wartete Tag für Tag auf seinen Prozess. Das Gerichtsgebäude haben wir zu Fuß auch passiert. Auch hier: extrem viel Blumenschmuck von Osloer Bürgern, der an die vielen Opfer des Amoklaufs erinnert. Sehr beeindruckend, das so aus der Nähe gesehen zu haben. Beeindruckend und beklemmend.“

Noch eine kleine Anekdote zum Schluss, Gunnar betreffend: Ich kenne wohl keinen Szeneveteranen, der dermaßen ungehemmt seine eklige Liebe zu den Schulmädchen-Gothrockern HIM zur Schau stellt, inklusive Rückenaufnäher auf der Jeanskutte. „Ich mag Jungs mit Make-up“, meint er dazu. „Tuff guys need pink.“