DONOTS

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Once More With Feeling

Die DONOTS aus Ibbenbüren befinden sich nunmehr in ihrem 18. Lebensjahr als Band. Nach überwundenen Existenzängsten der „Got The Noise“-Ära und dem Bruch mit dem damaligen Major(sub)label Gun Records kam es bei den Ibbenbürener Jungs zur fast schon obligatorischen stilistischen Neuausrichtung unter Regie von Kurt Ebelhäuser, welche seitdem kreativen Output initiierte, der seinesgleichen sucht. Nun erscheint mit „Wake The Dogs“ der neunte Longplayer, auf dem sich die DONOTS mit einer deutlichen CLASH-Affinität und Achtziger-Jahre-Gestik wieder einmal neu erfinden möchten. Das Schönste daran: obwohl sich die Knollmann-Brüder und Co. abermals ummodeln, bleibt das DONOTS-Gefühlsfundament bestehen, was nicht zuletzt an Ingos Stimme liegt. Erschienen „Coma Chameleon“ und „The Long Way Home“ noch bei dem eigens gegründeten Indielabel Solitary Man Records, gaben sich für „Wake The Dogs“ das Independent- und das Majorlabel Universal die Klinke in die Hand. Warum man nicht immer alles nur schwarz-weiß sehen und mehr Farbe im starren Szenedenken zulassen sollte, erzählten mir Ingo und Guido Knollmann in Guidos WG, einen Steinwurf entfernt vom Gleis 22 in Münster, am Küchentisch bei Bier und Heiterkeit.

Was als Erstes auffällt, wenn man „Wake The Dogs“ hört, ist die allgegenwärtige Unbekümmertheit. Nach den beiden Erfolgsalben „Coma Chameleon“ und „The Long Way Home“ konnte man ja auch annehmen, dass der Erwartungsdruck eine gewisse Leichtigkeit dämpft oder?

Ingo: Ab der „Coma Chameleon“-Ära und der Initialzündung durch Kurt Ebelhäuser, die gewissermaßen einen Bruch gegenüber dem, was wir früher gemacht haben, darstellt, sprechen wir ganz gerne von „Donots 2.0“. Seit dieser Platte ist irgendwie dieses Feuer total da, dass wir uns mit jeder Platte komplett neu erfinden möchten und irgendwie alles vor allem auch erst mal zulassen, an Riffs und den Moment. Zu gucken, was braucht jeder einzelne Song und nicht das ganze Album. Und so jeden einzelnen Song auf den Punkt zu bringen und zu überlegen: Hm, braucht der Song jetzt zum Beispiel Bratgitarre? Deswegen war es so lustig, als wir dieses Mal im Studio gearbeitet haben. Wir haben auf der einen Seite geguckt, welche Spuren man auch ausmachen kann und ob der Song dadurch nicht auch viel druckvoller wird, und auf der anderen Seite war das Aufnehmen wirklich so, dass wir ein Mikro immer offen auf dem Mischpult liegen hatten. Sobald wir so ein Grundgerüst fertig hatten für einen Song, hieß es dann: „Alles klar, Karaoke-Session, jeder, der eine Idee hat, bölkt die direkt ein.“ So sind ganz viele Momente einfach hängengeblieben und wir haben dann zum Teil die Gesangsspuren aus der Vorproduktion genommen, weil die viel frischer geklungen haben.

Guido: Natürlich haben diese vier Jahre Pause, Zwangspause, uns fast das Genick gebrochen, aber irgendwie war das komplett so mit dem Mittelfinger – leckt uns alle am Arsch, wir machen das jetzt einfach. Zumal: in den vier Jahren habe ich, ich kann da nur von mir sprechen, ganz andere Sachen gehört als früher. Früher haben wir nur Pop-Punk gemacht und ich habe nach diesen vier Jahren dann gemerkt, dass ich nicht schon wieder Bock habe, so eine Platte zu machen, weil die Alben „Pocketrock“, „Amplify The Good Times“ und „Got The Noise“ alle sehr in eine Richtung gingen, was uns aber erst später aufgefallen ist. Eigentlich ist das immer nur ein Stiefel gewesen. Nur jetzt muss ich sagen, ich finde es um so interessanter, wenn du jetzt in den Proberaum gehst und sagst: Oh meine Güte, wo landen wir denn heute? Wenn irgendwas Cooles kommt, lass uns einfach in die Richtung segeln. Lass dich einfach von dem Song steuern und steuere nicht den Song.

Zwischen den drei letzten Alben, „Wake The Dogs“ eingeschlossen, bestand immer ein gewisser Unterschied, trotzdem wirkte alles wie aus einem Guss.

Ingo: Das ist das Schönste daran, dass wir das sagen können. Denn es kann ja auch ganz schnell mal sein, dass so eine Platte zerfahren wirkt. Aber in unserem Fall ist es irgendwie nicht so, aber das liegt mit Sicherheit auch daran, dass wir zu einem gewissen Prozentsatz trotzdem scheiße bleiben. Das ist, ehrlich gesagt, auch ein Kompliment an eine Band, wenn man eben nicht hundertprozentig gut zusammen zockt. Sonst ist es ganz schnell so ein geleckter ALL-AMERICAN REJECTS-Haufen, wo ich mich immer frage: „Wie schafft ihr es, jegliche Emotionen aus einer Platte rauszuproduzieren?“ Das ist unfassbar. Schöner ist dann wirklich, sagen zu können, dass wir uns jetzt im 18. Bandjahr viel mehr auf unsere Wurzeln und Lieblingsbands zurückbesinnen und solche Sachen wie THE CLASH viel mehr zum Tragen kommen.

Man könnte auch meinen, dass Guido sich niemals wohler beim Singen gefühlt hat, als bei „Born a wolf“. Hattest du maßgeblichen Anteil an diesem CLASH-Einfluss?

Guido: Das ist auch wieder einfach so passiert. Im Grunde genommen nimmst du zu Hause erst mal mit der Garage-Band-Software auf und kannst ungefähr sagen, in die Richtung geht es, und im Endeffekt wird es wieder ganz anders. Und da waren nur ein paar Brocken dabei, die so „clashig“ waren, aber wir haben gemerkt, dass das gut ist, und dann wollten wir mehr in die Richtung gehen.

Auch wenn „Wake The Dogs“ nachdenkliche Momente besitzt wie in „Come away with me“, herrscht allgemein ein ziemlich positiver Grundton und eine Art Aufbruchstimmung. Kann man das auch auf den Albumtitel übertragen?

Ingo: Ja, so ein bisschen sicherlich schon. Aber wir gehen da nicht so stoisch heran, dass wir irgendeiner Message gerecht werden müssen. Lustigerweise ist es aber auch etwas, das wir jetzt schon öfters gehört haben. Also scheinst du damit ganz richtig zu liegen und von daher scheinen wir auch den Albumtitel richtig gewählt zu haben, haha. Wir gehen da immer ganz westfälisch heran, weißt du? Was wir von unserem Dad mitbekommen haben, als wir noch Kids waren: „Ey, wenn du willst, dat was passiert, dann machet selbst.“ Und das kann man sich durchaus im positiven Sinne bewahren, finde ich.

Vielerorts hört man immer wieder: „Das ist das beste Material, welches wir je geschrieben haben!“ Wie kann man sich nach den letzten Jahren immer wieder gerecht werden, und inwieweit könnt ihr euch mit dieser Maxime identifizieren?

Guido: Es wäre ja schlimm, wenn man sagt: Das ist die viertbeste Platte, die wir je gemacht haben, haha.

Ingo: MGMT haben sich bei der letzten Platte, schon bevor sie überhaupt veröffentlicht war, bei ihren Fans entschuldigt, von wegen die Platte sei nicht so gut geworden, haha.

Guido: Ja, das ist schon wieder richtig geil, haha. Nee, bei uns ist es so, dass du da selber diese Frische hast, bezogen auf die letzten drei Platten, so dass du dir denkst: „Wow, das können wir auch?“

Ingo: Ich sage mal, die alten Fans wollen immer die alte Band haben. Das gibt es ja ganz oft. Ich kann das niemandem verübeln, aber ich finde, das dürfen nur die Genrepioniere wie AC/DC, BAD RELIGION oder RAMONES. Bei allen andern Bandsmus man ein gewisses Maß an Voranschreiten irgendwie erkennen.

Wie macht ihr euch, besonders nach den letzten Jahren, tagtäglich klar, dass das alles nicht selbstverständlich ist, was ihr erlebt? Wie „erdet“ ihr euch?

Guido: Wenn ich zum Beispiel mit Kollegen von mir rausgehe und ich dann morgens um elf Uhr aufwache mit einem Kater, dann denke ich mir: „Boah, verdammte Scheiße, meine Kollegen müssen jetzt arbeiten.“ Wenn sie überhaupt Arbeit haben. Ich kann mich mit meiner Musik befassen, wie klasse ist das denn? Dass man die Freiheiten hat, sein eigener Chef zu sein und das zu machen, wozu man Bock hat. Das ist ja immer noch der Motor der Band, wir haben ja angefangen aus der Mischung von Wir-haben-Bock-auf-Mucke und Wir-haben-Langeweile-in-Ibbenbüren. Ist gibt mehrere Dinge, die du nicht für selbstverständlich halten darfst. Erst mal, dass man das machen kann und dass man auch in dem Sinne davon leben kann. Und nach 18 Jahren immer noch diese Frische zu haben und zu wissen, dass es nach wie vor das Richtige ist, was wir wollen, das ist doch ein Mördergeschenk.

Ingo: Wir nehmen das alles nicht für selbstverständlich. Es ist jedes Mal auch so, dass wir vor jeder Show, vor jeder Tour wie ein kleiner Kindergarten wirken. Alle schreien „Yeah, bald geht’s los!“ Dass du das nach 18 Jahren noch sagen darfst, ist toll. Vor allem haben wir den schlechtesten Humor der Welt. Das versteht nur unsere Band und unsere Crew so ungefähr, und alle anderen haben immer nur ein Fragezeichen im Gesicht. Aber genau das ist dieses Ding, das ist der Moment, der immer noch so sauwichtig ist.

Guido: Wenn wir bald losfahren und so langsam dann die ganze Crew ankommt, stehen wir da erst mal in der Runde und labern sofort Kacke. Du denkst dir nur: „Wir sind alle über 30 und benehmen uns wie die Blagen.“

Ingo: So musst du dir das eigentlich jeden Tag vorstellen. Wir müssen uns das gar nicht frisch halten. Ich muss mich nicht peitschen. Das ist einfach der pure Wahnsinn und wir sind glücklicherweise immer noch nicht satt. Das ist schön. Ich glaube, etwas anderes war auch echt wichtig: Nachdem damals „Got The Noise“ erschienen war und wir uns bei Gun Records rausgeklagt haben, diese vier Jahre in der Schwebe, als unklar war, wie es weitergehen würde, dass wir es noch einmal von der Pike auf selbst gemacht haben. Die ersten fünf Jahre Mitte bis Ende der Neunziger haben wir ja selbst gebucht, wir haben die Platten selbst rausgebracht und den ganzen Scheiß. Das heißt, es ist uns nicht fremd gewesen. Aber das ist auch wieder eine ganz gute Erdung gewesen, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber dann mussten wir uns erneut hocharbeiten. 2011 war dann das Jahr mit den meisten Zuschauern. Lass es zur Zeit der „Coma Chameleon“ 150 Leute gewesen sein, heutzutage sind es 1.500 oder 2.000 Leute pro Show. Extrem viel mehr, als vorher. Das ist natürlich toll, wenn du dir selbst auf die Schulter klopfen kannst.

Ingo, du hattest eben schon das Stichwort gegeben: Nach zwei Veröffentlichungen in Eigenregie via Solitary Man Records erscheint der neue Longplayer nun in Zusammenarbeit mit Universal. Was hat euch dazu getrieben, nochmals diesen Schritt zu gehen und mit einem Majorlabel zusammenzuarbeiten?

Guido: Im Endeffekt war es einfach so, dass es mit der letzten Platte mörderisch viel Arbeit wurde. Mir ist es sehr auf den Keks gegangen, obwohl ich organisatorisch am wenigsten mache, dass wir weniger zum Proben kamen und die ganze Zeit mehr am Rumschreiben waren. Ganz ehrlich, ich habe mit der Band nicht angefangen, um den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen, sondern um Musik zu machen. Schließlich haben wir gemerkt, dass wir das alleine nicht mehr stemmen können und uns das alles zu heftig wird. Zufällig haben sich zur gleichen Zeit die Plattenfirmen für uns interessiert.

Ingo: Lustigerweise haben wir zuerst gedacht, dass das für uns gar nicht in Frage kommt. Wir haben das mit den letzten beiden Alben von Grund auf alles selbst gemacht, bis das Ding in den Läden stand. Wir machen auch jetzt noch ultraviel, wir sind einfach Kontrollfreaks. Ich will das auch gar nicht so sehr aus der Hand geben. Aber als wir dann für die erste Session ins Studio gegangen sind, kamen ganz viele Anfragen von diversen Labels, groß und klein. Darüber hatten wir noch gar nicht nachgedacht. Als die Platte dann fertig war, sind wir dann mal „shoppen“ gewesen, um einfach zu schauen, was so geht. In den meisten Fällen war es aber wirklich so, dass wir uns dann mit denen getroffen haben und so sehr auf Augenhöhe gesprochen – sie wussten halt von unserer Labelhistorie –, dass die großen und auch kleinen Labels erst mal überlegen mussten, ob eine Zusammenarbeit überhaupt Sinn macht, was für einen Mehrwert sie uns anbieten können, abseits davon, was wir eh schon können. Wir haben uns aber am Ende noch nicht einmal für das lukrativste Angebot entschieden, weil das nicht der ausschlaggebende Punkt war. Der war vielmehr, wie wir es hinkriegen, mehr Fokus auf die Bandarbeit als solche zu legen, und nicht die ganze Zeit nur Label zu sein. Und ob wir gute Leute finden, denen wir vertrauen und denen wir Arbeit in die Hand geben können. Die Leute von Universal, die letzten Endes den Zuschlag bekommen haben, um zusammen mit uns und Solitary Man das Album rauszubringen, das sind zum Teil alte Freunde, die wir schon seit Ende der Neunziger kennen. Alte Tourmanager von damals, keine Fremden. Ich sage auch nicht, dass das mit Gun durch die Bank weg scheiße war. Wir waren ja noch jung. Heute sind wir an einem ähnlichen Punkt, haben aber so viel mehr dazugelernt, dass wir sagen: Bis hier ist das unser Baby, den Rest an Arbeit geben wir ab. „Once more with feeling.“, haha. Das Schönste daran ist, dass wir privat mit unserer Kohle nicht im Risiko stehen. Du musst dir das mal reinziehen, wenn damals bei„Coma Chameleon“ der Song „Stop the clocks“ nicht so in die Breite gegangen wäre, dann hätten wir echt arbeiten gehen müssen.

Ist dieses Modell nicht sogar der perfekte Kompromiss, also dass sich Indie- und Majorlabels unter die Arme greifen, anstatt einander zu verteufeln? MUFF POTTER beispielsweise haben es ja schon bei ihrer Veröffentlichung von „Von Wegen“ so angestellt.

Guido: So schwarz-weiß – Indie: gut, Major: böse – sehe ich es nicht. Ob es für uns so weitergeht, ob es Sinn macht, sehen wir einfach. Aber bis jetzt fühlt sich alles gut an, weil die Leute dieselbe Sprache sprechen wie wir. Ich war echt skeptisch am Anfang. Aber ich fand es super festzustellen, dass wir mit den Leuten wie mit Kollegen umgehen können, das sind keine Anzugschnösel. Das sind Leute, die Bock auf Musik haben.

Ingo: Flachzangen findest du bei großen und kleinen Labels, letzten Endes kommt es doch darauf an, ob du Leute findest, mit denen du am gleichen Kabel ziehen kannst und ob du das Ganze auf eine Art machen kannst, die vertretbar ist. Gleichzeitig muss das ja nicht heißen, wenn du zu irgendeinen großen Label wechselst, dass du auf einmal zu allem „Ja und Amen“ sagst. Davon sind wir weit entfernt. Mit uns ist gar nicht so einfach zusammenzuarbeiten. Wir sind Kontrollfreaks und wir machen uns in der Tat sehr viele Gedanken über alles. Die große Angst bei Majors war immer, dass sich auf einmal keiner mehr für dich interessieren könnte. So geschehen damals bei SAMIAM, als „Clumsy“ via Atlantic rausgekommen ist. Wir haben uns auch deswegen für Universal entschieden, weil die Rockabteilung, also die Leute, die da bearbeiten, zwischen sieben und zwölf Jahren dabei sind. Das sind übrigens die Leute, die damals auch MUFF POTTER bearbeitet haben, in der Tat. Von daher gute Leute.

Habt ihr eine Vorahnung, wie sich die Labelarbeit in den kommenden Jahren verändern wird?

Ingo: Dass es heutzutage der Zeitgeist ist, auf Social Networks zu setzen, ist Fakt und damit muss man sich arrangieren. Ich bin mal gespannt, wie lange der Tonträger als solcher noch eine relevante Rolle spielt. Diesen Retrotrend, den gibt es ja immer mal. Ich glaube, so eine Liebhabernische wird es immer geben. Die kannst du ja auch immer befüttern. Ich schätze, dass sich die Schere weiter öffnen wird, so dass die einen Leute nur noch Streaming-Dienste wie Spotify nutzen und die anderen sind die Die-hard-Fans, denen du wirklich nur wertiges Material verkaufen darfst. Weil sie belohnt werden müssen, dass sie überhaupt noch kaufen.