MAYBESHEWILL

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Instrumental soundscape weavers

Besonders im Post-Rock-Bereich gibt es immer wieder Bands, deren Musik so vielfältig ist, dass sie sich für mich erst nach mehrmaligem intensiven Hören vollständig entfaltet. Diese Bands sind es aber auch, die mir dann am längsten in Erinnerung bleiben und in deren Liedern ich immer neue Facetten entdecken kann. So auch die instrumentalen MAYBESHEWILL aus Leicester, die durch den Einsatz von programmierten elektronischen Samples und eingespielten Streichinstrumenten ihren komplett eigenen Sound kreieren. Vor ihrem monumentalen Auftritt im Wiener B72 hatte ich die Gelegenheit, mich mit John (Gitarre), Robin (Gitarre) und Jamie (Bass) über ihre Musik zu unterhalten.

Für mich ist es immer spannend, mit welchen Mitteln Instrumentalbands ihre Ansichten und Meinungen transportieren. Ihr lasst in einigen Liedern parallel zur Musik eingespielte Filmzitate laufen. Wie hat sich diese Idee entwickelt?

Robin: Wir schauen einfach alle gerne Filme, sind aber alles andere als Experten auf dem Gebiet. Das Material, das in unseren Liedern auftaucht, stammt aus Filmen, die wir gemeinsam gesehen und die uns gefallen haben. Die Szenen, die uns besonders inspiriert haben, wurden dann einfach für unsere musikalische Arbeit verwendet.

Durch die Monologe und Diskussionen, die ihr ausgewählt habt, wird ziemlich deutlich, dass ihr mit der gesellschaftlichen Situation ziemlich unzufrieden seid: ihr kritisiert die Medien, greift das chaotische Wirtschaftssystem an und ruft zum Protest auf.

Jamie: Die Zitate spiegeln definitiv unsere Gedanken und Gefühle über verschiedene Themen wider, zu denen wir relativ extreme Ansichten haben. Es gibt aber nicht so etwas wie eine einzelne, ultimative Botschaft, die wir vermitteln wollen. Es läuft eine Menge schief in unserer Gesellschaft, und einige Aspekte davon haben wir in unsere Musik integriert.

John: Wir stehen alle für sehr linke Ansichten ein. Das gehört zu unserer Persönlichkeit, deshalb gehört es natürlich auch zu der Band. Wir wollten unsere Meinungen aber niemals irgendjemandem aufzwingen. Wir haben die einzelnen Samples gewählt, weil sie alle sehr interessante Fragen zu verschiedenen Probleme aufwerfen, und eben keine endgültige Aussage oder Wahrheit vermitteln wollen. Ganz generell ist es aber auch einfach schön, zusätzlich zur Musik noch eine andere Schicht einbringen zu können.

Es kommt mir so vor, als würdet ihr euch mit jedem neuen Album selbst wieder neu erfinden.

John: Uns wird sehr schnell langweilig, haha.

Robin: In den meisten Fällen ist ein neues Album eine Reaktion auf seinen Vorgänger. Es stimmt aber, was John sagt: uns wird schnell langweilig, wir wollen unseren Sound stetig weiterentwickeln. Unser zweites Album „Sing The Word Hope In Four-Part Symphony“ haben wir nach einer ziemlich langen gemeinsamen Tour mit AND SO I WATCH YOU FROM AFAR geschrieben. Es wurde also sehr stark von den Erlebnissen und Erfahrungen mit den Jungs auf der Tour beeinflusst.

John: Ein großer Teil unseres allerersten Albums war gar nicht wirklich dafür geschrieben, live aufgeführt zu werden. Also hatten wir nach dem langen Touren das Gefühl, mehr Songs schreiben zu müssen, die wir bei Konzerten besser rüberbringen können. Und genau das haben wir mit unserem zweiten Album umgesetzt.

Robin:[/b] Unser drittes, aktuelles Album „I Was Here For A Moment, Then I Was Gone“ entstand dafür wieder mehr durch Zuhause-Sitzen und Komponieren als durch gemeinsames Jammen.

Ihr habt zeitgleich mit der Band euer eigenes Label gegründet, Robot Needs Home. Welche Rolle spielt dieser D.I.Y.-Gedanke mittlerweile noch?

John: Anfangs haben wir tatsächlich sämtliche Bandaktivitäten ausschließlich über Robot Needs Home abgewickelt. Dadurch dass wir in letzter Zeit so unglaublich viel unterwegs sind, gibt es mittlerweile Leute, die uns helfen, besonders beim Buchen von Touren. Aber wir managen uns als Band nach wie vor selbst und arbeiten für unsere Veröffentlichungen nur mit kleinen Indielabels zusammen, sowohl Field als auch Function Records bestehen jeweils aus einem einzigen Typen, der irgendwo in seiner Wohnung sitzt und Platten rausbringt. Wir bemühen uns also immer noch, alles in einem möglichst kleinen und persönlichen Kreis zu halten.

Habt ihr das Gefühl, dass sich das auch bezahlt macht, oder wäret ihr mittlerweile weitaus bekannter, hättet ihr bei einem Majorlabel unterschrieben?

John: Ich glaube nicht, dass uns irgendein Majorlabel wollen würde, haha. Es ist schwer zu sagen, ob uns unsere Entscheidungen auf längere Sicht zurückgehalten oder mehr Möglichkeiten eröffnet haben. Im Nachhinein weiß man es natürlich immer besser, aber ich glaube eigentlich nicht, dass wir irgendwelche Chancen nicht wahrgenommen haben, die uns geboten wurden. Ich glaube, wir haben uns soweit gut geschlagen, indem wir immer nur das gemacht haben, was uns gefallen und Spaß gemacht hat. Jeder von uns hat außerhalb der Band einen Nebenjob, wir sind weit davon entfernt, von der Band leben zu können, und manchmal ist es ein ziemlicher Kampf durchzukommen. Aber die Musik ist das allemal wert.

Ich kann mir auch vorstellen, dass es ziemlich schwer ist, eine große Anzahl von Hörern zu erreichen, wenn man einerseits so komplexe Musik spielt und noch dazu diesem D.I.Y.-Ansatz treu bleibt.

John: Es wird durch Internet und die globale Vernetzung immer leichter. Natürlich ist es schwierig, wenn du nicht tausende Pfund für Marketing und Pressepräsenz zur Verfügung hast. Allerdings ist es immer noch ein riesengroßer Schritt von unserem jetzigen Stand zu diesem Level. Also auch wenn wir auf einem etwas größeren Indielabel wären, würden wir wahrscheinlich ungefähr dieselbe Zahl von Leuten erreichen wie jetzt. Große Massen anzusprechen ist wirklich, wirklich schwer.

Jamie:Außerdem ist unsere Musik sowieso alles andere als jedermanns Geschmack, deshalb ist Marketing wahrscheinlich nicht so existenziell notwendig.

Ihr erscheint im Bezug auf eure Rhythmussektion ziemlich unstet, nachdem ihr in den letzten Jahren mehrmals Bassisten und Schlagzeuger gewechselt habt. Wie kommt’s?

Robin: In eine Band wie MAYBESHEWILL einzutreten, ist eine Sache, die mehr Kraft kostet, als man sich vorstellen kann. Du musst ziemlich viel aufgeben, um das wirklich durchziehen zu können. Dass die Band einen solchen Zeitaufwand bedeutet, haben einige Leute eben erst nach einer Weile wirklich wahrgenommen.

Jamie: Aber mittlerweile wirkt die Besetzung sehr solide, wir sind alle total gute Freunde. Es ist im Moment leichter denn je, Teil von MAYBESHEWILL zu sein. Ich habe nicht damit zu rechnen, in der nächsten Zeit rausgeschmissen zu werden, haha.