OFF!

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Short songs, long answers

Das gesamte musikalische Schaffen von OFF! beläuft sich trotz diverser Singles und des titellosen Debütalbums auf gerade mal knapp über 30 Minuten. Wenn es danach ginge, dürfte ein Interview mit Keith Morris auch nur ein paar Minuten dauern und im Heft höchstens eine halbe Seite einnehmen. Der einstige Frontmann von BLACK FLAG und CIRCLE JERKS, der unter dem Namen OFF! gemeinsam mit Steven McDonald (Bass, REDD KROSS), Dimitri Coats (Gitarre, BURNING BRIDES) und Mario Rubalcaba (Drums, ROCKET FROM THE CRYPT, HOT SNAKES) der Liebe zum Faustschlag-gleichen Hardcore-Liedgut im Stile der frühen Achtziger frönt, ist allerdings eine ziemliche Plaudertasche, und so ist Interview-Smalltalk überhaupt nicht seine Sache – und meine auch nicht. Und: Wer etwas von Keith Morris erfahren will, muss ihn ausreden lassen. Wer übrigens noch mehr über OFF! wissen will, dem sei das umfangreiche Interview in Ox #95 empfohlen, zu finden in unserem Online-Archiv.

Keith, bei eurem Konzert in Köln 2011 hast du mich beeindruckt: Trotz offensichtlich starker Schmerzen wegen einer Rippenprellung hast du das Konzert durchgezogen. Was hattest du da angestellt, warum bist du trotzdem aufgetreten?

Ich war kurz zuvor in München unter der Dusche ausgerutscht. Ich konnte kaum atmen, hatte Angst, dass eine gebrochen Rippe meine Lunge verletzt hat, damit wäre die Tour vorbei gewesen. Zum Glück hustete ich kein Blut, so blieb es bei den starken Schmerzen. Aber das war nichts Neues für mich, ich habe auch vorher schon mal mit gebrochenen Rippen gesungen. Vor einem Auftritt mit den MISFITS war ich in einen Autounfall verwickelt, hatte mir am Lenkrad den Brustkorb geprellt. Das war noch, bevor die Autos Airbags hatten. In München also rutschte ich unter der Dusche aus, ein Krankenwagen wurde gerufen, die Sanitäter wollten mich ins Krankenhaus bringen, meinten aber, das würde extra kosten, ich könne ja auch laufen, das Krankenhaus sei die Straße runter. Danach fühlte ich mich aber überhaupt nicht, also brachten sie mich ins Universitätskrankenhaus und ließ mich röntgen, ohne schlimmen Befund. Das Beste aber war die Rechnung: In den USA wäre ich dafür locker ein paar hundert Dollar losgeworden, dort zahlte ich nur ein paar Euro – erstaunlich! Das Problem war jetzt aber, dass direkt nach so einem Unfall der Adrenalinrausch die Schmerzen unterdrückt – die kommen erst zwei, drei Tage später ... Meine Band war begeistert, die dachten, das wäre das Ende der Tour. Aber ich bin nicht der Typ, der wegen so etwas einen Auftritt, eine Tour absagt. Ich bin Diabetiker, mich schockt so was nicht. Ich stand schon unterzuckert auf der Bühne, hatte Blackouts, fiel rückwärts ins Schlagzeug und kam orientierungslos wieder zu mir und wusste meinen Text nicht mehr. Wegen Rippenschmerzen also aufgeben? Nein, ich will doch nicht anderen Leuten den Spaß verderben. Ich bekam ein Schmerzmittel und zog die Sache durch.

Fragt man sich in so einer Situation aber nicht auch, was man sich da antut?

Das ist eher eine philosophische Frage: Warum bin ich hier, warum existiere ich? Über vieles, das wir tun, denken wir nicht nach, und so ist das auch mit dieser Band: Um in einer Band wie dieser zu spielen, braucht es eine bestimmte Mentalität. Da denkt man nicht darüber nach, was für ein Shirt man bei einem Auftritt trägt, ob die Haare okay aussehen, ob die Stimme gut klingt. Das ist nicht meine Art, das ist unwichtig, das interessiert mich nicht. Es ist eher so, dass ich das mit dieser Band mache, weil ich es nicht besser weiß. Ich glaube nicht an einen Gott oder sonst was, aber vielleicht existiert ja irgendwas in diesem Universum, das mich in diese eine Richtung zwängt. Anscheinend gibt es genug Leute, denen gefällt, was ich mache. Das zumindest entnehme ich all den Kommentaren im Internet, die ich von Zeit zu Zeit lese. Klar, da gibt es auch Typen, die voller Hass irgendwas schreiben, aber ich bin schon so lange in Bands, dass ich mich davon nicht abhalten lasse, auf die Bühne zu gehen und alles rauszulassen. Das, was ich, was wir da leisten, darüber habe ich Kontrolle und das muss passen, der Rest ist jenseits meiner Einflussmöglichkeiten, und wenn jemandem die Eintrittspreise nicht passen oder die Bands auf dem Festival – ja, sorry, aber um alles können wir uns eben nicht kümmern. Und man muss lernen, mit so etwas umzugehen. Dabei hilft mir meine Erfahrungen mit einem Entzugsprogramm. Um von einer Abhängigkeit loszukommen, geht man schrittweise vor, und einer dieser Schritte ist, dass man seine Hände in die Luft wirft und alles von sich abfallen lässt. Man muss lernen zu erkennen, dass man nur über bestimmte Bereiche seines Lebens Kontrolle hat. Duschen, Zähneputzen, sich anziehen, und so weiter. Anderes kannst du nicht kontrollieren. Doch wenn man versucht, diese zu kontrollieren, ist das wie ...

... den Mond anzuheulen?

Genau, und zwar ohne ein Werwolf zu sein. Und man wird mit diesen Kontrollversuchen scheitern. Man muss also einfach lernen, mit bestimmten Situationen umzugehen, ohne sich daran aufzureiben, erkennt die Notwendigkeit von Kompromissen. Als Kid willst du davon aber nichts wissen, du willst dich mit Drogen zuballern, bis morgens Party machen, und solange du jung bist, kommst du damit auch irgendwie durch. Aber wenn man „reifer“ wird – ich hasse dieses Wort! – muss man eben erkennen, dass man zwar gegen seine Eltern rebellieren kann, aber nichts an seiner Herkunft ändern kann. Man kann entweder dagegen ankämpfen, ohne dass es was bringt, oder sich damit abfinden, dass man seinem Vater, seiner Mutter ähnlich ist. So ist das eben, es lohnt sich nicht Energie aufzubringen, um dagegen anzukämpfen.

Ein weiser Philosophie, der einen sicher weniger wütend macht.

Ich bin immer noch ein ziemlich wütender Mensch, und das ist ja auch einer der Gründe, weshalb OFF! überhaupt existieren. Es gibt Situationen, in denen es besser ist, die Fäuste gen Himmel zu schütteln und einfach zur Tagesordnung überzugehen, aber manchmal muss man sich auch durchsetzen und seine Überzeugung vertreten.

Teil deiner Überzeugung scheint zu sein, dass Musik hart, schnell und kompakt sein muss. OFF! klingen nicht wirklich anders als die Musik, die du schon Ende der Siebziger gemacht hast.

Die Ursprünge von OFF! liegen nun mal in einem geplanten neuen Album der CIRCLE JERKS. Mein Freund Dimitri trieb uns – die CIRCLE JERKS – als Produzent an, die Sache entweder konzentriert anzugehen und nach 14 Jahren endlich ein Album zu machen oder es ganz bleiben zu lassen. „You either shit or get of the pot“, sagte er. Die Songs, die bei unseren Schreibversuchen herauskamen, waren aber nicht wirklich gut, nicht inspirierend. Und so unterhielt ich mich eines Tages mit Dimitri und sagte zu ihm, ich habe das Gefühl, dass hier irgendwas richtig schiefläuft. Dimitri sagt immer klar seine Meinung, und er hatte seine Hausaufgaben gemacht, so wie Brett Gurewitz von Epitaph es auch mir und Greg Hetson aufgetragen hatte. Du verstehst schon, die Art von Hausaufgaben, die Rick Rubin METALLICA aufgegeben hatte vor ihrem letzten Album: „Hört euch eure ersten Alben an, und wenn ihr das getan habt, kommt ihr zurück und spielt mir die Musik vor, die ihr geschrieben habt.“ Mit BLACK SABBATH hat Rick Rubin das auch getan.

Es geht also um die Rückbesinnung auf das, was man ganz am Anfang seiner musikalischen Laufbahn gemacht hat, was die Band groß machte.

Wenn wir von den BLACK FLAG jener Zeit sprechen, als ich der Sänger war, können wir allerdings nicht von „groß“ sprechen. Als ich die Band verließ, spielten wir nur auf Partys, mieteten hier und da mal einen Saal an, wurden aus den Clubs rausgeschmissen. Wir spielten vor ein paar hundert Leuten im Polliwog Park in Manhattan Beach, inklusive der Familien, die dort Picknick machten. Oder wir spielten in einem leeren Club, der einzige Gast war David Bowie mit zwei Bodyguards. Wir waren damals noch damit beschäftigt, unseren Weg zu finden, uns als Band zu entwickeln, waren begeistert, überhaupt ein Konzert spielen zu können, egal wie viele Leute kommen. Wir waren wütend, deprimiert und frustriert, wir wollten nicht länger schikaniert werden und ließen all das raus. Der Lärm, den wir machten, war unsere Art, „Fuck you!“ zu sagen. Wenn uns jetzt jemand blöd kommen wollte, drehten wir einfach die Lautstärke hoch. Mit OFF! nun war es so, dass Dimitri damals den anderen CIRCLE JERKS den Rat gab, ihre Hausaufgaben zu machen. Er sagte ganz klar, die vorliegenden Songs seien nicht gut genug für ein neues CIRCLE JERKS-Album, wenn man „Group Sex“ und „Wild In The Streets“ zum Maßstab nehme und nicht das bislang letzte Album, das besser niemals gemacht worden wäre. Das wiederum wollten sich die alten Herren nicht von dem jungen Kerl anhören. Sie sind einfach egoistische, arrogante Besserwisser, die alles kennen und wissen und keinen Rat von anderen hören wollen und zudem der Meinung sind, die CIRCLE JERKS-Fans da draußen würden sie sowieso lieben. Das ist eine schreckliche Mentalität, und ich bin froh, dass Dimitri an der Stelle einfach ganz überzeugt gesagt hat: „Nein, das haut nicht hin!“

Ganz schön mutig.

Tja, sie haben ihn dafür ja auch als Produzenten gefeuert – und mir gegenüber noch gesagt, sie wüssten durchaus, dass ich wegen dieser Entscheidung jetzt die Band verlassen würde. Unser ganzes Gespräch dauerte ungefähr drei Minuten, und zum Schluss sagte ich tatsächlich „You know what? I quit!“. Und später an dem Abend liege ich in meinem Bett, koche innerlich vor mich hin, angespannt, voller Adrenalin, und es braucht in solchen Situationen eine Weile, bis man wieder zu sich selbst findet, ruhig wird, seine Gedanken gesammelt hat. Dann kann man wieder klarer sehen, und ich fragte mich, wieso ich, der ich praktisch die CIRCLE JERKS gegründet hatte, die Band verlassen solle. Fuck them, fuck those guys! Ich habe all die Jahre, die die CIRCLE JERKS nichts machten, damit verbracht, als Tellerwäscher zu arbeiten, Platten und Kleidung zu verkaufen und so weiter, und ja, wäre ich motivierter gewesen, hätte ich auch was anderes tun können, studieren oder so. Die anderen Jungs hatten anderes zu tun, hatten andere Bands, aber ich war eben der Sänger, und wenn man sich jetzt überlegt, was der am leichtesten identifizierbare Posten in einer Band ist, dann ist das nicht der Gitarrist, nicht der Song, sondern der Sänger – denke nur mal an Mick Jagger und die ROLLING STONES oder Joey und die RAMONES. Und so kam es zur Idee, als Sänger einfach eine neue Band zu gründen.

Wenn man sich die Reaktionen auf OFF! so anschaut in den letzten zwei Jahren, dann scheint das die richtige Entscheidung gewesen zu sein.

Die letzten beiden Jahre vergingen sehr schnell, wir haben eine Menge gearbeitet – und ich bin jetzt 56 und sollte schon mal an meine Pensionierung denken, haha, aber die kommt sowieso nie. Für OFF! haben sich viele wunderbare Gelegenheiten ergeben. In den Jahren mit den CIRCLE JERKS hatte es immer wieder Angebote gegeben für Touren in Japan, Australien, Europa, aber da wurde nie was daraus, weil Greg Hetson wegen seiner Verpflichtungen als Gitarrist bei BAD RELIGION einfach nie Zeit hatte. Und ich durfte mir dann von meinen Freunden FISHBONE anhören, wie toll es in Japan sei, die Leute dort seien große CIRCLE JERKS-Fans. Aber es passierte nichts. Und dann, mit OFF!, ist plötzlich alles möglich: Wir spielten 2010 bei der Musikmesse SXSW in Austin, und ab da lief alles von allein, die Leute liebten uns, ich hatte Spaß, es war wundervoll. Natürlich gab es auch Momente des Zweifels, gerade wenn man ein paar nicht so nette Kommentare über sich gelesen hat, man fragt sich, ob das, was man da tut, wirklich von Bedeutung ist. Aber damit muss man klarkommen, man muss sein Ding machen, das war schon zu BLACK FLAG-Zeiten so. Man muss Möglichkeiten nutzen, und wenn es die falsche Entscheidung war, zieh Schlüsse daraus. Nur wenn man was probiert, weiß man, ob es funktioniert. Wenn du Angst davor hast, solltest du einen anderen Job machen. Und ja, die letzten zwei Jahre waren ein Tornado, ein Erdbeben, eine Springflut, eine riesige Naturkatastrophe, und wenn sich alles wieder beruhigt, stehen wir immer noch da, die Sonne scheint, die Leute tanzen zu unserer Musik und haben Spaß. Klar wird es immer Leute geben, denen wir nicht gefallen, die behaupten, wir würden ja nur BLACK FLAG-Songs spielen, aber die sollen einfach zu einer anderen Party gehen oder zu Hause bleiben und an sich rumspielen.

Lass uns mal über Zahlenmystik reden: Auf „First Four EPs“ fanden sich 16 Songs, und auch auf eurem ersten Album sind 16 Stücke. Hat das eine tiefere Bedeutung?

Äh ... nein. Interessant, dass dir diese Verbindung aufgefallen ist, aber da ist keine. Wir haben bei beiden Gelegenheiten ein, zwei Songs mehr aufgenommen, und letztlich wurden es dann 16.

Identisch ist auch die Besetzung auf dem ersten Album. Oft genug sind solche „Supergroups“ wie OFF! eine kurzlebige Angelegenheit, andere Bands stehen meist bald wieder im Vordergrund.

Es wird oft über die „Chemie“ in einer Band gesprochen, in Sportmannschaften, darüber, wie der Zusammenhalt funktioniert. Auch bei OFF! gibt es große Egos, aber die sind nicht so groß, dass wir uns damit ins Gehege kommen. Wir schätzen die Arbeit des jeweils anderen, drei von vieren sind schon etwas älter, drei von vieren haben Kinder, zwei sind verheiratet, jeder von uns hat Verantwortung zu tragen, wir sind keine Kids mehr, die zu Hause bei den Eltern wohnen und sich um nichts Sorgen machen müssen. All das hilft dabei, miteinander klarzukommen, da ist kein Platz für Leute, die sich ständig beklagen, die jeden Abend Party machen wollen. Wir sind einfach gerne in Gesellschaft der anderen, wir benehmen uns wie eine Band. Dazu kommt, dass wir ganz unbewusst alle gleich ticken, dass wir das gleiche musikalische Ziel verfolgen. Gut möglich, dass wir deshalb im Laufe der Zeit unserer Musik auch das eine oder andere neue Element hinzufügen. Und ganz wichtig: uns macht diese Band Spaß, das hilft über störende Kleinigkeiten hinweg. Wenn man in einer Band zusammen ist, man die anderen aber nicht ausstehen kann und einen nur noch die Tatsache verbindet, dass man ja so viel Geld mit der Musik verdient, ist das keine gute Voraussetzung. Wenn man auf die Band angewiesen ist, um die Raten für sein Haus, sein Auto abzuzahlen, ist das traurig. Wenn man jung ist und die Band gerade abgeht, wenn man Spaß hat und jeden Abend Party macht und Mädels abschleppt, ist noch alles gut. Wenn man dann aber anfängt festzustellen, dass die Bandkollegen so ihre Macken haben, dass einer schrecklich laut schnarcht, der andere Stinkefüße hat und der Dritte permanent furzt, ist das irgendwann nicht mehr lustig – und dann fängt der Stress an. Wir kennen das alles, wir haben schon alles gesehen und erlebt, was soll uns noch schocken? Man zuckt mit den Schultern und macht weiter.

Einig seid ihr euch wohl auch über die Tatsache, dass ein guter Song nicht länger sein sollte als eine Minute. Wie geht das – und ist das schwierig?

Einen kurzen Song zu machen, ist genauso kompliziert wie einen langen. Um einen langen Song zu machen, fängst du nach einer Minute einfach wieder von vorne an und hast zwei Minuten. Dann halbierst du die erste Minute, hängst das dran, dann ist Zeit für ein Gitarrensolo, damit der Gitarrist zufrieden ist und etwas herumnudeln kann, damit er zeigen kann, was er am Samstagnachmittag im Gitarrenladen gelernt hat, oder damit er zeigen kann, was er im dritten Song auf dem zweiten Album von MÖTLEY CRÜE Tolles gehört hat. Damit sind wir bei drei Minuten, und dann hängen wir die erste Minute noch mal dran, und noch mal, und dann sind wir bei fünf Minuten. Wir sagen: Fuck all that! Weg mit dem Fett, wir sind lieber schlank und rennen so schnell, wie wir können. Wir machen in einer Minute so viel, wie wir können.

Und mit mehr als 30 Songs habt ihr jetzt auch etwas mehr Material. Ich erinnere mich an euer Konzert im Oktober 2010, als ihr nach 15 Minuten Set bei der Zugabe die gleichen Songs noch einmal spielen musstet.

Das Szenario ist Folgendes: Ich erinnere mich noch gut, wie ich in den Siebzigern – das war noch vor BLACK FLAG, ich arbeitete damals in einem Plattenladen – Bruce Springsteen auf der „Born To Run“-Tour gesehen habe. Die haben da drei Stunden gespielt, und nach eine Stunde wollte ich schon gehen. Aber mein Freund Michael Piper, mit dem ich da war, wollte noch bleiben, und diese Erfahrung war wohl einer der wesentlichen Gründe, die zur Gründung von BLACK FLAG führten. Springsteen ist großartig, er hat ein paar erstaunliche Lieder geschrieben und verdient all den Ruhm, und das sage ich, obwohl ich kein Fan bin und – im Gegensatz zu Scheiben von Bob Dylan – keine Platten von ihm besitze. Seit damals aber weiß ich, dass ein sechsminütiger Song für mich nicht funktioniert. Ob die Tatsache, dass wir jetzt mehr Stücke haben, dazu führt, dass wir künftig statt 16 Songs 24 spielen – ich weiß es nicht. So ticken wir nicht, wir spielen, was wir gerade wollen, und zum Glück steht hinter uns kein Boss in polierten Schuhen und mit Zigarre im Mundwinkel, der uns antreibt. Außerdem leben wir ja im Internet-Zeitalter, und seitdem haben die Menschen eine sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Und das passt gut zu unseren kurzen Songs, zu unseren Auftritten von nicht mehr als einer knappen halben Stunde. Außerdem – und ich bin sicher, dir ist das auch schon so gegangen – hat man oft sogar bei Bands, die man mag, nach einer halben Stunde das dringende Bedürfnis, jetzt mal aufs Klo zu gehen, sich draußen zu unterhalten, die T-Shirt-Designs am Merchstand zu bewundern, und so weiter. Und dem tragen wir Rechnung. Dazu kommt, dass wir ältere Herrschaften auch nicht mehr mit all den jungen Bands mithalten können in Sachen körperlicher Fitness, da sind 20 Minuten auch eine gute Sache. Wer mit all dem ein Problem hat, muss uns ja nicht mögen. Keep it short, lass uns Party machen, etwas Dampf ablassen, und dann ist’s gut.

Dein alter Freund Raymond Pettibon hat es sich nicht nehmen lassen, nach den Singles auch für das Album das Cover zu gestalten.

Wir sind total schlechte Planer, wir haben keine Ahnung, was wir in sechs Monaten machen werden – eine EP vielleicht? Wären wir so drauf, würden wir Raymond jetzt schon fragen, ob er es hinbekommt, uns bis dahin ein Cover zu zeichnen. „Und, Raymond, können wir so in einem Monat schon mal was sehen?“ So arbeiten wir nicht. Wir hatten eine Deadline für das Album-Artwork, und wir rissen die Deadline, und wir hatten nichts. Was wir dann hatten, konnten wir nicht so einfach nehmen, es hieß, wir würden dann von den Erben von Farrah Fawcett oder der Firma verklagt werden, für deren Haarpflegeprodukte sie Werbung machte. Darauf hatten wir logischerweise keine Lust. Zum Glück wies mich mein Mitbewohner auf diese Gefahr hin, der kennt die Tochter von Ryan O’Neal, dem langjährigen Lebensgefährten von Fawcett. Also kontaktierten wir ihn und baten um seine Zustimmung, aber es stellte sich heraus, dass dieses Foto aus einer Anzeige stammt, und so verwarfen wir die Idee. Und so wurde es dann eben doch eine Zeichnung von Raymond, der sowieso so was wie unser fünftes Bandmitglied ist und sicher auch mal mit uns auftreten wird – mit akustischer Gitarre, oder Tamburin, oder Keyboard.

Wie lange kennt ihr euch schon?

Wir gingen schon zusammen zur Junior Highschool, wir wuchsen in der gleichen Nachbarschaft auf. Später war er dann mein Trinkkumpan, er hing wie wir alle in der legendären „Church“ ab, ich mochte seine Gesellschaft. Er hatte einen sehr trockenen, schwarzen Humor. Als Dimitri und ich dann vor zwei Jahren zusammensaßen und Songs schrieben, schaute ich ihn irgendwann an und sagte, das alles versetze mich zurück in die Zeit der „Church“ in Hermosa Beach, wo BLACK FLAG ihren Proberaum hatten. Dimitri meinte dann nur, wir sollten Raymond doch einfach fragen, ob er nicht Lust habe, Teil von OFF! zu sein. Raymond hatte ja irgendwann gesagt, er werde keine Bandartworks mehr machen. In letzter Zeit hat sich seine Meinung geändert, er hat nicht nur für OFF! was gemacht, sondern auch für CEREBRAL BALLZY, CRYSTAL ANTLERS und BLACK HELICOPTER.

Keith, besten Dank für das Interview.