WE FADE TO GREY

Foto

Disappear here

Leute, die ich für ihren erlesenen Musikgeschmack sowie eigenes musikalisches Schaffen sehr schätze, schreiben dem Trio WE FADE TO GREY, deren Mitglieder einst alle dem Münchner Umland entsprangen und die mittlerweile über die ganze Republik verstreut leben, schon länger einen Ausnahmestatus hierzulande zu. Eine Einschätzung, die ich nach drei selbst erlebten Live-Auftritten und dem im März 2011 erschienenen Debütalbum „Disappearances“ (Avantpop Records) nur teilen kann. Angenehm eingängig zwischen der etwas verkopften D.C.-Schule und Pop-Appeal pendelnd, schuf sich die Band in diesem Genre so ihre eigene Nische. Ich konfrontierte WE FADE TO GREY-Sänger Constantin mit ein paar grundlegenden Fragen zu seiner Band.

Der Titel des Openers, „People are afraid to merge on freeways ...“, ist ein wiederkehrendes Zitat und der erste Satz in Bret Easton Ellis’ Roman „Less Than Zero“. Inwiefern hat der Text mit dem Buch zu tun? Welche andere Autoren wären noch potenzielle Paten für eure Songtitel?

Der Songtext ist keine Adaption von Ellis’ Geschichte oder Ähnliches, aber greift ein Motiv daraus auf. Bei Ellis beschreibt der Satz sexuelle Entfremdung, bei mir ist er jedoch eher allgemeiner Ausdruck von Entfremdung zu einem Menschen, den man sehr mochte und vielleicht noch mag, mit dem es aber plötzlich nicht mehr geht, weil man sich zum Beispiel in irgendetwas verrannt hat. Ich wollte die Stimmung des Buches übernehmen, die davon bestimmt ist, dass die Personen apathisch und nahezu gelähmt zusehen, wie ihre Beziehungen in die Brüche gehen, aber unfähig sind dem zuvorzukommen. Ich habe zu der Zeit auch viel von Dylan Thomas und Paul Auster gelesen, daher auch der Titel. Besonders bei ihm gefiel mir das Motiv des Verschwindens sehr. Es schien unheimlich gut auf vieles zu passen, über das ich schon geschrieben habe oder noch schreiben wollte.

Ihr habt eure Platte im Kafe Kult, München eingespielt. Mit wem habt ihr dort aufgenommen, wer war bei der Aufnahme beziehungsweise dem Mix involviert und was verbindet euch speziell mit dem Kafe Kult?

Wir kennen das Kafe Kult und die Leute dort schon ziemlich lange, weil wir einige Male da gespielt haben und Constantin auch Shows mit organisiert. Es ist einfach ein wunderbarer Ort, der seinen ganz eigenen Charme hat und uns sehr viel bedeutet. Wir hatten das Angebot von Bernd und Sebastian – zwei Freunde von uns, die sowohl bei der Band THE AUDIENCE spielen als auch das Label Avantpop machen, auf dem jetzt unsere Platte raus ist –, dass sie uns aufnehmen würden und somit brauchten wir nur noch einen Raum, der geeignet dafür war. Die Aufnahmen liefen unglaublich gut, weil es keinen Zeitdruck gab und wir ja quasi in unserem Wohnzimmer waren. Gemixt hat ebenfalls Bernd und das Mastering hat Devin Occampo – MEDICATIONS, FARAQUET – übernommen ... ein bisschen D.C. musste eben doch sein.

Im Hardcore sind Fragen wie vegane/vegetarische Ernährung und ein politisches Bewusstsein bis zu einem bestimmten Grad meist Standard, bei Indie/Post-Punk-Bands – ich kann mich aber auch täuschen – ist dieses Bewusstsein oft nicht vorhanden. Welche Gründe hat das eurer Meinung nach?

Das ist nicht ganz leicht zu beantworten, vorausgesetzt natürlich, dass die These stimmt, da das ja jeder für sich selbst entscheiden muss. Aber es ist schon auffällig, dass solch ein Bewusstsein zumindest nicht in gleichem Maße bei diesen Bands besteht oder zumindest nicht wahrgenommen wird. Die Sozialisation ist im Hardcore sicherlich eine andere und man kommt sehr schnell und fast unumgänglich mit diesen Dingen in Kontakt, was ich immer sehr gut fand. Für uns sind Themen wie zum Beispiel Homophobie, Feminismus oder Ernährung definitiv wichtig. Es kann aber natürlich auch sein, dass Hardcore-Bands dieses Bewusstsein einfach nur traditionsbewusster und offensiver nach außen tragen, während es bei Indie-Bands vielleicht nicht das Hot Topic darstellt, aber trotzdem Teil ihres Lebens ist. Ich kann dieses Verhalten auch gut verstehen, denn ich finde Subversion oft das spannendere Mittel, um etwas zu erreichen. Ob das Bewusstsein nun wirklich fehlt oder nur nicht plakativ benannt wird, kann ich also nicht sagen.

Ihr drei seid ja mittlerweile über die ganze Republik verstreut. Ist es schwer, die Band auf die Distanz in zufriedenstellender Weise am Leben zu erhalten?

Es ist nicht leichter geworden, das stimmt, aber es geht. Wir planen einfach länger voraus. Für jeden von uns ist WE FADE TO GREY besonders wichtig und somit nimmt man sich auch gerne Zeit dafür. Proben können wir leider nicht so viel, doch da wir die Songs nun schon oft gespielt haben, klappt das live trotzdem sehr gut. Gerade schreiben wir aber wieder Songs für eine neue Platte – welches Format auch immer sie haben wird. Da macht sich schon bemerkbar, wie viel länger es dauert, wenn Distanzen dazukommen. Die Band ist trotzdem nie komplett aus den Köpfen, denn wenn wir nicht proben können, versuchen wir unsere Shows und Touren zu buchen, was sowieso genug Zeit in Anspruch nimmt, aber eben funktioniert.