ANTLERED MAN

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Mach mir den Hirsch

Sie kommen aus London, spielen ziemlich unkategorisierbar-komplexen (Post-)Hardcore mit Noise-Kante und haben kürzlich auf dem Berliner Label Noisolution das Album „Giftes Parts 1 And 2“ veröffentlicht. Die 2009 gegründete Band mit Geweih besteht aus Danny Fury (guitar), Damo Ezekiel Holmes (vocals), Sam Ray (Bass) und Oliver Parker (Drums). Meine Fragen beantwortete Damo.

Da mich euer Bandname so fasziniert, muss ich einfach fragen: „antler“ heißt „Geweih“, aber was ist ein „Antlered Man“? Ich erinnere mich noch schwach an den Pop-Punk-Helden Rev. Norb, der immer einen Helm mit Geweih trug ...


Es ist ein Name, der es uns ermöglicht, jede Art von Musik zu spielen. Hätten wir uns „Metal Thunderdome“ genannt, dann könnte man mit Sicherheit sagen, dass wir Metal machen. Aber bei ANTLERED MAN können so viele Bilder und Ideen entstehen, und du hast viele Freiheiten in dem, was du tust. Außerdem klingt das verdammt Respekt einflößend, mit einem „Antlered Man“ würde man nie irgendeine Scheiße abziehen. Wir wissen, dass es ein Buch aus dem Jahre 1926 gibt mit dem Titel „The Strange Case Of The Antlered Man“, aber das haben wir erst herausgefunden, nachdem wir uns so genannt hatten. Wir haben es auch nie gelesen, da es nicht mehr gedruckt wird und daher sehr teuer ist. Ach ja, Rev. Norb von BORIS THE SPRINKLER, der wusste wirklich, wie man sich gut anzieht. Das trifft es schon ganz gut, aber wir tragen keinen Helm, unsere Geweihe wachsen uns direkt aus dem Schädel.

Noch eine Namensfrage: Damo Ezekiel – deine Eltern haben ja ziemlich ungewöhnliche Namen für dich ausgesucht. Hast du sie jemals danach gefragt, wie sie darauf gekommen sind?

Mein richtiger Name ist eigentlich Damien Ezekiel Holmes, aber seit ich zwölf bin, nennen mich alle nur „Damo“ – so viel also dazu. Mein Vater hat mir die Bedeutung meines Namens erklärt: er stammt aus der Bibel, obwohl keiner in der Familie religiös ist. Vielleicht hat er zuviel LSD genommen und sich wohl gedacht, das würde schön klingen. Aber jetzt glauben mir die meisten Leute nicht, dass das mein richtiger Name ist, die denken, es sei ein Künstlername. Wenn ich mir selbst einen Künstlernamen geben würde, würde ich mich wahrscheinlich „Megavoice McGee“ nennen. Also vielen Dank, liebe Eltern.

Mir gefällt das Artwork eures Albums. Wie habt ihr die Künstlerin Joni Marriott kennen gelernt und warum denkt ihr, dass ihre Arbeit zu eurer Musik passen?

Wir haben Joni letztes Jahr auf unserer Deutschlandtour kennen gelernt. Ihr Freund Philipp spielt in einer Band namens NERVEN. Arne hat ihn angerufen und gefragt: „Eine meiner Bands hat einen Auftritt in Saarbrücken, können sie bei euch übernachten?“ Philipp wollte aber erst unsere Musik hören, um zu überprüfen, ob wir nicht irgendeine Scheißband sind. Glücklicherweise mochte er unsere Musik und so konnten wir bei ihm unterkommen. Wir trafen die beiden also und an diesem Abend haben wir bestimmt 60 Flaschen Bier und zwei Flaschen Wodka getrunken und uns bei voller Lautstärke BLACK FLAG- und MELVINS-Platten angehört. Wir kamen sehr gut miteinander klar und Joni zeigte uns dann ihre Sachen, und wir fanden sie großartig, dachten, dass sie perfekt zu so einem schrägen Sound wie unserem passen. Also haben wir sie noch am selben Abend gefragt, ob sie für uns das Artwork machen möchte. Als wir wieder in England waren, haben wir ihr unsere Texte geschickt und sie machte dazu individuelle Zeichnungen, die zu jedem einzelnen Song passten, und zeichnete sogar die kompletten Lyrics. Es sieht umwerfend aus und wir sind so froh, dass wir sie getroffen haben.

Eure Texte scheinen euch ziemlich wichtig zu sein, ihr druckt sie sogar im Booklet ab. Viele Bands machen das heutzutage gar nicht mehr, und bei Downloads scheinen sie auch keinen mehr zu interessieren. Durch diese „digitale Plage“ werden Booklets und somit auch Texte anscheinend immer unwichtiger. Wie seht ihr das?

Haha, „digitale Plage“, das gefällt mir! Die Texte sind uns tatsächlich sehr wichtig und wir haben schon gemerkt, dass viele Bands sich gar nicht mehr wirklich Gedanken darüber machen, was sie schreiben. Ich glaube, wir sind wohl eine der wenigen Londoner Bands, bei denen es tatsächlich nicht bloß um London geht. Wir sind nicht beschränkt auf eine Insel der Seligen, wir wollen unsere Botschaft weltweit verbreiten. Danny schreibt all unsere Texte, und das macht er ziemlich gut. Ich sorge nur dafür, dass sie cool klingen – oder versuche es zumindest. Aber all die Dinge, über die er schreibt, sind Dinge, an die wir glauben und über die wir miteinander sprechen. Manchmal bringt er drei Seiten mit Lyrics für einen Song mit, manchmal nur ein Busticket, auf dessen Rückseite schon der ganze Text steht, das kommt auf den Song an. Da die Texte beim Hören der Songs sehr schnell auf dich zukommen und auch schnell wieder vorbei sind, wir aber gleichzeitig so viel Zeit in sie gesteckt haben, sollten wir sie dann auch abdrucken, damit die Leute sie lesen können. Ich hätte gerne ein neues Album gekauft als junger Mann, das Booklet herausgenommen und die Texte gelesen. Das gehört alles zur Musik dazu, daran kannst du dich festhalten, während du zuhörst.

Arne von eurem Label Nois-O-Lution scheint einer eurer größten Fans zu sein. Was sieht er in euch ... habt ihr ihn je danach gefragt, was ihn an euch fasziniert?

Arne ist großartig, ein echter Punkrock-Fan. Wir sind so glücklich, dass wir ihn kennen gelernt haben und dass er mit uns arbeitet. Er hat unsere Energie erkannt und weiß, dass wir eine tolle Performance hinlegen, wenn er jemanden zu einer unserer Shows mitbringt. Er ist ein mutiger Typ, wenn es um Musik geht. Er will etwas, das anders, das eine Herausforderung ist, und er wird dir immer offen sagen, was er mit dir vorhat. Ich glaube nicht, dass wir ihn je darauf angesprochen haben, was er an uns so gut findet. Als wir uns in Hamburg getroffen haben, waren wir zu sehr beschäftigt mit Biertrinken und Kickern.

Musikalisch seid ihr sehr schwer einzuordnen. Gibt es Bands oder Genres, die für euch alle gleichermaßen interessant sind? Was verbindet euch als Band sonst noch?

Wir mögen Bands wie THE DILLINGER ESCAPE PLAN, MELVINS und Mike Patton. Die machen nur die Musik, die sie machen wollen und nicht das, was andere von ihnen erwarten. Wir machen die Musik eigentlich auch nur für uns selbst, so dass wir als Musiker glücklich damit sind, und hoffentlich gefällt sie dann auch den anderen. Wir wollen nicht in irgendwelche Schubladen gesteckt werden, da wir immer experimentieren. Wer weiß also schon, was für Musik wir in fünf Jahren machen werden? Wir könnten ein komplett neues Genre erschaffen und uns dann wieder komplett davon abwenden, hahaha. Wir sind eine Band, weil wir schon sehr lange Freunde sind und schon einiges zusammen durchgemacht haben, sowohl Gutes als auch Schlechtes. Wir mögen die gleichen Filme, Bands, Kunst und wir halten uns alle für die besten Musiker der Welt. Mit solchen Leuten sollte man engen Kontakt haben. Es ist ein bisschen wie verheiratet sein.

Welche Rolle spielt die Band in eurem Leben? Da ihr in so einer teuren Stadt wie London lebt, habt ihr bestimmt noch ein Leben außerhalb der Band.

Die Band ist unser Leben. Wir haben Teilzeitjobs, aber das ist für keinen von uns etwas langfristiges. Das machen wir nur, um unsere Miete zu bezahlen, denn wie du bereits erwähntest, hat die „digitale Plage“ viele Musiker gezwungen, aufzugeben, die damit viel Geld verdienen wollten. Aber das ist uns egal, wir waren schon immer arm.

Übersetzung: Christina Wenig