JOEY CAPE

Foto

... hat noch lange nicht genug

Manchmal fällt es mir ja schwer zu glauben, dass Joey Cape wirklich nur eine Person ist und nicht zehn Doppelgänger hat. Der Gute hat nämlich mehr Bands und Projekte, als man überhaupt in einem Interview abarbeiten kann. Neben den üblichen Verdächtigen LAGWAGON und ME FIRST AND THE GIMME GIMMES ist Joey auch noch Frontmann der seit einiger Zeit auf Eis gelegten BAD ASTRONAUT und Teil des Akustikprojekts SCORPIOS. Ganz nebenbei hat er auch noch eine äußerst erfolgreiche Solokarriere, gerade wurde auf Destiny Records sein zweites Album veröffentlicht, und mit BAD LOUD steht schon wieder ein neues Projekt in den Startlöchern. Wenn das mal nicht genug Gesprächsstoff bietet ...

Joey, warum kommt dein zweites Soloalbum „Doesn’t Play Well With Others“ erst ein Jahr nach dem US-Release in Europa raus?


So richtig veröffentlicht habe ich es ja eigentlich gar nicht. Ich habe es auf meiner Website angeboten, bei Amazon und anderen Seiten im Internet. Wer das Album also haben wollte, konnte es auch irgendwie kriegen. Es gab aber keine Promo dafür, kein Label, keine Leute, die für mich Interviews mit so tollen Menschen wie dir arrangiert haben. Es ist also wirklich cool, dass Destiny sich dafür interessiert hat, obwohl ich das Album schon vor über zwei Jahren gemacht habe. Es ist zwar vor einem Jahr schon erschienen, aber kommt jetzt sozusagen erst richtig raus. Um ehrlich zu sein, wollte ich einfach kein Label, das ist der ursprüngliche Grund. Ich wollte versuchen, das alleine zu machen, und nur direkt mit dem Netzwerk zu arbeiten, das ich bereits hatte. Das hat nicht so gut funktioniert.

Deine Akustiksongs klingen ja schon um einiges ernster als die Songs, die du mit deinen Bands spielst. Sind LAGWAGON oder die GIMME GIMMES Möglichkeiten für dich, um noch mal Kind zu sein, während du solo eher „erwachsen“ bist?

Was die GIMME GIMMES betrifft, ist das zu 100% richtig. Da muss man nicht viel Mühe oder Arbeit reinstecken, wir spielen einfach, das ist großartig! Ob das auf LAGWAGON zutrifft, weiß ich nicht so recht. Ich glaube nicht, dass die Texte sich wirklich unterscheiden. LAGWAGON haben einfach diesen Sound, der die Songs anders klingen lässt als bei meinen Akustikversionen. Der Songwriting-Prozess ist aber der Gleiche, ich schreibe über mein Leben, über das, was passiert. Auf einer Akustikplatte hört man das dann vielleicht deutlicher, man versteht eher die Bedeutung und das Gefühl kommt direkter rüber. Ich glaube nicht, dass es da große Unterschiede gibt. Außer dass das Soloalbum sehr traurig ist, haha. Viele schlimme Dinge sind in dem Jahr passiert, jetzt kann ich darüber lachen: „Hey, all my friends were dying! Haha!“ So meine ich das natürlich nicht, aber manche Sachen muss man eben mit Humor nehmen, um sie verarbeiten zu können.

Bevor du „Doesn’t Play Well With Others“ veröffentlicht hast, hast du jeden Song des Albums einzeln rausgebracht. Würdest du das wieder tun?

Ich weiß nicht, ob ich das noch mal könnte, es war schwierig. Mir gefällt diese Idee sehr, dass man so eine direkte Verbindung zu den Leuten hat, die sich dafür interessieren, und mit ihnen darüber reden kann. Es ist besser, als alle paar Jahre ein Album zu machen und dann auf einmal diesen Haufen an Songs mit all ihren Inhalten zu veröffentlichen. Jeder Song wird so als ganz individuelles Werk gesehen, seine Bedeutung und sein Gefühl werden viel intensiver wahrgenommen. Das ist großartig, aber wenn man tourt, um sein Geld zu verdienen, ist es ziemlich schwierig, einen Song pro Monat zu fertig zu stellen. Aber wenn ich reich wäre und zu Hause bleiben könnte, dann würde ich das die ganze Zeit so machen. Ich kann es nur wärmstens empfehlen.

Deine Tochter spielt eine ziemlich wichtige Rolle in deinem Soloprojekt. Bindest du sie so ein, damit sie sich daran gewöhnt, dass ihr Dad Musiker ist, und damit du noch möglichst viel Zeit mit ihr verbringen kannst?

Es ist eigentlich ganz einfach, ich hänge einfach gerne mit ihr rum – ich liebe sie sogar mehr als meine Frau. Also nutze ich jede Gelegenheit, um Zeit mit ihr zu verbringen und mit ihr etwas zu unternehmen. Als sie in dem Alter war, in dem sie anfing, Bilder zu malen, hat mich ihr Artwork einfach umgehauen! Sie ist wirklich ein talentiertes Kind und ist das Beste, was mir jemals passiert ist.

Vielleicht solltet ihr eine Vater-Tochter-Band gründen.

Das ist mein Traum! Ich bin eigentlich dafür, dass man junge Menschen das machen lässt, was sie wollen. Sie hört alle möglichen Musikrichtungen, die ich nicht mag – und das ist okay, denn ich will, dass sie frei entscheiden kann. Aber die eine Sache, zu der ich sie zwinge, ist Klavierspielen. Ich glaube, es ist ein Geschenk und eine Gabe, wenn man ein Instrument spielen kann, denn Musik – auch wenn ich mich jetzt vielleicht anhöre wie ein Hippie – ist die einzige universell verständliche Sprache. Es ist diese eine Sache, die verschiedene Kulturen verbindet. Daran glaube ich und deshalb will ich, dass sie ein Instrument spielen kann. Aber gleichzeitig hoffe ich ein bisschen egoistisch, dass ich sie mit auf Tour nehmen kann, wenn sie 16 ist. Das Lustige daran ist, als ich ihr das blöderweise mal sagte, lachte sie und meinte: „Nein, Dad, das will ich nicht!“ Haha, ich meine, ich bin ihr Dad, also bin ich für sie wahrscheinlich die uncoolste Person auf diesem Planeten. Aber wir werden sehen ... Sie mag viele von meinen Akustiksachen, sie ist kein Fan von LAGWAGON und sie mag die GIMME GIMMES nicht.

Lass uns über das Cover des Albums sprechen: Wie bist du auf die Idee gekommen, so ein Foto mit dir halbnackt zu verwenden?

Dazu gibt es eine ganz witzige Geschichte: Die Unterwäsche, die ich auf dem Foto trage, gehört meiner Frau. Ich trage die sehr gerne, sie ist sehr bequem. In den USA habe ich einen Booking-Agenten, der sich um meine Akustik-Shows kümmert. Er sagte mir die ganze Zeit: „Du musst irgendein Promo-Foto haben!“ Aber ich werde eigentlich nicht gerne fotografiert. An einem Tag hatte ich eben gerade diese Unterhose in meinem Haus an, denn es ist mein Haus, ich kann da tragen, was ich möchte! Mein Agent rief mich an und drängelte: „Ich brauche bis morgen die Fotos!“ Meine Frau sagte nur: „Na dann los!“ Und wir haben einfach ein paar von diesen Fotos gemacht. Er fand sie großartig und sagte, wir sollen sie verwenden. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Wenn man ein Akustikalbum macht, ist man irgendwie nackt, weil man sein ganzes Herz da hineinsteckt. Also schaute ich mir noch mal das Bild an und dachte: „Das ist perfekt, ich liebe es!“ Es hat mich repräsentiert: ich war in meinem Wohnzimmer und um meine Füße herum liegen die Spielsachen meiner Tochter. Das war aber nicht geplant, es ist einfach so passiert.

Vor kurzem wurde mit „Acoustic Volume 2“ dein zweites Split-Album mit Tony Sly veröffentlicht. Ihr beiden seid ja fast wie ein altes Ehepaar, es gibt sehr viele Parallelen zwischen euren Karrieren und denen eurer Bands. Hab ihr immer ein Auge darauf, was der andere gerade so macht?

Tony und ich sind eigentlich sehr unterschiedliche Charaktere.Aber es stimmt schon, dass wir eine ziemlich enge Beziehung haben. Wir sind uns in unserem Privatleben und als Musiker sehr nahe – auch im wörtlichen Sinne, da wir nur etwa 45 Minuten voneinander entfernt leben –, wie zwei Schiffe, die nebeneinander hertreiben. Es ist unmöglich für mich, nicht zu wissen, was Tony gerade so macht. Er ist ein alter Freund, wir haben so viele Gemeinsamkeiten und sind oft zusammen auf Tour. Es ist eine Art Seelenverwandtschaft, wir sind wie Brüder. Er ist allerdings größer als ich ... sehr viel größer, haha. Und ich bin viel schlauer.

Eine Frage muss ich dir natürlich stellen: Wie sieht es mit den Plänen für ein neues LAGWAGON-Album aus?

Wir sprechen gerade darüber und planen, noch dieses Jahr mit der Arbeit daran zu beginnen. Jeder in der Band will wirklich ein neues Album machen. Wenn man ein Album macht, will man aber wirklich daran glauben, man will komplett davon überzeugt sein. Und um das zu schaffen, muss man sich seiner Band-Identität bewusst sein. Wenn ich etwas für LAGWAGON schreibe, ist es so, dass ich morgens aufwache und denke, „Ja, das ist es!“, und jedem anderen in der Band geht es genauso. Doch diese Situation hat sich für uns eben noch nicht wieder ergeben. Aber wir sind so viel auf Tour und dadurch wird unser Feuer wieder entfacht, jeder ist motiviert und schmiedet Pläne. Ich denke, die Kreativität fließt bald wieder und dann legen wir los. Denn ich mache kein Album mit dieser Band, wenn ich nicht völlig davon überzeugt bin, denn so was haben wir noch nie gemacht und ich will nicht jetzt damit anfangen. Es wird schwierig, denn die Leute wollen immer die alten Songs hören. Wenn wir also ein neues Album machen, muss alles 100% passen.

Du hast mal erwähnt, dass du nicht wie Ozzy Osbourne enden willst, sondern lieber aufhörst, bevor du zitternd auf der Bühne stehst und dich lächerlich machst. Das liegt aber noch in weiter Ferne, oder?

Kommt ganz auf den Abend an, haha. Größtenteils bin ich aber körperlich noch recht fit und fühle mich ganz gut. Aber es gibt manche Abende auf Tour, an denen ich auf der Bühne stehe und mich fühle, als wäre ich 60. Ich habe Bands gesehen, mit denen ich aufgewachsen bin, die ich sehr mochte, und dann standen sie in irgendwelchen Clubs vor sehr wenigen Leuten, angezogen wie Kids, obwohl sie über Fünfzig waren – das ist echt kein schönes Bild. Punkrock war schon immer etwas für junge Menschen, aber ich betrachte diese Musik auch als Kunst. Ich achte mehr auf den kreativen Prozess und den Song an sich, deswegen muss es nicht immer eine Punk-Show sein. Ich könnte auf jeden Fall für den Rest meines Lebens Akustik-Shows spielen, solange es noch ein paar Leute glücklich machen würde. Die Sache mit Ozzy Osbourne ist eben, dass er kaum noch singen kann und die ganze Zeit am Zittern ist. Und da denke ich nur: „Oh Gott, ich will nicht so enden!“ Vielleicht werde ich ja eine etwas andere Version von Ozzy Osbourne. ME FIRST AND THE GIMME GIMMES könnten nämlich auch für immer so weitermachen. Wir haben da wie gesagt nicht viel zu tun, wir ziehen uns nur dumme Kostüme an und spielen die Songs anderer Leute.