RØSENKØPF

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New York, Lower East Side: home sweet home!

Pieter Schoolwerth ist Maler, DJ und Organisator der mittlerweile weit über die Grenzen von New York bekannten Wierd-Party-Events und -Konzerte und hat mit seinem vor einigen Jahren gegründeten Label Wierd Records vor allem im Bereich Minimal Wave und Minimal Electronics Bands wie XENO & OAKLANDER, Frank Turner, AUTOMELODI, LED ER EST oder MARTIAL CANTEREL veröffentlicht. In jüngster Zeit fanden aber auch Bands wie VAURA, hervorgegangen aus der New Yorker Band BLACKLIST, auf seinem Label eine Plattform, die in ihren Einflüssen zwischen Post-Punk und Industrial Noise stehen. Sein aktueller Geniestreich ist ohne Zweifel RØSENKØPF, ein New Yorker Trio, dessen Mitglieder zuvor in diversen Punkbands aktiv waren (DETESTATION, THRILLER, DAWN OF HUMANS), bevor sie 2010 RØSENKØPF gründeten. Und hier hat das Trio der New Yorker No-Wave-, Industrial- und Noise-Bewegung wieder neuen Auftrieb gegeben. Ihr Sound ist eine bassbetonte Industrial-Post-Punk-Apokalypse, die Vergleiche mit SUICIDE, SWANS oder DNA nicht scheuen muss. Allerdings findet sich in ihrer Musik auch die schleppende Dunkelheit der frühen SAINT VITUS zu Zeiten von „I bleed black“. Das Trio, bestehend aus Bassistin Saira Huff, Sänger und Gitarrist Søren Røi und Schlagzeuger Emil Bognar-Nasador, dringt in einen Strudel dunkler Soundscapes ein, mitten in das Auge des Orkans. Schoolwerth kategorisierte völlig zu Recht ihr selbstbetiteltes Debütalbum als seine bisher soundtechnisch dunkelste Veröffentlichung. Grund genug, RØSENKØPF ein paar Fragen zu stellen, welche die charmante Saira beantwortete.

Saira, die Dunkelheit in eurer Musik klingt teilweise fast endzeitlich und apokalyptisch. Da werden auch Erinnerungen wach an die New Yorker No-Wave-Bewegung Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre. Was sind zentrale Einflüsse bei euch?


Der größte Einfluss ist das Leben selbst und die Umstände, unter denen jeder Einzelne lebt. Die Einflüsse, die du jetzt aus unserer Musik heraushörst und sich speziell auf New Yorker Bands beziehen, kommen eher von Søren und Emil, die beide auch in New York geboren sind. Zusammen haben wir alle ein breites Spektrum musikalischer Vorlieben, die von HAWKWIND, David Bowie, ROXY MUSIC, DEEP PURPLE bis hin zu FUNKADELIC reichen. Aber natürlich spielen Punk und andere Genres speziell aus den Achtziger Jahren auch eine große Rolle sowie psychedelische Musik aus den Sechziger Jahren. Letztlich fließt alles ein, was emotionale Tiefe hat und eine gewisse Dunkelheit in sich birgt. Søren ist sehr interessiert an vielen elektronischen Sachen und Neo-Folk. Bands wie SKINNY PUPPY und APHEX TWIN sind sehr wichtig, aber vor allem sind es auch Rowland S. Howard und THE BIRTHDAY PARTY, die Søren inspirieren. Emil hingegen ist komplett offen für verschiedene musikalische Strömungen und völlig undogmatisch in Bezug auf Musik. Er mag, und das wird dich überraschen, das „Voodoo“-Album von D’Angelo, MAGMA, MICE PARADE und lässt sich aber auch durch Tape-Loops, den Krach vorbeifahrender Züge und Baulärm inspirieren. Für einen Schlagzeuger durchaus nachvollziehbare Einflüsse.

Songs wie „Heed“ und „Untitled“ haben auch diese Dunkelheit zwischen WARSAW und JOY DIVISION in sich. Wie kommt ihr auf solche Songs?

„Untitled“ ist der erste Song, den wir geschrieben und zusammen eingespielt haben. „Heed“ ist auch ein älterer Track. Wir haben hier keine spezifischen Einflüsse oder Inspirationsquellen. Jeder kommt mit einer ganz eigenen emotionellen Konditionierung ins Studio, wir proben einige Stunden, bis der Song unserer Auffassung nach musikalisch und in seiner Intensität funktioniert, und so entstehen diese Songs – es entwickelt sich aus dem Moment heraus.

Was macht ihr neben RØSENKØPF sonst? Ich denke, New York kann hier Plattform für viele Möglichkeiten sein.

Ursprünglich bin ich nach New York gezogen, um mich weniger mit Musik denn mit dem Thema Mode zu beschäftigen, um hier etwas weiterzukommen. Neben den Bandaktivitäten verbringe ich die meiste Zeit mit der Entwicklung meines eigenen Modelabels und arbeite als professionelle Schneiderin und Designerin. Ich bin an allem interessiert, was mit dem Design von Klamotten bis hin zum Erforschen verschiedener Materialien und der Entwicklung von neuen Schnitttechniken zu tun hat. Ich bin dankbar dafür, dass ich genau das machen kann, was ich auch will. Søren studiert gegenwärtig Leder- und Accessories-Design am Fashion Institute of Technology. Das FIT in New York ist in diesem Bereich eine wirklich renommierte Universität. Und er verdient sein Geld im Home Sweet Home, einer Bar und Veranstaltungsort in Manhattan, in der Pieter Schoolwerth von Wierd Records regelmäßig seine Veranstaltungen organisiert, und in der wir letzte Woche unsere CD-Release-Party hatten. Emil hat gerade seinen Abschluss in Percussion gemacht und spielt außer bei RØSENKØPF noch in anderen Bands. Er bastelt gegenwärtig viel an Industrial-Tapes und Experimental Performances.

Mit welchen Clubs und welchen Bands fühlt ihr euch in New York besonders verbunden?

Es gibt so viele großartige Clubs und Bars, die du besuchen solltest, in denen wirklich regelmäßig aufregende Bands spielen, die uns auch nahestehen, wie SPICOLI, DECREPIT JAW, PHARMAKON, PERDITION, HANK WOOD & THE HAMMERHEADS. Da sind auch viele Bands von den lokalen Labels wie Sacred Bones, Dais, Toxic State Records und natürlich unser Label Wierd Records. Auf allen diesen Labels findest du Bands, mit denen wir teilweise auch zusammen auftreten.

Ich habe den Eindruck, dass Søren seinen intensiven „Scream-Gesang“ eigentlich weniger als Gesang im engeren Sinne denn als ein zusätzliches Instrument einsetzt.

Genauso ist es auch. Søren versteht ihn wirklich mehr als ein zusätzliches Instrument. Ich denke, ihm ist der Begriff „Lead Vocals“ auch eher suspekt. Diese Art, sich durch eine bestimmte Form des Schreiens auszudrücken, ist für Søren ganz normal und resultiert aus seiner Vergangenheit in diversen Punkbands. Die Texte selbst haben eher den Charakter von Geboten oder Anweisungen, nicht im Sinne eines erzählerischen Stils, sondern eher als fast unkontrollierte und eruptive Ausbrüche mit einer sehr impulsiven Betonung, um ihnen mehr Bedeutung und Power zu geben.

Exakt das hat mich bei euren Live-Shows sofort an Alan Vega und SUICIDE erinnert. Habt ihr einen besonderen Bezug zu dieser New Yorker Institution?

Wir haben eigentlich zu keiner Band einen wirklich ausgeprägten Bezug in Gestalt einer Referenz oder Reminiszenz. Søren ist großer Fan von SUICIDE, dennoch ist er der Auffassung, dass der musikalische Ansatz von SUICIDE ein komplett anderer ist als der unsere, ebenso die Performance auf der Bühne. Viele sagen uns nach Konzerten, dass wir auf der Bühne sehr hypnotisch sind, vor allem auch durch Emils sehr perkussive und intensive Art und Weise Schlagzeug zu spielen. SUICIDE und Alan Vega waren doch eher mehr in Richtung Avantgarde und antagonistisch in ihrer Musik und in der Form, dies auf der Bühne auszuleben. Obwohl wir vielleicht ab und an auch „avantgardistisch“ sind, haben unsere Songs doch immer eine klare Struktur und sind sehr straight forward.