BIERSPECIAL: Neumarkter Lammsbräu

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Bio ist besser

Mein aktuelles Lieblingsbier ist das Dinkel-Bier von Neumarkter Lammsbräu. Das gibt es faktisch nur im Bioladen, also trinke ich die grünen 0,33er-Fläschchen auch nur zuhause und bin umso schlimmer dran, wenn ich auf Konzerten mit zunehmendem Widerwillen die übliche Massenplörre ertragen muss. Ich befragte Susanne Horn, Generalbevollmächtigte von Neumarkter Lammsbräu, zu den Chancen und Schwierigkeiten einer im Verhältnis zu den Marktführern kleinen Brauerei, die auch noch konsequent auf kontrolliert-biologisch angebaute Zutaten sowie Klimaschutz achtet.

Geben Sie uns bitte einen kurzen Überblick über die Geschichte von Lammsbräu. Wie und warum kam es zum Wechsel von der „normalen“ Brauerei zu einer konsequent ökologisch ausgerichteten?


Die Neumarkter Lammsbräu kann auf über 380 Jahre Brautradition zurückblicken. Seit 1800 ist sie im Besitz der Familie Ehrnsperger. Mit dem heutigen Inhaber, Dr. Franz Ehrnsperger, hielt die Ökologie Einzug ins Unternehmen. In den Siebzigern wurde Umweltschutz als Unternehmensziel definiert und bereits erste Solaranlagen installiert. Zur Bio-Brauerei wurde die Neumarkter Lammsbräu letztlich, da Herr Dr. Ehrnsperger stets auf der Suche nach besseren Rohstoffen für eine bessere Bierqualität war. Diese fand er in der Bio-Landwirtschaft: Ausgeprägtere Aromen, höhere Anteile an Vitaminen und Polyphenolen, sowie sekundären Pflanzenstoffen gaben schließlich den Ausschlag für die Umstellung in eine Bio-Brauerei. Seit 1986 stellt die Neumarkter Lammsbräu Biere mit Rohstoffen aus ökologischem Landbau her, später kamen auch andere Getränke wie Limonaden hinzu. 1992 wurde die Neumarkter Lammsbräu als erste Brauerei Europas nach der EG-Bio-Verordnung zertifiziert und seit 1995 ist das gesamte Sortiment auf 100% Bio umgestellt. Bis heute treiben wir die nachhaltige Ausrichtung unseres Unternehmens immer weiter voran: Wir wollen nicht nur höchsten Genuss in bester Qualität herstellen, sondern das „Wie“ ist auch ganz entscheidend für uns: Als Unternehmen tragen wir Verantwortung für Umwelt und Menschen. Ressourcenschonung, Förderung der natürlichen Vielfalt und ein respektvoller Umgang mit allen, die mit uns in Verbindung stehen, stehen für uns daher an oberster Stelle.

Was ist das Besondere an Lammsbräu-Bier?

Die derzeit 18 Lammsbräu-Biere werden alle nach dem „ökologischen Reinheitsgebot“ gebraut. Ausschließlich ökologisch erzeugte Braurohstoffe werden in einem traditionellen, handwerklichen Brauverfahren ohne chemische Hilfsmittel wie zum Beispiel Stabilisatoren hergestellt. Bei uns wird noch mit echtem Naturdoldenhopfen und nicht mit Hopfenextrakt gebraut. Die Neumarkter Lammsbräu ist auch eine der wenigen Brauereien Deutschlands, die noch eine eigene Mälzerei hat: So haben wir direkten Zugriff auf eine individuell gesteuerte Geschmacksvielfalt. Die Rohstoffe stammen weitestmöglich aus der Region, und unsere Bauern werden fair entlohnt – deswegen gibt es Lammsbräu-Biere auch grundsätzlich nicht als Billigangebot.

Was macht für Lammsbräu ein gutes Bier aus? Man hat oft den Eindruck, dass seitens der großen Konzerne wenig Wert auf Bier mit eigenem Geschmack gelegt wird, stattdessen „regiert“ ein gefälliger Einheitsgeschmack.

Ein gutes Bier wird bestimmt durch seine wertvollen Inhaltsstoffe. Durch das Bio-Malz und den Bio-Hopfen haben unsere Biere einen deutlich höheren Anteil an Vitaminen und Polyphenolen und auch sekundären Pflanzenstoffen. Darüber hinaus wird jede Sorte noch extra eingebraut und erhält damit einen ganz eigenen Charakter und Geschmack, den wir über die eigene Mälzerei bis ins Detail selbst gestalten können. So erzeugen wir Geschmacksvielfalt in 18 unterschiedlichen Ausprägungen, zum Beispiel EdelHell, EdelPils, Dunkel oder Weiße.

Wo und unter welchen Bedingungen wird Lammsbräu gebraut, woher stammen die Rohstoffe?

Alle unsere Biere werden unter traditionellen Braubedingungen bei uns in Neumarkt gebraut. Der Weg des Bieres beginnt in der eigenen Mälzerei, wo aus Gerste, Weizen und Dinkel Malz wird. Im Sudhaus wird daraus dann die Würze gekocht und Hopfen zugegeben. Im Gärkeller gärt die mit frischer Bio-Hefe versetzte Würze und alkoholhaltiges Bier entsteht. Danach hat unser Bier Zeit, im Lagerkeller zu reifen. Nach insgesamt vier bis sechs Wochen wird das Bier filtriert und abgefüllt. Vorher verlässt kein Bier unser Haus, denn diese Zeit brauchen die Biere für eine optimale Reifung und Lagerung. Je Brauvorgang entstehen im Sudhaus 250 Hektoliter Sud – so können wir immer alle Sorten möglichst frisch ausliefern. In guten Erntejahren beziehen wir rund 50% unserer Bio-Braurohstoffe aus der Region rund um Neumarkt. Den Rest müssen wir von überwiegend bayerischen Bio-Bauern zukaufen, weil es in der Region noch nicht ausreichend viele bio-zertifizierte Bauern gibt.

Lammsbräu hat bereits in den Siebziger und Achtziger Jahren begonnen, die Produktion auf Bio umzustellen. Wie wurde das damals aufgenommen?

Wir galten natürlich als Spinner, schließlich gibt es doch das Reinheitsgebot, was soll da das Öko-Getue? Aber auch heute noch ist Bio-Bier eine Nische. Die größte Schwierigkeit ist nach wie vor, den Menschen zu erklären, dass das Reinheitsgebot nichts mit Bio zu tun hat, und dass Bio-Bier sehr wohl seine Berechtigung hat: Nur das ökologische Reinheitsgebot garantiert die Verwendung von pestizidfreien Bio-Rohstoffen und schließt jegliche Hilfsstoffe bei der Produktion aus.

In den letzten Jahren wurde das Thema „Bio“ immer präsenter, viele Menschen legen heutzutage großen Wert auf eine nachhaltige Lebensweise. Haben Sie durch diesen Trend auch eine stärkere Nachfrage erfahren?

Natürlich haben auch wir von dieser Entwicklung profitiert. Während im Biermarkt die Absatzmengen seit Jahren zurückgehen, haben wir zum Beispiel 2011 eine fünfprozentige Steigerung erzielt. Bio-Bier hat es aber wegen der Diskussion um das Reinheitsgebot deutlich schwerer als andere Bio-Lebensmittel.

Wie schwierig war es – oder ist es immer noch – für Lammsbräu, sich als unabhängige Brauerei am Markt gegen die großen Getränkekonzerne durchzusetzen?

Das ist ein Vergleich, dem wir uns ausdrücklich nicht stellen. Wir haben uns mit Bio bewusst für eine Nische entschieden, in der die Großen nicht unterwegs sind. Es haben zwar zwischenzeitlich einige versucht, Bio-Bier zu brauen, die haben aber schnell gemerkt, wie aufwendig die Herstellung von Bio-Bier ist und deshalb ihre Aktivitäten wieder eingestellt. Sowohl in der Gastronomie als auch im Handel gilt für uns immer: Wenn wir mit den großen Marken verglichen werden, dann hat der Kunde unsere Philosophie nicht verstanden und wir ziehen uns zurück.

Worin liegen die besonderen Schwierigkeiten einer relativ kleinen Bio-Brauerei mit nicht nur lokaler Ausrichtung? Ich denke da an den Pfandkreislauf und Logistikkosten, sowie den Vertrieb vorrangig über die „Bio-Schiene“. Sind die Lammsbräu-Produkte überhaupt im „normalen“ Getränkehandel zu bekommen?

Die Produkte der Neumarkter Lammsbräu werden überregional hauptsächlich über den Naturkostgroßhandel vermarktet. Es gibt auch einige Getränkefachgroßhändler, die unsere Produkte führen und an ihre Kunden, die Getränkemärkte, ausliefern. Das heißt wir betreiben überregional ausschließlich das „Ab-Rampe“-Geschäft, was zwei Probleme mit sich bringt: Die größte Herausforderung ist zum einen der Pfandkreislauf, da die Menschen immer mehr Flaschen einfach wegwerfen und nicht wieder zurückbringen. Zum anderen die Präsenz in der Fläche: Aus Kundensicht hören wir immer wieder, dass Lammsbräu in kleineren Städten oft nicht zu bekommen sei. Auch für die Gastronomie kann das schwierig sein, da für die der Naturkostgroßhandel nicht immer der geeignete Partner ist.

Was bedeutet es eigentlich, „unabhängig“ zu sein und nicht einem großen Konzern anzugehören? Bestand oder besteht seitens der Großkonzerne das Interesse, ihre Brauerei aufzukaufen, wie etwa bei Bionade?

Unabhängig zu sein bedeutet vor allem, Entscheidungsfreiheit zu haben: Wir können selbst viel mehr gestalten, sind gegenüber unseren Kunden authentisch und können uns für Nachhaltigkeit statt Profitmaximierung entscheiden. Das wird auch so bleiben. Die Neumarkter Lammsbräu ist ein Familienunternehmen in der sechsten Generation, das zum größten Teil eigenfinanziert ist. Damit sind die „Angriffsmöglichkeiten“ sehr gering. Herr Dr. Ehrnsperger hat das in der Branche auch immer sehr deutlich gemacht, dass weder Interesse noch Bedarf an fremdem Kapital besteht.

Wenn man ausgeht, bekommt man meist nur die bekannten Biere der Großkonzerne, Beck’s, Heineken, Warsteiner und Co. dominieren. Warum bieten Kneipen, Clubs und Restaurants – von Bio-Restaurants mal abgesehen – fast nie Biere von unabhängigen Brauereien an? Welche Strukturen und Marktmechanismen stecken dahinter? Kann es sich Lammsbräu einfach nicht leisten, tausende Bierkühlschränke zu „verschenken“?

Die Gastronomie ist noch immer ein sehr finanzierungslastiges Geschäft. Die großen Brauereien stellen dafür die meisten Gelder zur Verfügung und haben folglich auch die meisten Kunden. Die Neumarkter Lammsbräu sieht sich aber nicht als Finanzier, sondern als Getränkelieferant und ist deshalb auch nicht bereit, größere Finanzierungen beim Gastronomen zu übernehmen. Ein „Einkaufen“ in ein Objekt kommt für uns ebenfalls nicht in Frage. Wir wollen mit unseren Produkten und unserer Philosophie überzeugen.

Besonders erstaunlich finden wir, dass selbst in soziokulturellen Zentren, „alternativen“ Veranstaltungsorten etc. zwar – als Beispiel – politische Bands auftreten und kritische Gruppen tagen, aber bei den Getränken dann schon der eigene Weltveränderungsanspruch scheitert. Hat Lammsbräu schon mal versucht, gezielt in diesem Bereich Marketing zu betreiben und Fuß zu fassen?

Auch in diesen Lokalitäten steht das Thema Finanzierung ganz klar im Vordergrund. Deswegen betreiben wir in diesem Bereich auch kein gezieltes Marketing. Es gibt aber durchaus Zentren, die sich dafür entschieden haben, bewussten Konsum zu vermitteln und entsprechend auch Lammsbräu-Biere ausschenken, zum Beispiel in Berlin.

Muss ein Umdenken beim Konsumenten stattfinden, damit der die Nachfrage bestimmt?

Ja, von selbst wird es keine gravierenden Veränderungen geben. Die Endverbraucher müssen letztlich einfordern, dass sie bessere Lebensmittel haben möchten – aber sie müssen auch verstehen, warum sie dafür mehr bezahlen müssen, als sie es gewohnt sind: Die Menschen müssen den Wert von Lebensmitteln – und dazu gehören auch Getränke – wieder erkennen und anerkennen. Für die Gastronomie bedeutet das im Umkehrschluss, dass sie Wert auf das Besondere bei Essen und Getränken legen muss. Nur dann ist der Kunde auch bereit, Geld für die Gastronomie auszugeben. Hier kann Neumarkter Lammsbräu eine echte Alternative mit Geschichte sein.