CONNY OCHS

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Der rastlose Bohèmien mit der Gitarre

Mal ehrlich, wer würde Nein sagen, wenn Wino „St. Vitus“ Weinrich ihm anbieten würde, nach ein paar gemeinsamen Sessions auch ein ganzes Album aufzunehmen? Wahrscheinlich niemand, und eben auch nicht Conny Ochs, dessen Singer/Songwriter-Album „Raw Love songs“ schon ein recht ungewöhnliches Release im sonstigen Kosmos von Exile on Mainstream Records war. Wie es Anfang 2012 dann dazu kam, dass Conny und Wino mit „Heavy Kingdom“ eine gemeinsame Platte hinterhergeschoben haben, die in eine ganz ähnliche Richtung geht (und dazu neben dem wunderbaren Titeltrack noch einige andere düstere Akustik-Perlen enthält), und wie das überhaupt alles losging mit dieser bemerkenswerten Musikerfreundschaft, schilderte Conny mir freundlicherweise vor seinem Konzert im Berliner Red Rooster.

Conny, eine Platte mit Wino von SAINT VITUS nimmt man ja nicht jeden Tag auf. Wie habt ihr beiden euch kennen gelernt?


Das war auf der Tour zu der „Adrift“-Platte, sein erstes Akustikalbum, im Herbst 2010. Andreas Kohl von Exile on Mainstream hat mich damals gefragt, ob ich die Tour begleiten wolle. Für mich war natürlich klar, dass ich Bock hatte, das zu machen. Dabei hab ich Wino getroffen und am Ende haben wir auch zusammen gespielt.

Wino hat schon in zig Bands vorher gespielt, SAINT VITUS, OBSESSED, alles Doom-Metal-Bands, die von vielen Leuten als legendär bezeichnet werden. War Wino für dich vorher schon ein Begriff?

Ehrlich gesagt nicht, ich kannte seinen Namen und die seiner Bands auch, aber nicht mehr, ich kannte nur seine Soloplatte. Wenn ich das jetzt so betrachte, war das aber auch gut so. Wir haben uns einfach getroffen wie zwei Fremde, die sich auf der Straße begegnen, sich kennen lernen und zusammen weiterlaufen, ohne diesen ganzen Überbau. Ich habe das auf der Tour erst mitbekommen, wenn Leute gekommen sind und gesagt haben: „Wow, du spielst mit Wino, das ist der Größte!“ Ich hab ihn natürlich respektiert, aber mehr für das, was wir zusammen erlebt haben, und nicht für das, was vorher war.

Wie war das, als ihr Songs für die Platte aufgenommen habt, lief das auf Augenhöhe ab?

Ja, schon. Wir haben auf der Tour viel gejammt und haben gemerkt, dass es eine spezielle Verbindung zwischen uns gibt. Dann hatte Andreas die Idee, eine Platte zusammen zu machen, und wir haben uns einen Tag in Berlin getroffen und angefangen zu jammen. Ich hatte eine Textidee, Wino hatte einen Riff, und ab da war es eigentlich so, dass wir uns die Sachen nur so zugespielt haben und in zwei bis drei Tagen war die ganze Platte geschrieben. Und wenn ich es mir am Ende so anschaue, war es echt 50/50. Wir haben zehn Songs geschrieben und der eine hat immer das gemacht, was dem anderen gefehlt hat.

Was ich an der Platte so schön finde, ist dieser melancholische Unterton, sie fließt schön ruhig dahin. Würdest du sagen, dass diese Stimmung ein Markenzeichen deiner Songs ist, auch von denen auf deinen vorherigen Platten?

Ja, ich würde schon sagen, dass ich melancholisch bin, und bei Wino ist das auch drin. Das haben wir uns natürlich nicht überlegt, das sind einfach die Lieder, die wir schreiben. Ich könnte auch nicht sagen, welches mein Lieblingslied auf der Platte ist, ich liebe alle. „Heavy kingdom“ ist etwas Besonderes, weil das der erste Song ist, den wir komplett zusammen geschrieben haben, wirklich Zeile für Zeile. Und da war vorher nichts bis auf den Titel, ein paar Worte und ein winziger Riff. Das war auch der Song, bei dem ich gemerkt habe, dass da was geht zwischen uns beiden, deshalb bedeutet der mir sehr viel.

Mal davon abgesehen, dass du Winos ganze Doom-Metal-Vergangenheit nicht kanntest, aus welcher musikalischen Ecke kommst du?

Ich habe angefangen, Musik zu hören, als dieses ganze Grunge-Ding passiert ist, und das ist auch meine musikalische Heimat. MUDHONEY, NIRVANA, SONIC YOUTH und so was. Ab da hab ich mir ziemlich viel reingezogen. Jetzt höre ich eigentlich gar nicht mehr so viel Musik, sondern spiele lieber selbst mit Leuten. Ich habe auch noch eine andere Band, BABY UNIVERSAL, die sich sehr an den STOOGES und Leonard Cohen orientiert. Ich stehe auf Texte und wenn die Leute was zu sagen haben, aber ich mag es auch, wenn’s einfach abgeht. Und das ist bei Wino wohl genau so. Das ist ja keine ruhige Lagerfeuerplatte, die wir gemacht haben, ich finde die trotzdem intensiv. Es war für uns beide wichtig, die Musik so reduziert wie möglich zu spielen.

Stimmt es, dass ihr vor den Aufnahmen zusammen an der Ostsee in so einem Camp wart, und da zusammen Musik gemacht habt? Und wie kann man sich das vorstellen?

Wir haben uns auf Rügen getroffen, weil da jedes Jahr von Exile On Mainstream ein kleines Treffen von befreundeten Bands ist, das „Bliss Beach“, wo sich für eine Woche Leute treffen und jammen. Wir sind da zusammen hingefahren, haben noch ein bis zwei weitere Tage zusammen gespielt, zwei bis drei Songs geschrieben und sind dann ins Studio nach Berlin gefahren. Das war für uns wichtig, noch mal einen Platz zu finden, wo eigentlich nichts ist, so eine Art Wüste. Diese abgelegenen Gebiete, die es da gibt, das war das, wonach wir gesucht haben, um runterzukommen.

Fühlst du dich denn in der Stadt oder auf dem Land wohler?

Ich wohne gerade nirgendwo. Ich wohne bei Freunden oder bin unterwegs. Ich mag die Städte, weil ich da spielen kann, aber wenn ich nicht spiele, fahre ich lieber raus und bin mit ein paar Freunden da, wo es abgelegen ist und wo man runterkommen kann von der ganzen Geschwindigkeit und dem Lärm, der um einen herum ist. Ich stehe sehr auf die Wüste. Wo man zu sich selber finden kann und wo man ausblenden kann, was einen ablenkt. Die Weite, die Einsamkeit, Meditation, so was interessiert mich.

Du hast ja vorher die Soloplatte „Raw Love Songs“ rausgebracht. Wo siehst du Gemeinsamkeiten zwischen der Platte mit Wino?

Also erst mal in der ganzen Art und Weise, die Lieder zu spielen. Es ist alles live aufgenommen und so roh wie möglich belassen worden, deshalb heißt die Platte auch „Raw Love Songs“. Die Texte, die ich bei „Heavy Kingdom“ zusammen mit Wino geschrieben habe, sind im Prinzip eine Weiterführung der Geschichte, die bei den „Raw Love Songs“ angefangen hat. Die Idee von der Reise, die man erzählt, von Leuten, die man trifft, geht auf „Heavy Kingdom“ genauso weiter, die Geschichte von zwei Leuten, die ein Stück ihres Weges zusammen gehen.

Wie ist das denn bei dir beim Songschreiben: Bist du jemand, der seine Texte einfach schnell runterschreibt, oder feilst du noch ewig daran herum, bis die richtig sitzen?

Eigentlich feile ich nicht lange daran herum. Wir hatten uns ja auch nur drei Tage zum Songwriting gegeben, da kann man nicht lange an den Texten herumschrauben. Es ging für uns auch darum, etwas Intuitives zu machen, wo man nicht irgendwas kaputt denkt, sondern es direkt aus dir rauskommt. Auch ohne Angst zu haben, etwas falsch zu machen, das finde ich bei der Platte ganz wichtig. Ich glaube, das hört man auch, dass das von Herzen kommt. Ich bin jedenfalls froh, dass es geklappt hat, bei so einem guten Label gelandet zu sein, mit so vielen guten Bands, die für so einen guten Spirit stehen – es gibt nicht viele Labels, die so was heutzutage haben.