FIREWATER

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Weltpolitik und Bier auf dem Schwarzmarkt

Tod A. sitzt in Istanbul und ich sitze in Berlin und fröhlich winken wir uns über Skype zu. Der Frontmann von FIREWATER ist ein Weltenbummler, er hat in allen erdenklichen Ländern der Welt gelebt und immer ein paar nette Geschichten auf Lager. Außerdem ist gerade „International Orange“ erschienen, das siebte FIREWATER-Album. Zeit, mal wieder mit Tod A. zu plaudern.

Tod, dein letztes Interview im Ox war eher ein Reisebericht denn ein klassisches Interview. Warst du seitdem wieder so viel unterwegs?


Ich bin nicht ununterbrochen gereist, aber ich habe an verschiedenen Orten der Welt gelebt. In Bali blieb ich eine Weile, und in Kambodscha und Singapur blieb ich ebenfalls etwas länger. Jetzt bin ich in Istanbul gelandet. Es ist nicht so, dass ich andauernd ins nächstbeste Flugzeuge springe, aber ich war ziemlich viel unterwegs in den letzten Jahren und mein Zuhause sah immer etwas anders aus.

Die vielen Reisen hinterlassen auch ihre Spuren auf „International Orange“, wie würdest du die Musik jemandem beschreiben, der noch nie von FIREWATER gehört hat?

Nun ja, es sind meine Lieder und ich hoffe, dass die Leute den schwarzen Humor in der Musik verstehen. Die Musik ist stark beeinflusst von den Orten, an die ich gereist bin, und es ist ein bisschen wie mit dem Essen: ich möchte nicht jeden Tag das Gleiche essen und so möchte ich als Musiker auch verschiedene „Geschmacksrichtungen“ in meine Arbeit einfließen lassen, damit es immer spannend bleibt. Ich habe die letzten zwei Jahre in Istanbul gelebt und die spezielle Atmosphäre der Stadt ist sicherlich in die Songs eingeflossen. Trotzdem glaube ich, dass dieses Album auch sehr amerikanisch ist, von den Melodien her. Das finde ich so großartig in der Musik, du kannst einen eher klassischen „westlichen“ Song schreiben, sobald du das Ganze aber mit türkischen Instrumenten einspielst, kommt gleich etwas ganz Neues dabei heraus, ich mag das sehr, dass man nie so richtig weiß, was am Ende mit der Musik passiert.

Wie bist du überhaupt in Istanbul gelandet?

Meine Freundin kommt aus Istanbul, wir haben uns in New York kennengelernt und waren dann gemeinsam viel unterwegs. Ihre Arbeit hat sie am Ende wieder nach Istanbul geführt und weil ich die Stadt spannend finde und überall arbeiten kann, bin ich mitgekommen.

Zum letzten Album sagtest du, du hättest wie bei einer Collage überall Schnipsel aufgenommen und diese am Ende zusammengefügt. War das diesmal wieder so?

Tatsächlich wollte ich für dieses Album durch den Mittleren Osten reisen, das wäre zur Zeit des Arabischen Frühlings und damit sicherlich sehr aufregend gewesen, aber aus finanziellen Gründen hat das nicht geklappt. Ich bin aber trotz allem sehr zufrieden mit dem, was dabei herausgekommen ist. Istanbul ist ein sehr multikultureller Ort und ich konnte hier mit vielen Israelis und Türken zusammenarbeiten und das war toll, denn als wir das Album aufgenommen haben, kochte der Konflikt zwischen der Türkei und Israel wieder hoch und es war irgendwie gut, „normale“ Leute dabeizuhaben. Musiker, die gemeinsam arbeiteten, während ihre Regierungen das nicht auf die Reihe bekommen haben. Natürlich war das nicht so geplant, aber so spielt das Leben manchmal.

Es hat vier Jahre gedauert, bis das neue Album rauskam, für einige Bands ist das nicht viel, aber betrachtet man deinen Output, scheint das doch recht lang.

Ich bin fürchterlich faul, haha. Nein, diesmal hat es einfach länger gedauert, bis die Sachen, die ich geschrieben habe, so klangen, wie ich es wollte, und auch finanziell war es nicht leicht. Ich habe zwar schon mal mit Majorlabels gearbeitet und auch wenn ich dort mehr Geld für das Album gehabt hätte, würde ich immer lieber mit Menschen zusammenarbeiten, die ich mag, als mit Arschlöchern. Nach 9/11 habe ich beschlossen, nie wieder mit Arschlöchern zusammenzuarbeiten, das schließt Majorlabels also irgendwie aus, haha. Ich habe etwa acht Blocks vom World Trade Center entfernt gewohnt und es ist ziemlich ätzend, morgens aufzustehen und Menschen aus einem Fenster springen zu sehen. Sie standen wahrscheinlich eben noch an der Kaffeemaschine und es war ein stinknormaler Dienstag, und das war das Ende ihres Lebens. Ich will nicht melodramatisch klingen, aber irgendwie hat mich das sehr getroffen und ich habe begonnen, mir Gedanken zu machen: Falls dies dein letzter Tag sein sollte, wie sollte er aussehen?

Du hast dich auf „International Orange“ mit einigen aktuellen politischen Themen auseinandergesetzt, der Wirtschaftskrise zum Beispiel. Glaubst du, mit den vielen Reisen und ein wenig Abstand fällt es dir leichter, die Dinge zu hinterfragen?

Es scheint mir manchmal, dass ich umso glücklicher werde, umso weiter weg ich von Amerika bin, und na klar ändert sich auch die Perspektive auf Dinge. Ich merke, wie verrückt die USA eigentlich sind. Die Türkei ist nicht der Himmel auf Erden, hier gibt es sicherlich auch viele Probleme; ich glaube aber, dass das, was in Amerika politisch passiert, noch immer einen enormen Einfluss auf das Weltgeschehen hat und die Musik bietet mir die Möglichkeit, diese Dinge zu kommentieren und sie zu verarbeiten.

Vielleicht klingt das jetzt seltsam, aber da du ja die halbe Welt gesehen hast und da es im Ox diesmal auch um Bier gehen wird, dachte ich, ich frage dich mal danach. Was ist zum Beispiel das schlimmste Bier, das du je getrunken hast?

Oh, mit Abstand amerikanisches Bier. Miller ist fies, oder „Red, White and Blue“, das habe ich während des Studiums immer getrunken, weil es so billig war, ich glaube, das gibt es gar nicht mehr, haha. Die Belgier machen ziemlich gutes Bier, die wissen, wie das geht mit dem Brauen. Ach, ich könnte dir zig Geschichten erzählen.

Och, eine wäre auch gut.

Eine gute Geschichte? Warte, ich hab eine! Als ich in Pakistan war, in der Nähe der afghanischen Grenze, da musste man zum Schwarzmarkt gehen, um Bier zu kaufen. Die haben da allen möglichen gefährlichen Kram verkauft: AK-47s, Opium, Handgranaten, alles, was man sich so vorstellen kann, haha. Um aber Bier zu kaufen, musstest du dich erst mal in einen Laden setzen und warten, und du konntest dir dabei anschauen, was die sonst angeboten haben, Waffen, Munition, Drogen und all das. Bier wurde dort offenbar als viel gefährlicher angesehen als Waffen und Raketenwerfer. Sie mussten das unter dem Ladentisch verkaufen. Es gibt irgendwo noch Bilder von mir in diesem Laden, das war ziemlich schräg.

Ich glaube, so viele Orte gibt es nicht, an denen man Waffen und Bier im gleichen Laden kaufen kann.

Bei Walmart geht das. Obwohl, Raketenwerfer haben die da noch nicht, haha.