GEORGE DUBOSE

Foto

Fotos für die RAMONES

Die drei populärsten Musiker der RAMONES – die Gründungsmitglieder Joey, Johnny und Dee Dee – sind bereits tot. Die Übriggebliebenen haben sich fast durchweg zerstritten. Und doch ist der Mythos dieser für den Punk so maßgeblichen Band heute lebendiger denn je. Das mag zum einen an den findigen Marketingstrategien von Modelabels liegen, die das Band-Logo auf Shirts und Pullis als lukrative Einnahmequelle entdeckt haben. Das liegt aber viel mehr noch an einem Mann wie George DuBose. Der 61-jährige Amerikaner, der seit einigen Jahren mit seiner Familie in Köln lebt, war von 1983 bis 1996 der offizielle Fotograf der RAMONES und entwarf die Cover für neun ihrer Alben. Zuletzt war er am Design des Joey-Ramone-Soloalbums „Ya know“ beteiligt. George DuBose hat Musikgeschichte mitgestaltet und dafür gesorgt, dass auch die nachfolgenden Generationen einen Blick auf Joey, Johnny, Dee Dee und Co. werfen können. Im Gespräch mit dem Ox erzählt er seine Geschichte und wie er Punk entdeckte.

George, du warst 13 Jahre lang Haus- und Hof-Fotograf der RAMONES. Streng genommen arbeitest du sogar noch immer für eines der toten Bandmitglieder ...


Das kann man so sagen. Ich habe zuletzt das Cover für Joey RAMONES zweites, nach seinem Tod im Jahre 2001 erschienenes Soloalbum „... Ya Know?“ entworfen. Das hat Joeys Bruder Mickey Leigh produziert und in diesem Jahr veröffentlicht. Mickey kenne ich, seitdem ich in den Achtziger Jahren einmal für ihn und seine Band RATTLERS tätig war. Seitdem haben wir immer mal wieder zusammengearbeitet. Auch das Cover von Joeys erstem Soloalbum „Don’t Worry About Me“ habe ich entworfen, auch wenn das Foto darauf nicht von mir stammt. Wobei es dieses Mal wesentlich komplizierter war ...

Warum?

Es gab zunächst einmal Probleme mit der Plattenfirma: Die wollte eigentlich einen anderen Designer haben. Aber Mickey bestand darauf, mich dabeizuhaben. Und dann haben wir für das Cover zunächst ein Porträt verwendet, das der mittlerweile verstorbene James Rizzi einmal von Joey für Joey gemalt hatte. Das Porträt befindet sich in Mickeys Besitz. Wir haben es am Computer zigmal überarbeitet, bis wir endlich zufrieden waren. Es sah toll aus. Es stimmte alles. Und dann, nach drei Monaten harter Arbeit, bekam ich eines Morgens eine Mail von Mickey, der mir schrieb: „George, wir können das Cover nicht verwenden. Wir müssen die Platte neu gestalten. Denn das Bild von Joey gehört mir zwar, aber die Rechte zu seiner kommerziellen Nutzung liegen bei Rizzis Familie. Die will dafür 25.000 Dollar haben. Und das wiederum will die Plattenfirma nicht ausgeben.“

Erschienen ist die Platte dennoch. Wie hast du die Sache gerettet?

Mickey legte mir als Alternative ein Schwarzweißbild von Joey vor, das ihn bei einem Auftritt im Jahre 1975 auf Long Island zeigt, und meinte, wir könnten das doch verwenden. Ich sagte: Gut, gerne. Können wir machen. Aber die Maße für das Albumcover stehen fest und wir müssen dieses Foto in der Mitte durchschneiden. Also fragte ich ihn: Soll der Oberkörper weg, oder soll ich Joeys Beine abschneiden?

Offensichtlich fiel die Entscheidung zugunsten der unteren Hälfte aus.

Richtig. Wir nahmen Joeys zerrissene Jeans. Das war übrigens dieselbe Hose, die er schon bei den ersten RAMONES-Konzerten ein Jahr zuvor im CBGB’s getragen hatte.

Hast du das mit dem untrüglichen Blick des Fotografen erkannt?

Na ja, ich habe Bilder der Konzerte verglichen und gesehen: die Löcher sind die gleichen – nur waren sie 1975 dann viel größer. Übrigens: Der Titel „... Ya Know?“ auf dem Cover ist tatsächlich Joeys Handschrift. Ich habe ihn aus Buchstaben zusammengesetzt, die auf einer von ihm geschriebenen Weihnachtskarte an mich standen.

Gehen wir jetzt mal zu den Anfängen zurück: Wie bist du überhaupt Fotograf geworden?

Ich bin in Georgia aufgewachsen und 1975 nach New York gezogen, um dort eine Fotoschule zu besuchen. Im ersten Jahr habe ich nebenbei in einem Fotogeschäft gearbeitet. Das wurde aber langweilig. Es war nicht das, was ich machen wollte: Ich wollte viel lieber Praxiserfahrungen sammeln – als Assistent eines Fotografen. Also habe ich herumtelefoniert und Studios angerufen. Das Problem: Fast immer nahmen am anderen Ende der Leitung Leute ab, die bereits Assistent des jeweiligen Künstlers waren – und knallten den Hörer natürlich wieder auf die Gabel, wenn sie mein Anliegen hörten.

Wie hast du dich trotzdem durchgesetzt?

Ich habe angefangen, nachts in einer Druckerei zu arbeiten, und lernte dadurch einen Fotografen kennen, der mich anstellte – als dritten Assistenten. Ich durfte anfangs nur die Ausrüstung schleppen, sie aber nicht anfassen. Das durfte nur der erste Assistent. Aber ich habe mich hochgearbeitet und schließlich einen Fulltimejob angeboten bekommen – für 98 Dollar pro Woche.

Das war auch damals nicht unbedingt viel Geld.

Immerhin war das Mittagessen umsonst ... Aber es stimmt schon, das war nicht üppig. Ich kann sogar eine Anekdote dazu erzählen: Ich hatte einmal nur noch so wenig Geld in der Tasche, dass ich die U-Bahnfahrt zum Atelier, wo ich mir meinen Wochenlohn abholen wollte, nicht bezahlen konnte. Ich habe mich also zu Fuß auf den Weg gemacht – und wurde prompt von ein paar Typen angemacht, die meine Kohle wollten. Als ich ihnen glaubhaft versichern konnte, dass bei mir nichts zu holen sei, haben sie mich wieder laufen lassen. Ein Glück! Ein paar Tage später nämlich erfuhr ich, dass sie kurz danach einen anderen Typen erschossen haben.

War es spätestens da nicht Zeit für eine Gehaltserhöhung?

Das dauerte noch was. Aber trotzdem war mein Chef in diesem Studio absolut in Ordnung: Er hat mir irgendwann die Schlüssel für sein Atelier überlassen und mir erlaubt, seine Fotoausrüstung zu benutzen, wann immer ich wollte. Ich bin damit sofort losgezogen in Musikclubs.

Und hast Punkrock gehört?

Nein, ich war eher in Jazzclubs in Brooklyn unterwegs. Von Punk hatte ich damals noch keine Ahnung. Neben Jazz kannte ich nur Discomusik. Und ich hasste den Progressive Rock, der damals nach der Psychedelic-Phase groß angesagt war. Ich bin als Hippie aufgewachsen und liebte JEFFERSON AIRPLANE oder Hendrix, aber nicht YES oder GENESIS.

Kannst du dich noch an deinen ersten Besuch im CBGB’s erinnern, wo ja die RAMONES groß wurden und Punk nach Auffassung vieler seinen Ursprung hatte?

Oh ja. Ich habe irgendwann von diesem Rockclub gehört und bin einfach mal hingegangen. Der Eintritt kostete 3,50 Dollar. Gespielt haben TELEVISION. Und Gitarrist Richard Lloyd hat einfach nur Krach gemacht auf seinem Instrument. Da ich selber als Kind mit dem Gitarrespielen angefangen hatte, dachte ich nur: „Meine Güte, warum ist dieser Musiker nur so schlecht und darf hier trotzdem auftreten?“ Ich bin also zurück zur Kasse und habe mein Geld zurückverlangt. Das war typisch: Ich hatte Punkrock einfach noch nicht verstanden. Ich wusste noch nicht, was Punk war.

Ab wann wusstest du es?

Ich habe irgendwann einen Anruf von Andy Warhols Interview-Magazin bekommen, für das ich damals ab und zu Werbefotos machte: „George, willst du eine Band aus Georgia treffen und ablichten?“ Ich sagte zu, obwohl ich den Namen noch nie gehört hatte: B-52’s. Aber die kamen eben auch aus meiner Heimat. Also ging ich zum Konzert ins Max’s Kansas City. Als Erstes trat dort Lydia Lunch auf. Ihre Songs waren 45 Sekunden lang und trotzdem rief sie ihrer Band immer wieder zu: „Das muss noch schneller gehen!“ Danach kamen die B-52’s. Sie gaben sich im Gegensatz zu Lydia richtig Mühe, haben aber wenig auf die Reihe gekriegt. Und in diesem Moment wusste ich: Gute Musiker, die absichtlich versuchen, so schlecht wie möglich zu sein, und schlechte Musiker, die versuchen, so gut wie möglich zu sein – genau das ist Punk!

War das auch der Startschuss für dich, was das Fotografieren von Musikern anging?

Ja. Ich habe kurz darauf das Cover der ersten B-52’s-Platte entworfen – mit Songs wie „Rock lobster“ und „Planet Claire“.

Wie viel hast du mit diesem ersten Cover verdient?

Oh, nicht viel. Damals hat mich der Art-Director der Band, Tony Wright, gefragt: „Wie viel willst du für den Cover-Auftrag haben?“ Ich hatte keine Ahnung und fragte ihn zurück: „Wie viel wollen Sie mir denn zahlen?“ Ich habe zu dieser Zeit – als mittlerweile erster Assistent meines Fotografen – 125 Dollar pro Woche verdient. Und als er sagte: „750 Dollar“, dachte ich: Wow, das sind ja gleich mehrere Wochenlöhne! Das ist in Ordnung! Erst später habe ich gemerkt, dass ich wesentlich mehr Geld hätte verlangen können. Aber sei’s drum. Immerhin hat er mich später mit den RAMONES zusammengebracht, denn Tony arbeitete damals auch für die aktuelle Besetzung mit Joey, Johnny, Marky und Dee Dee. Und als sie 1983 ein Covermotiv für ihr Album „Subterranean Jungle“ suchten, riefen sie mich an.

Wie verlief deine erste Begegnung mit der Band?

Ich setzte mich mit ihnen zusammen und fragte sie, was sie sich so vorstellen. Die Jungs wollten ein Foto in einem U-Bahn-Waggon machen – in der Bronx. Ich dachte: Oh je, da muss ich ja erst mal von allen möglichen Stellen die schriftliche Erlaubnis einholen und eine Leiter mitbringen, denn da gab es keinen Bahnhof mit Bahnsteigen, nur Schienen. Also schlug ich ihnen vor, zur Station 57th Street und 6th Avenue zu gehen, wo der Zug aus Coney Island ankommt, 20 Minuten lang im Bahnhof steht und wieder zurückfährt. Das wäre genug Zeit – und die Sache wäre an dieser Stelle wesentlich unkomplizierter. Das haben wir gemacht. Und dann kam während der Fotosession doch ein Cop vorbei ...

Und machte Ärger?

Ja. Er fragte mich sofort, ob ich hier denn fotografieren dürfe. Ich sagte: „Meines Wissens nach brauche ich hier keine Erlaubnis“. Außerdem: Wir würden nur so lange Fotos machen, wie der Zug hier hält. Trotzdem bestand er darauf, seinen Chef in der Leitstelle anzurufen. Als er ihm die Sache erklärt hatte, gab er mir den Hörer in die Hand und sagte, sein Chef wolle mich sprechen. Der fragte mich dann: „Wie heißt die Band, für die Sie da die Bilder machen?“ Und als er „RAMONES“ hörte, antwortete er sofort: „Alles klar! Machen Sie weiter!“ Ich erfuhr später, dass die Band kurz zuvor ein Benefizkonzert im CBGB’s gegeben hatte, um Geld zu sammeln, mit denen sich die Cops des NYPD schusssichere Westen kaufen konnten. Und seitdem hatten die RAMONES bei der Polizei eben einen Stein im Brett. Diese erste Fotosession hatte aber noch einen anderen kuriosen Aspekt ...

Und der wäre?

Monte Melnick, der Tourmanager der Band, nahm mich während des Shootings zur Seite und sagte mir: „George, die Jungs wollen demnächst Marky wegen seiner Trinkerei aus der Band werfen. Er weiß zwar noch nichts davon, aber kann man ihn auf dem Cover fürs Album vielleicht schon mal ein wenig von den anderen wegrücken?“ Ich hatte daraufhin die Idee, Joey, Johnny und Dee Dee in die Tür des Waggons zu stellen und Marky etwas abseits hinter die Scheibe zu setzen. Und damit das nicht auffiel, habe ich auch noch ein paar Aufnahmen mit Dee Dee auf der Sitzbank gemacht. Es funktionierte: Marky schöpfte keinen Verdacht. Und kurz nach dem Erscheinen der Platte – mit ihm hinter dem Fenster, etwas abseits der anderen – war er tatsächlich raus aus der Band.

Du hast im Anschluss daran die Coverfotos für acht weitere RAMONES-Alben geschossen, wobei das berühmteste das Foto von „Too Tough To Die“ sein dürfte, oder?

Genau. Das war die Platte nach „Subterranean Jungle“. Da rief mich Johnny an und sagte: „Wir wollen dich wieder für eine Platte haben. Diesmal wollen wir irgendwas in der Art von ,Clockwork Orange‘ als Cover für unser neues Album machen.“ Wegen des Jugendgang-Aspektes. Ich dachte direkt an einen Tunnel. Also kamen der Art-Director Tony und ich auf die Idee, in einen dieser engen Tunnel im Central Park zu gehen, denn der würde die Bandmitglieder größer erscheinen lassen als ein breiter Tunnel. Vor Ort leuchtete ich die Szenerie mit blauem Licht hinter der Band und weißem Licht von vorne aus. Und dann passierte es: Ich machte ein Testfoto mit meiner Polaroidkamera – und die weißen Blitzlichter funktionierten nicht. Also hatte ich auf dem sofort entwickelten Bild nur vier dunkle Gestalten vor dem blauen Hintergrund. Tony aber war so begeistert von diesen Silhouetten, dass wir eine ganze Fotoserie auf diese Art und Weise machten. Und als wir das Ergebnis am nächsten Tag der Band zeigten, war auch sie begeistert. Alles wegen eines technischen Fehlers! Ich durfte von da an auch backstage bei Konzerten dabei sein. Deshalb habe ich ja Jahre später, 1996, am Ende des letzten Konzertes, bei dem ich die RAMONES fotografierte, auch eine alte Kamera von mir am Bühnenrand zertrümmert.

Wieso das? Ein letztes Statement des Rock’n’Roll?

Die Frage hat mir Johnny damals auch gestellt: „George, was war denn das für eine Aktion?“ Ich antwortete: „Ganz einfach: Wenn ihr aufhört, dann tue ich das eben auch!“ Ich wollte ihn ein bisschen schocken, weil er mich vor dem Konzert noch einmal ordentlich geärgert hatte. Als ich in den Konzertsaal kam, hieß es nämlich: „Drei Songs lang Fotos, dann ist Schluss.“ Daraufhin bin ich zur Band in die Garderobe gegangen und habe Johnny gefragt: „Johnny, ich bin euer Fotograf und ich soll euch live ablichten. Drei Songs? Bitte! Das kann doch nicht dein Ernst sein!“

Ließ er mit sich reden?

Ja, er sagte: „Okay, dann machst du so lange Fotos, bis ich auf der Bühne meine Lederjacke ausziehe.“ Das war dann in Ordnung. Das waren knapp 20 Minuten und damit schon knapp zehn Songs.

War Johnny also tatsächlich so ein schwieriger Kerl, wie immer behauptet wird?

Ich würde eher sagen: Johnny wusste einfach, was er wollte. Wobei ich auch betonen muss, dass ich die meiste Zeit mit Joey verbracht habe und ihn daher wesentlich besser kannte. Ich war nur einmal in Johnnys Appartement und habe seine Baseballkarten-Sammlung gesehen – die war riesig und wahrscheinlich mehr wert als all das Geld, das er mit den RAMONES verdient hat.

Was denkst du, was war der Grund, warum die RAMONES – inklusive Johnny als „Commander“ – dich von 1983 an immer als Fotografen haben wollten?

Ich war schnell. Und das mochten sie. Ich bin nie einer von denen gewesen, der die Kamera erst sechs Zentimeter nach links und dann sechs Zentimeter nach rechts stellt und viel ausprobiert. Ehe die Band kam, baute ich verschiedene Szenen auf, dann begann die Session. Wenn meine Assistenten die Kamera wechseln mussten, aßen wir schnell eine Pizza. Und in maximal 90 Minuten hatten wir genug Material zusammen. Wir waren fertig – und die Band hatte wieder ein Jahr lang Ruhe.

Neben den B-52’s und RAMONES hast du auch andere Künstler vor der Linse gehabt, darunter R.E.M. und Madonna.

Ich sollte damals für das Interview-Magazin etwas mit Michael Stipe machen und bekam ein Demotape von R.E.M.. Ich war sofort fasziniert von dieser Musik zwischen YARDBIRDS und BYRDS und von der Tatsache, dass die Band genau wie ich aus Georgia kam. Also schaute ich mir einen Auftritt in New York an und bot ihnen an, bei mir zu übernachten. So kam der Kontakt zustande. Madonna durfte ich bei ihrem ersten Konzert in New York fotografieren – damals noch gemeinsam mit ihrer Band BREAKFAST CLUB. Sie schien ungeheuer nervös zu sein und ich gab ihr in einer Pause ein paar Ratschläge, wie sie sich auf der Bühne verhalten solle. Das machte ihre Managerin so wütend, dass ich bis heute keinen Cent von ihr für die Fotos bekommen habe. Ausgleichen konnte ich das erst später, als immer mehr Interessenten die Bilder haben und veröffentlichen wollten. Aber so war es irgendwie immer: Ich habe viele Künstler, darunter auch Tom Waits oder Melissa Etheridge, zu Beginn ihrer Karriere fotografiert. Und später, als sie richtig bekannt wurden, haben dann andere, berühmtere übernommen ... Hallo Anton Corbijn! Haha, das ist eben die Geschichte meines Lebens.

Hat sich in den Jahren als Fotograf eine goldene Regel herauskristallisiert, wie man ein gutes Coverfoto macht?

Du musst mit den Musikern reden und herausfinden, was genau sie wollen. Aber am wichtigsten ist: Du musst dir ihre Musik ganz genau anhören. Das Cover eines Albums muss immer genauso aussehen, wie die Musik auf der Platte klingt. Immer wenn ich nach diesem Prinzip vorgegangen bin, kamen am Ende meine stärksten Fotos heraus. Siehe „Too Tough To Die“: Dieses Bild im Gang-Stil ist absolut Punk. Indes: Heute ist es schwer, mit dieser Methode Erfolg zu haben.

Woran liegt’s?

An den Plattenfirmen. Denen geht es mittlerweile nicht mehr um die Musik. Die interessiert auch nicht, was die Künstler selber vielleicht wollen. Die heuern heutzutage lieber irgendeinen weltberühmten Designer an, der dann ein bisschen auf dem Papier herumkritzelt – und fertig. Das Cover hat nichts mehr mit der Musik zu tun und das ist schade. Ich habe es immer geliebt, Schallplattenkisten durchzuwühlen und mir die Cover anzuschauen. Ich habe mir früher sogar Platten von Bands gekauft, die ich nicht kannte, nur weil mir das Cover so gefiel, zum Beispiel das Debütalbum von MOTT THE HOOPLE: Da ist vorne die Reproduktion einer Lithografie des Künstlers M.C. Escher drauf. Das Bild liebe ich heute noch.

Was würdest du heute einem jungen Menschen mit auf den Weg geben, der Musikfotograf werden will?

Ich würde ihm sagen: Es ist schwer, von der Fotografie zu leben. Das muss man einfach wissen, wenn man sich darauf einlässt. Wichtig ist außerdem, dass man sich nur Musiker vornimmt, deren Musik man auch mag, deren Musik man fühlt. Und: Man muss sich gerade dann, wenn man während eines Konzertes fotografiert, völlig auf das konzentrieren, was der Künstler auf der Bühne macht. Das war für mich nie ein Problem, schließlich habe ich die Bilder ohnehin immer erst dann gesehen, wenn ich sie vom Labor hatte entwickeln lassen. Heute aber gibt es Digitalkameras, bei denen die Bilder sofort angezeigt werden. Und da sehe ich bei Konzerten viele Fotografen, die ein Foto machen, es sich anschauen. Dann machen sie wieder ein Foto und schauen es sich wieder an. Und so geht das die ganze Zeit. Dadurch verpassen sie eine ganze Menge von dem, was da auf de Bühne vor sich geht. Das ist fatal. Man muss sich immer vor Augen halten: Es geht nicht um die Technik. Es geht um das Einfangen des Moments.

Die RAMONES sind seit 16 Jahren passé. Und die Joey-Plattencover mal ausgenommen: Fotografierst du heute noch?

Ich habe bis zuletzt noch für einige deutsche Musikmagazine gearbeitet und nehme auch weiterhin gerne Aufträge an. Aber das wird immer schwerer. Einige Magazine gibt es nicht mehr. Andere vergeben keine Aufträge mehr, weil sie nicht mehr soviel zahlen können – gerade an professionelle Fotografen. Und wenn, dann drucken sie die Fotos in Briefmarkengröße ab und zahlen nach Größe, da kommt nicht viel bei rum. Ich kann nunmal nicht von Fotos leben, die mir 50 Euro einbringen. Vor zwei Monaten zum Beispiel hatte ich ein Gespräch mit dem Redakteur eines HipHop-Magazins, der mich das erste Mal nach langer Zeit wieder anrief und mich um Fotos bat. Ich sagte ihm: „Okay, mache ich.“ Dann ging es um den Preis und ich sagte: „Es ist mir egal, wie viele Fotos ihr wollt oder wie groß sie gedruckt werden – das bleibt euch überlassen. Aber ich möchte für den Auftrag insgesamt 250 Euro haben.“ Er sagte daraufhin, er würde sich wieder melden. Bis heute habe ich keinen Anruf mehr bekommen.

Wie verdienst du angesichts solcher Probleme dein Geld?

Ich mache zum Beispiel Fotos in ganz anderen Sparten als Musik. Man muss flexibel sein.