XAXAXA

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Punk ist konservativ

Endlich mal wieder ein heftiger Anarcho-Rundumschlag vom Balkan. Vasko, Gitarrist und Sänger des Trios XAXAXA, aber auch bei BERNAYS PROPAGANDA aktiv, pflegt seine Feindbilder und worüber könnte man besser schimpfen als über Vidkun Quisling, einen norwegischen Kollaborateur im Zweiten Weltkrieg? Trotz des lustigen Namens XAXAXA, welcher die kyrillische Schreibweise für HAHAHA ist, hat das zweite Album der Band aus Mazedonien auf Moonlee Records also eine politische Agenda, kann mit seinen WIPERS-Anklängen aber auch stilistisch überzeugen.

Das Artwork von „Siromašni i bogati“, übersetzt „Arm und reich“, ist minimalistisch und vermittelt trotzdem eine starke Botschaft. Angesagt sind aber Hochglanzlayouts. Entspricht das der ursprünglichen Idee des Punk?


Unser Artwork ist das Remake eines Gemäldes von Gerard ter Borch namens „Ein Knabe floht seinen Hund“ und es vermittelt sehr gut, wie die Dinge in unserer Gesellschaft laufen. Flöhe sind ein Zeichen von Armut, der Hund ein Symbol für Loyalität und Hingabe, der Junge steht für Unschuld. Diese Kategorien sind es wert, dass man darüber redet, aber niemand nimmt sie ernst. Wenn man heute von Punk spricht, dann meint man eine konservative Musikform, die nicht mehr viel verändert. Punk ist beinahe schon mit Jazz vergleichbar. Als die Bewegung ihren Anfang hatte, war die Hauptidee ja, dass alle Menschen unterschiedlich sind und somit Individuen. Jetzt wiederholen sich immer die gleichen Akkorde und einen Dresscode gibt es auch. Die Leute stehen leider auf Uniformen. Damit ist man sofort Teil der Herde und das ist einfacher, als sein eigenes Ding zu machen. Rockstars und Punk-Musiker sind sich da inzwischen recht ähnlich. Übrigens mag ich den Begriff „Punk“ nicht sonderlich, ich bevorzuge es, die Sache „Hardcore“ zu nennen, denn letztlich sind das die echten Punker.

Ihr sprecht viel über Ausbeutung und habt auch einen historischen Song namens „Phanariotic story“. Wofür steht der Track?

Phanarioten kann man ganz einfach in Pharisäer oder Quislinge abändern, oder in Punkbands, die zu Majorlabels gehen. Ich spreche in dem Song über gierige, aber extrem gebildete Menschen, die sich nicht der Ehrlichkeit verpflichtet und auch keiner Gruppe zugehörig fühlen. Sie können sich überall anpassen, um ihren Vorteil daraus zu schlagen. Diese Leute verhandeln immer nur mit der herrschenden Klasse, um ihr eigenes Wohlergehen und ihren Einfluss geltend zu machen. Ihnen geht es nicht darum, welches System herrscht, egal ob Demokratie oder Diktatur, sie wollen einfach reich bleiben und Macht haben.

Im Gegensatz dazu haben viele junge Griechen und Spanier Probleme, einen Job zu finden. Wie ist es in Mazedonien?

Das Schicksal junger Mazedonier ist es, in einem kleinen, isolierten Staat zu leben. Viele versuchen, daran etwas zu ändern, aber man kann wenig tun. Klar, wir haben 200 Sonnentage im Jahr und ertragreiche Felder, aber wir wollen eben keine Bauern sein, sondern Manager und Rockstars. Wir sind eben blöd genug, funktionierende Strukturen, auch sozialer Art, die wir in der Vergangenheit hatten, zu ruinieren und uns diesen kapitalistischen Traumgebilden hinzugeben. Es stimmt, dass wir früher nur drei verschiedene Artikel von jedem Produkt hatten, aber jeder konnte sie sich leisten. Heute sind die Supermärkte voller Waren, aber nur die Reichen können sie sich kaufen. Junge Mazedonier leben von 200 Euro im Monat und träumen den kapitalistischen Traum, der nie Wirklichkeit werden wird.

Skopje, die Stadt aus der ihr stammt, ist seit Jahrhunderten ein multikulturelles Zentrum. Wird man dort zum toleranten Menschen erzogen?

Wenn größere Städte Multikulturalität beanspruchen, dann handelt es sich meist um Heuchelei. Das ist leider auch in Skopje der Fall. Hauptsächlich gibt es hier natürlich Mazedonier, aber auch Albaner, Türken, Serben oder Roma-Familien leben in der Stadt. Dass Ehen außerhalb der eigenen Gruppe geschlossen werden, ist allerdings eher die Ausnahme, und auch was das Geschäftliche angeht, bleibt man unter sich. Ich bin eine tolerante Person, aber das verdanke ich dem Anarchismus und nicht dieser Gesellschaft.

Euer Song „Brave new world“ warnt vor zunehmender Virtualisierung, auch hier steht wieder Freiheit gegen staatliche Kontrolle.

Die Regierungen wollen immer Kontrolle über den Normalbürger haben und der wählt komischerweise stets Sklaverei statt Freiheit. Die meisten tun dies, weil sie Verantwortung fürchten. Die Internet-Ära ist ein Spiegel des momentanen Geistes- und Bewusstseinszustandes der Menschen. Viele sind mit simuliertem Leben zufrieden, anstatt wirklich zu leben. Man kann im echten Leben ein Verlierer sein, sich aber trotzdem als toller Hecht auf Facebook inszenieren. Jello Biafra sagte mal in einem Interview, dass in der Vergangenheit die herrschende Klasse durch Zensur von Wissenswertem Macht ausübte. Es war schwer, an echte Informationen ranzukommen. Die Internet-Ära bietet das genaue Gegenteil, nämlich eine Schwemme an Information, aber man kann nicht so einfach herausfinden, was nun falsch oder richtig ist.