NASTY

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Der Soundtrack zum erhobenen Mittelfinger

NASTY, die manche als typische Vertreter des „Beatdown“-Hardcore ansehen, müssen sich zweifellos mit einem negativen Image herumschlagen. Fakt ist aber, dass sich kaum jemand die Mühe macht vor der pauschalen Abwertung der Musik (stumpf, primitiv, prollig, affig) einmal auf die Inhalte zu schauen oder sich intensiver mit der Band zu beschäftigen. Es ist ja auch einfacher, sich mit dem zu befassen, was ins gewohnte Raster passt. Das gilt nicht nur für Leute aus der Szene, sondern auch für die Vertreter der Musikpresse, die NASTY, trotz inzwischen fünf Alben und zahlreichen Touren, kaum Gelegenheit geben, sich einmal selbst zu Wort zu melden. Dass NASTY aber eine Band ist, die Wert auf Message und Inhalte legt, zeigt das neue Album „Love“ ziemlich deutlich: gegen Faschismus, gegen Sexismus, gegen Dummheit und Ignoranz. Wer den Soundtrack zum erhobenen Mittelfinger sucht, findet ihn hier. Wer sich darüber hinaus die Zeit nimmt, sich persönlich mit der Band zu unterhalten, wird vermutlich überrascht sein. So wie ich beim Interview mit Sänger Matthi.

Matthi, der Titel der neuen Platte ist im Verhältnis zu den Titeln der Platten davor fast brav oder fröhlich. Warum habt ihr euch für den Titel „Love“ entschieden?


Ich finde, immer nur „Hass dies, hass das, alles ist scheiße“ bringt nichts. Wir wollen den Leuten generell erst einmal freundlich und nett gegenübertreten, bis man dann vielleicht vom Gegenteil überzeugt werden sollte. Und ich finde, Liebe ist eine sehr konstruktive Sache. Auf dem Cover ist auch noch ein Anarchiezeichen im O miteingebaut, da gibt es dann schon mal Leute, die fragen, was es damit auf sich hat. Und ich denke, viele haben bei Anarchie eine Vorstellung von „keine Bullen“ und „wir hauen uns alle die Köpfe ein und mal gucken, wer überlebt“, aber ich finde, Anarchie würde rein theoretisch eintreten, wenn alle Menschen sich einfach lieben. Keiner müsste dem anderen misstrauen, keiner würde stehlen und dann bräuchtest du den ganzen Apparat nicht mehr und alle würden auch so miteinander klarkommen. Und das ist so ein Grundgedanke hinter dem Ganzen – einfach etwas Positives. Es kann auch die Liebe zur Musik sein, die Liebe zu den Menschen, die man auf Touren kennenlernt, da ist jetzt nicht nur die Liebe in diesem Pärchensinne gemeint.

Es gab vorab so was wie ein Video-Diary zum neuen Album. Wie viel davon ist echt oder hat zumindest einen Bezug zu einem echten Ereignis?

Ähm ... Nichts! Es gibt da diese Zwischensequenzen, wo Musik drüber liegt, da sieht man mal kurz, wie wir vermutlich normal aufgenommen haben. Aber der Rest war alles spontan. Wir haben überlegt: Hey, lass uns mal ein Studio-Diary machen! Ja, aber dann lass uns was anderes machen als sonst. Das interessiert doch sonst keinen. Da kommt immer nur dasselbe drin vor. Wir hatten dann überlegt, das mehr wie so eine Reality-Geschichte aufzuziehen. Idioten spielen sich selbst, so ungefähr, und dann ist das dabei rumgekommen.

Meine Lieblingsstelle ist die, wo Chris gerade die Gitarre nimmt und nur so Metalgefrickel spielt und du entnervt sagst: „Ich weiß nicht was der Scheiß soll!“ So ein bisschen echtes wirkt das dann aber doch. Wenn die Parts wirklich auf der Platte gelandet wären ...

Nee, zum einen war es natürlich super schief, weil wir so etwas nicht können, andererseits passt das auch nicht zu uns, vielleicht könnte man irgendwann so etwas mal einbauen, wenn man das spielerisch hinkriegen könnte. Aber du musst dir das mal vorstellen, es haben wirklich Leute im Internet darauf reagiert, die meinten, „Nein, bitte keine Soli bei NASTY! NASTY verraten sich selber, NASTY spielen jetzt Soli.“ Irgendwie nicht ganz verständlich für uns.

Ihr löst am Ende des Videos nicht auf, dass es ein Fake ist, was ich gut finde, denn wenn sich Leute den Mund darüber zerreißen, ist das auch wieder witzig. Ich habe bei euch sowieso den Eindruck, dass ihr eine Band seid, die nicht so viel auf so etwas gibt.

Auf konstruktive Kritik gehen wir immer sehr gerne ein, das finde ich immer super. Wir können sehr gut über uns selber lachen, das stimmt auch. Wir nehmen uns gegenseitig auch nicht immer für voll. Und egal ist es einem, glaube ich, nie, insbesondere bei Sachen, die auf Unwahrheiten basieren. Ich finde, man sollte als Band nicht zu sehr Stellung nehmen zu irgendwelchen Sachen im Internet und da etwas kommentieren, das wird immer nur noch mehr zerfetzt, weil die Leute, die „haten“ wollen, die machen das auch, denen ist es ganz egal, was du denen vorlegst. Im Endeffekt stehen wir da aber drüber. Wir machen ja nicht Musik, um Leuten zu gefallen, sondern wir machen das, was wir ausdrücken wollen, und wenn man eine klare Meinung vertritt und eine klare Linie fährt, ist es klar, dass das gewissen Leuten nicht gefällt. Und es wäre auch blöd, wenn man allen gefallen würde, da würde man auch irgendwas falschmachen, finde ich.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass das neue Album das vermutlich konsensfähigste von euch ist, was für mich am Sound und nicht zuletzt am Artwork liegt. Ist jetzt gerade auch der richtige Zeitpunkt für die Platte, um viele Leute zu erreichen?

Ich glaube, dass der Zeitpunkt für uns ganz gut ist. Unser letztes Album ist zwei Jahre her, wir haben letztes Jahr viel getourt. Uns betreffend gibt es einige Vorurteile, wir seien Sexisten und primitiv, und was nicht noch alles. Wir hatten viel Gelegenheit, dem live entgegenzuwirken. Außerdem sind ein paar sehr direkte Aussagen auf dem Album, bei denen es Zeit war, die zu bringen. Ich finde, dass viele Bands aus den Augen verloren haben, worum es eigentlich geht. Für uns war die Band schon immer da, weil wir etwas ausdrücken wollen. Danach gestalten wir die Musik, darum geht es uns bei der Musik, um Kommunikation.

Wie nimmst du die Situation für Beatdown, eure Version des Hardcore, wahr?

Wir sehen uns nicht wirklich als Beatdown-Band. Wir hatten zwar mal Shirts mit der Aufschrift „Terrorbeatdown“, das resultierte aus einer Beschreibung, die mal jemand für uns hatte, und wir dachten: „Cool, hört sich doch brutal an, drucken wir drauf.“ Aber wir sehen uns einfach nur als Hardcore-Band. Wir finden, dass genau diese Unterteilung in Genres im Hardcore das Ganze ziemlich kaputtmacht. Die einen machen Beatdown, die anderen machen Oldschool, die nächsten machen den neusten Hipster-Doom-hast-du-nicht-gesehen, die andern machen Deathcore, Metalcore, da gibt es ja mittlerweile wer weiß wie viele Sparten. Ich finde, dass das genau der falsche Weg ist. Für uns ist das Hardcore. Wir sind damit aufgewachsen, dass wir GOOD CLEAN FUN, REPRISAL, CALIBAN und noch irgendwelche Punkbands zusammen auf einer Show hatten, und da wurde jede Band gleich empfangen, jede Band gleich gefeiert. Es heißt immer, Hardcore steht für eine große Toleranz und Akzeptanz und hat Unity auf seiner Flagge stehen, in Wahrheit ist es aber mit die intoleranteste Szene, die man sich überhaupt vorstellen kann. Jeder ist wie ein Opa, der aus dem Fenster schimpft. Jeder kümmert sich nur noch um Äußerlichkeiten, jeder flennt im Internet rum, anstatt die Leute einfach mal machen zu lassen. Unserer Meinung geht es um Veränderung und dass wir hier alle was bewegen wollen. Weißt du, du bist nicht cool oder ein besserer Mensch, weil du eine bestimmte Art von Musik machst oder hörst oder bestimmte Klamotten trägst. Ich finde, das ist der falsche Weg.