TURBOSTAAT / ZSK

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Marten & Joshi im Gespräch

Zwei Punkbands mit deutschen Texten, die „echt“ sind und relativ großen Erfolg haben, veröffentlichen dieser Tage ihr neues Album – und könnten bei allen Parallelen unterschiedlicher nicht sein. Wir baten Marten von TURBOSTAAT und Joshi von ZSK, sich doch mal in einem Café in Kreuzberg zu treffen und über ihre Bands zu unterhalten.

Joshi:
Hey, Marten, ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass 2013 die große UNABOMBER-Reunion ansteht.

Marten: Ach? Also ich wüsste da jedenfalls nichts von, aber vielleicht kommt da ja noch was. Welches Vögelchen hat dir das denn gezwitschert?

Joshi: Nee, war nur ein Jux.

Marten: Ach so. Aber das kann ja wirklich sein, dass du jemanden getroffen hast, der das behauptet.

Joshi: Welche Reunion würdest du denn 2013 gerne sehen?

Marten: Ehrlich gesagt, wüsste ich niemanden, von dem ich mir wünschen würde, dass sie sich wieder zusammen tun.

Joshi: Ich würde mich auf jeden Fall über eine OPERATION IVY-Reunion freuen!

Marten: Wie fühlt sich eigentlich eine Reunion an? Habt ihr ja gerade hinter euch.

Joshi: Das haben wir uns zuerst auch gefragt. Wir wussten ja auch nicht, ob das funktionieren und vor allem, ob sich das für uns überhaupt cool anfühlen würde. Immerhin waren es fünf Jahre, in denen keiner von uns mit einer anderen Band auf der Bühne stand, geschweige denn großartig sein Instrument angerührt hat. Aber als wir dann unser erstes Konzert in Hamburg gespielt haben, war für uns sofort klar, dass wir nach wie vor Bock auf genau das haben. Dass das Konzert dann auch noch mit 1.000 Leuten ausverkauft war, hat uns natürlich nur noch bestätigt. Zumal wir dann auch mitbekommen haben, dass unser Publikum zum einen mit uns älter geworden ist, aber zum anderen auch eine junge Generation nachgewachsen ist. Das ehrt uns natürlich doppelt.

Marten: Begreift ihr euch als Sprachrohr der von euch ins Leben gerufenen Kampagne „Kein Bock auf Nazis“?

Joshi: Damals, als wir „Kein Bock auf Nazis“ initiiert haben, haben wir als Band versucht, die Kampagne groß zu machen. Heutzutage ist die Kampagne aber viel größer, als die Band jemals war.

Marten: Ich wollte eigentlich mehr auf die Band und vor allem auf eure Texte hinaus. Begreift ihr euch als Sprachrohr oder verlängerter Arm der Kampagne?

Joshi: Wir sind auf jeden Fall eine politische Band. Wir sind schon eine Politgruppe, nur auf eine andere Art. Die Themen, die uns beschäftigen, kommen in unseren Liedern vor und werden auch schon sehr direkt behandelt. Das Engagement gegen Neonazis und Rassismus gehört von Anfang an zu unserem Verständnis von Punkrock. Für mich lässt sich das nicht trennen. Wobei ich nicht meine, dass jede Band sich politisch äußern muss. Aber wir für uns finden das wichtig!

Marten: Ich finde es schon erstaunlich, dass ihr mit der Band diese Kampagne leitet, mit dem Ganzen dann beim KiKa auftretet und dann auch noch euer Anliegen kindgerecht verpackt erklärt. Respekt! Habt ihr deswegen eigentlich häufig Stress mit Nazis auf euren Konzerten?

Joshi: Nein. Eigentlich nie. Abgesehen vielleicht von einem Konzert in Dortmund, wo es leider eine sehr starke und aggressive Naziszene gibt. Die haben mal versucht, vor einem Konzert von uns Kids abzufangen. Aber wir hatten uns vorher schon mit der lokalen AntiFa kurzgeschlossen. Wir waren also vorbereitet und somit war es ein leichtes, den Nazis zu zeigen, dass sie nicht erwünscht sind. Aber sonst hatten wir bisher immer Glück!

Marten: Ich kann mich noch an früher erinnern. Anfang bis Mitte der Neunziger waren die Nazis ja schon noch schwer unterwegs. Und da gab es auch Momente, in denen das Alternative Zentrum angegriffen wurde, während ich da als Kiddie auf einem Konzert war. Oder man hat mitbekommen, dass Leute auf dem Weg abgefangen wurden. Das hieß dann bei den braunen Idioten „Zeckenklatschen“. Aber solche Geschichten habe ich zum Glück schon lange nicht mehr gehört, schon gar nicht bei unseren Konzerten.

Joshi: Sag mal, glaubst du eigentlich, dass Leute wie du und ich, also die mit Punk-Musik und in einer D.I.Y-Szene aufgewachsen sind, dass die was fürs Leben mitnehmen?

Marten: Es klingt natürlich schon ein bisschen vermessen, aber für mich gilt das auf jeden Fall. Ich habe ja nur diese eine Biografie. Und somit kann ich schon sagen, dass ich durch diese Szene mit bestimmten Themen und Denkansätzen konfrontiert wurde. Das ist vergleichbar mit Mathematik, da lernt man auch, in gewissen Systemen zu denken und in gewissen Richtungen Alternativen zu finden. Mich hat das alternative Umfeld stark geprägt. Es hat mich auf jeden Fall mehr geprägt als die Schule. Es war ein Ort, an dem man sich zugehörig gefühlt und auf Verständnis gestoßen ist. Etwas, das man bei seinen Mitschülern nicht unbedingt gefunden hat.

Joshi: Ich finde es auch wichtig, dass man dort lernt, Sachen einfach selber zu machen. Du kannst deine eigene Band gründen, du kannst selbst ein Konzert organisieren, eine Zeitschrift machen und und und ... Ich wünsche jedem, dass er in genau so einem Umfeld sozialisiert wird. Dadurch merkt man, dass man selbst was machen und somit auf eine bestimmte Art auch was verändern kann. Das beeindruckt mich an der Musik und an dem Umfeld am meisten.

Marten: Bei uns war der Besuch des Alternativen Zentrums und die Bandgründung eigentlich auch nur der erste Schritt. Danach ging es erst richtig los, als wir durch die ganze Republik gefahren sind, um Konzerte zu spielen, und so die ganze Struktur und Szene kennengelernt haben. Wir haben uns als Band keine großartigen Gedanken gemacht, sondern einfach nur mit dem „Buch dein eigenes beschissenes Leben“-DIY-Handbuch Konzerte und Tourneen gebucht. Genau in dieser Haltung sehe ich für mich auch den Unterschied zwischen einer Band, die genau aus diesem Umfeld kommt, und einer Band, die zwar musikalisch vielleicht in die Punk-Ecke gesteckt wird, aber dort nicht sozialisiert wurde. Wir werden öfter von anderen Bands gefragt, wie man denn am besten an Labels, Agenturen, Konzerte, was weiß ich herankommt. Darüber haben wir damals nie nachgedacht. Wir haben einfach gemacht und dadurch erlebt und gelernt. Heute müsste es so eigentlich auch noch funktionieren, wobei ich das gar nicht mehr richtig beurteilen kann.

Joshi: Von der Kommunikation her ist das heutzutage sogar noch einfacher als damals, da man ja zum Beispiel keine Briefe mehr schreiben und Demokassetten verschicken muss.

Marten: Aber diese ganze Bandgeschichte hat mich rückblickend schon am meisten geprägt. Wenn man dann zum Beispiel nach Göttingen ins Juzi gefahren ist und dort komplett andere und erst mal fremde Menschen getroffen hat, die aber alle den gleichen Background hatten. Das hat meinen Horizont schon sehr aufgebrochen.

Joshi: Du kannst sonst wo hinfahren und triffst auf Leute, die die gleiche Musik hören, die die gleichen „Werte“ vertreten. Die alle für eine positive Sache einstehen. Das fand und finde ich immer sehr gut. Aber wie war es für euch mit dem beschriebenem „D.I.Y.“-Background eigentlich auf einem Majorlabel? Da musstet ihr ja vermutlich schon Kompromisse machen, oder?

Marten: Mir fällt spontan nix ein, was wir gemacht hätten, damals schon bescheuert fanden und so nicht mehr machen würden. Da gibt es bestimmt etwas, aber das ist dann nicht der Fehler des Labels gewesen. Wir hatten einen Vertrag, der uns alle Freiheiten eingeräumt hat und wo wir wirklich immer ein Vetorecht hatten. Unsere Schallplatten haben wir in der Zeit zum Beispiel ja auch weiterhin veröffentlicht.

Joshi: Scheiße, so einen Deal hätten wir auch mal machen sollen.

Marten: Dass uns in der Zeit Quatsch angeboten wurde, wo wir gesagt haben, dass wir das auf keinen Fall machen, da gibt es ganze Listen von. Aber wir mussten auch erst mal lernen, dass so ein Majorlabel seine Musik verkaufen will und muss. Und dafür hat es halt seine Mittel. Diese werden dir natürlich dann auch komplett angeboten und natürlich nicht in böser Absicht. Aber wenn wir das nicht machen wollten, dann haben wir das gesagt und das wurde auch respektiert!

Joshi: Bist du eigentlich Plattensammler?

Marten: Na ja, richtig Sammler bin ich nicht und dafür habe ich auch zu wenig Platten. Aber ich höre meine Musik am liebsten von Schallplatte. Und so denke ich auch bei unseren Veröffentlichungen. Ich bin mit der Schallplatte aufgewachsen und ich möchte Vinyl rausbringen. CDs waren und sind mir egal, mp3 interessiert mich auch nicht. Das ist alles nur ein Nebenprodukt für mich. Aber es gibt in der Band auf jeden Fall auch richtige Plattensammler. Wie ist das bei dir?

Joshi: Ich mag Platten, kann aber auch gegen einen echten Sammler nicht anstinken.

Marten: Aber lass uns ruhig mal bei den Kompromissen bleiben. Wäre es für euch zum Beispiel eine Option, im Rahmen des „Bundesvision Song Contest“ oder bei „TV Total“ aufzutreten?

Joshi: Ich glaube, der Contest wäre mir zu blöd. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass das Gros der Leute uns eh scheiße findet. Wir sind keine guten Musiker. Wir sind keine Deutschrock-Band. Wenn man dann für uns das Handy zücken und abstimmen müsste, das würde bestimmt total in die Hose gehen. Engagierte Kids und Punkrock-Fans, die mögen uns, aber der normale JENNIFER ROSTOCK-Hörer, der würde damit mit Sicherheit nix anfangen können. Ich bin sicher, dass wir uns mit so einem Auftritt keinen Gefallen tun würden.

Marten: Und zu „TV Total“?

Joshi: Habe ich, ehrlich gesagt, nie drüber nachgedacht.

Marten: Ihr habt ja schon ein deutliches Sendungsbewusstsein.

Joshi: Wir müssten es vermutlich intern schon intensiv diskutieren, aber ich denke, das kann man schon machen. Aber sag mal, wann spielen wir eigentlich mal ein Konzert zusammen?

Marten: Ja, wann machen wir das? Wir haben echt noch nie zusammen gespielt!

Joshi: Nein, verrückt. Wie lange gibt es euch?

Marten: Seit 1999.

Joshi: Das kann echt nicht sein, oder?

Marten: Wahrscheinlich weil wir zu unterschiedliche Musik machen.

Joshi: Ach komm ... wir sind doch per du.

Marten: Per du mit dem harten Rock!

Joshi: Das würde doch passen. Meinst du, es würde Streit im Publikum geben, wenn wir zusammen spielen?

Marten: Nee, das glaube ich nicht.

Joshi: Dann machen wir das jetzt aus.

Marten: Wo willst du denn spielen?

Joshi: Mir doch egal. Irgendwo, wo es nett ist.