VOM RITCHIE

Foto

CRYSSIS, DIE TOTEN HOSEN und all die anderen Bands

Vom Ritchie hat nie Feierabend, irgendwo trommelt der Kerl immer. Unlängst kam nun mit „Kursaal Nights“ ein neues Album inklusive Tourmarathon von den großartigen CRYSSIS, direkt nach einer langen Tour der TOTEN HOSEN, und spontane Kollaborationen mit Tim Smith aka TV Smith laufen noch nebenher. Der kleine Mann aus Düsseldorf ist offenkundig ein Meister des Multitaskings – und immer für einen launigen Seitenhieb auf den Herausgeber des Ox zu haben ...

Vom, wie bekommst du den organisatorischen Spagat zwischen Musik und Familie hin?


Nun, es ist schwierig, alles immer unter einen Hut zu kriegen, so dass es keinen Ärger und keine Missverständnisse gibt. Aber bis jetzt hat das alles erstaunlich gut funktioniert. Ich habe mittlerweile auch aufgehört, für die BOYS zu spielen. CRYSSIS, TV Smith und DTH sind also meine drei aktuellen Hauptbands und die Schulferien versuche ich immer, für die Familie freizuhalten, was meist gut klappt. Wenn ich zum Beispiel mit TV spiele, nennen wir die Shows seit geraumer Zeit TVOM, so wissen die Leute, dass sie es mit uns beiden zu tun haben. Die drei Shows kürzlich im Pitcher in Düsseldorf waren ein großer Spaß und Tim ist ein echt guter Freund von mir, es ist also alles gut. Ich muss mich wiederholen, aber so schwer es ist, alles zu managen, ist es mir doch lieber, als sich wie Joachim Hiller den ganzen Tag den Arsch im Büro platt zu sitzen ...

Wie kann man sich das organisatorisch vorstellen?

Bei DTH gibt es ständig Änderungen im Konzertkalender, was andere Dinge natürlich umso schwerer macht. Ich picke mir also nur die Zeiten heraus, wo ich mir zu hundert Prozent sicher sein kann, dass ich „Hosen-frei“ habe. Es ist für alle eine unschöne Situation, wenn Terminzusagen nachträglich gecancelt werden müssen. Sich freie Zeit herauszuschneiden kann wirklich schwer sein. Ich muss das nach allen Seiten hin absichern, aber das ist allemal besser, als im kuscheligen Büro den ganzen Tag schlechte Luft zu atmen wie Joachim.

CRYSSIS sticht aus der Vielzahl deiner Projekte definitiv heraus. Die Band scheint dir wirklich am Herzen zu liegen ...

CRYSSIS entstanden aus einer Band namens CRY DYAAN, in der ich zusammen mit Dick York 1979 aktiv war. Nach anderthalb Jahren brach das aber schon wieder auseinander, ich konnte die alten Songs aber nie vergessen. Es gab in der Zwischenzeit keine einzige Woche, in der ich nicht an sie gedacht habe, ehrlich. Ich fand schließlich ein altes Demo und einige Studioaufnahmen auf dem Dachboden, und suchte und fand schließlich Dan – nach über 32 Jahren! Wir spielten im Juni 2010 zwei kleine Pubshows in Düsseldorf, zusammen mit Thomas Schneider am Bass, und es lief so gut, dass wir die Songs endlich richtig aufnehmen wollten. Dazu kamen schnell neue Stücke und wir rekrutierten Trip Tom, mit dem ich und Thomas bereits bei den CORNER BOYS sowie bei zwei TV-Smith-and-Band-Touren gespielt hatte. Alles lief wie von selbst, das Line-up könnte nicht besser sein! Für das neue Album und die Tour hatten wir Inge Johansson am Bass, ehemals THE (INTERNATIONAL) NOISE CONSPIRACY, was das Proben nicht leichter macht. Im Gegenteil, denn wir leben alle in verschiedenen Ländern, aber du weißt ja: alles besser, als den ganzen Tag im miefigen Büro zu verbringen und Bands zu verreißen, die nicht trendy oder punkig genug sind, wie Joachim ...

Letztes Jahr waren CRYSSIS Opener für DIE ÄRZTE. Wie war das denn so?

Es war großartig für uns! Das war unser größtes Publikum bisher, viel größer noch als beim Support der DONOTS in Osnabrück. In Dresden und Stuttgart kamen jeweils über 12.000 Menschen zu den Konzerten. Einmalig, ein Traum für uns, ehrlich! DÄ mochten unser Album „Simple Men“ und behandelten uns echt klasse bei den Shows. Ein unglaubliches Ding und viel besser, als sich in überhitzen Büros den ganzen Tag den Kopf zu zerbrechen, ob eine Band zu alt, zu jung, zu cool oder „in“ genug für Untergrund-Journalisten wie Joachim ist, yeah!

Stichwort Drumming Monkey Records – was sind die Pläne, was kommt?

Zum einen das neue CRYSSIS-Album mit allem Drum und Dran. Dann planen wir den Release eines neuen Albums von MIDDLE FINGER SALUTE. Eine spitzenmäßige neue Band aus England, die weltweit bereits einige Wellen losgetreten hat. Hoffentlich ergeben sich ein paar coole Termine in Deutschland für die Jungs, um das Album zu flankieren. Außerdem wird es sicher auch ein neues Album von TV Smith geben. Momentan basteln wir an einigen interessanten Demos. Es braucht wegen der Touren von DTH und CRYSSIS alles etwas länger, aber es wird und ist vor allem besser, als sich wie Joachim tagein, tagaus mit einem Haufen „In“-Journalisten, die über Musik Bescheid wissen, alle paar Minuten High-Fives zu geben, nackt und wie aufgezogen durchs Büro zu toben, oder?

Kein Kommentar. Muss es immer noch „nur“ Punkrock sein oder hättest du mittlerweile auch mal Lust auf „andere“ Musik?

WET DOG war mal eine Art Mischmasch verschiedenster Stile. Die MATTLESS BOYS waren punkig, aber auch poppig und rock’n’rollig. Und ganz aktuell arbeite ich mit einem Düsseldorfer Rapper zusammen. Aber: Pst, das ist alles noch „geheim“, also kann ich noch nicht so viele Details verraten. Punkrock ist das, was ich wirklich liebe, aber ich mag auch größtmögliche musikalische Vielfalt. In etwa so, wie Joachim eben vegetarisch-vegane Kochbücher herausgibt.

Interessierst du dich über Hi-Hat und Snare hinaus auch für Perkussion und Rhythmik allgemein? Da gibt es ja so einige spezielle Krachmacher.

Klar, wenn wir unplugged spielen oder ich mit TV Smith auftrete, dann spiele ich nur auf einem Hi-Hat und einer Cajón, einer Kistentrommel aus Mexiko. Ich liebe es, darauf zu spielen! Nach zwei Stunden zusammen mit TV sind meine Hände aber immer übel angeschwollen und nach den drei Shows im Pitcher sahen sie aus, als würde ich Boxhandschuhe tragen. Wirklich schlimm. Da hat es sogar Joachim in seinem muffigen Büro besser.

DEAD SOLUTION – gibt es die noch beziehungsweise was machen die musikalischen Ambitionen deines Sohnes? Pusht ihr euch gegenseitig?

Ja, Jez spielt noch und verbessert sich nahezu täglich! Seine Band ist derzeit aber „on hold“. Zusammen mit seinem fünfzehn Jahre jungen Kumpel Meggy spielten sie letztes Jahr vor TVOM und entfachten einen regelrechten Sturm der Begeisterung. Die beiden sind ein fantastisches Duo und ich bin sehr gespannt, was dieses Jahr für sie bringen wird. Ich denke, Jez will mit DS richtig durchstarten, aber er hat schlicht Probleme, genauso motivierte Gleichgesinnte zu finden. Wir jammen öfter zusammen, was riesigen Spaß macht, aber er will doch lieber mit gleichaltrigen Kids und nicht mit einem alten Sack zusammenspielen. Unglaublich, Joachim hatte recht, ich bin zu alt.