SEB & THE RHAA DICKS

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Punkrock in ... Lyon

Lyon ist die drittgrößte Stadt Frankreichs und international bekannt für ihre Kultur. So wurde hier beispielsweise der allererste Film der Menschheitsgeschichte gedreht und die Altstadt wurde unlängst von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Was die Stadt in Sachen Subkultur zu bieten hat, erzählt uns im Folgenden Séb Radix, der unter dem Pseudonym SEB & THE RAA DICKS die dortige Szene als One-Man-Band unsicher macht und live sämtliche Extremitäten einsetzt, um Gitarre, Keyboard und Becken gleichzeitig zu spielen ...

Séb, du spielst live alle Instrumente selbst. Gibt es nicht genügend gute Musiker in Lyon oder macht dir das so einfach mehr Spaß?


Natürlich gibt es hier viele gute Musiker. Dass ich bei diesem Projekt alles selbst mache, hat sich halt so ergeben, da es einfach gewisse Vorteile hat. Man muss niemandem hinterher rennen, kann proben, wann man gerade Lust hat und kann auch ansonsten einfach alles selbst entscheiden. Klingt eigensinnig, aber ich passe auf jeden Fall auf, dass aus mir kein egozentrischer Wichser wird. Außerdem macht das Touren so auch echt Spaß. Viele Bands bleiben ja oft gern unter sich, aber wenn ich alleine unterwegs bin, geht das ja kaum. Von daher fällt es mir so immer wesentlich leichter, neue Leute kennen zu lernen.

Was hat Lyon denn derzeit an guten Bands zu bieten? Und was waren die besten Bands, die die Stadt je hervor gebracht hat?

Aktuell gibt es hier einige richtig gute Bands. Da ich die Meisten persönlich kenne, ist es gar nicht so leicht, objektiv zu bleiben, aber meine derzeitigen Favoriten sind TELECOMMANDE, die in Richtung THE SPITS gehen, ALLIGATOR, zwei Mädels, die die schönsten Pop-Songs schreiben, die ich in letzter Zeit gehört habe, sowie NED, die nach all den Jahren immer noch da sind. Die besten Bands aller Zeiten sind wohl STARSHOOTER, eine Punkband aus den späten Siebzigern, deren Sänger Kent heute noch musikalisch aktiv ist und für mich der einzige französisch singende Künstler ist, den ich mag. In den Neunzigern gab es dann noch großartige Bands wie die DEITY GUNS, PARKINSON SQUARE oder GARLIC FROG DIET. Aber am geilsten waren damals CONDENSE. Ganz große Band, die so klang, als würden BLACK FLAG eine Mischung aus JESUS LIZARD und John Coltrane spielen.

Und wie sieht es mit Fanzines, Labels und anderen DIY-Aktivitäten aus? Habt ihr eine große Szene?

Es gibt hier ein richtig gutes Fanzine namens Freak Out. Das ist sehr intelligent geschrieben und geht weit über den üblichen Fanzine-Standard hinaus. Ansonsten gibt es noch weitere kleine Zines, von denen man aber leider kaum etwas mitbekommt. Ich mag Fanzines und fände es cool, wenn man sie auf sämtlichen Konzerten kaufen könnte, aber das Interesse hält sich hier leider in Grenzen. Hinsichtlich Labels geht hier aber einiges. Ich weiß nicht, wie das bei euch in Deutschland ist, aber hier schmeißen oft viele kleine Labels ihre Kohle zusammen, um gemeinsam eine Platte zu machen. Erwähnenswert wären hier Labels wie Pure Pain Sugar, Echo Canyon und Gaffer Records. Generell würde ich die Szene in Lyon nicht als groß, sondern als riesig bezeichnen!

Gibt es auch eine gute Vernetzung untereinander und zu Aktiven in anderen französischen Städten?

Hier in Lyon kennt irgendwie jeder jeden. Von daher würde ich da schon von einer guten Vernetzung sprechen. Die Leute stehen hier in einem permanenten Austausch und man passt halt auf, dass man sich bei Shows nicht in die Quere kommt. Sogar die richtig großen Clubs kennen fast alle lokalen Bands und sind stets kooperativ, was Termine und mögliche Überschneidungen angeht. So was gibt es wohl auch nicht überall. Die Vernetzung mit Bands, Labels und Fanzines aus anderen französischen Städten funktioniert hier ebenfalls prächtig.

Welche Locations würdest du als deine Lieblingsläden bezeichnen und wo sollten Leute, die nach Lyon kommen, unbedingt einmal vorbei schauen?

Definitiv im Grrrnd Zero! Das war anfangs ein besetztes Haus und befindet sich jetzt in einem gammeligen Keller. Nach wie vor meine Lieblingslocation. Die Stadt hat es verboten, dort Konzerte zu veranstalten, in den letzten zwei Jahren fanden aber dennoch einige statt und es waren echt viele tolle Bands zu Gast. Es ist dort kalt und der Sound ist meist ziemlich beschissen, aber dafür ist es der einzige Laden, in dem du nach ein Uhr nachts in Ruhe weiter feiern kannst, wenn die meisten anderen Konzertläden schließen. Viele Shows finden hier auch in Pubs statt. Ich mag das, denn da hat man meist eine ganz andere Atmosphäre als bei normalen Konzerten. Besonders erwähnenswert wären hier „Les Capcins“ und „Le Trokson“. Gerade Konzerte in besetzte Häuser sind immer wieder etwas ganz Besonderes, aber es dauert leider auch selten länger als ein oder zwei Konzerte, bis diese Locations wieder von der Polizei dicht gemacht werden. An guten Plattenläden gibt es hier das „Dangerhouse“ und ganz neu, das „Buffet Froid“, wo hin und wieder auch Shows stattfinden. Ganz wichtig ist auch „La Luttine“, ein kleiner Infoladen, wo man Platten und Zines kaufen. Wer mal nach Lyon kommt, sollte also im „Dangerhouse“ starten und abends dann ins „Grrrnd Zero“ gehen. In meinen Augen der beste Weg, die Stadt und die legendäre Unfreundlichkeit ihrer Bewohner kennen zu lernen!