Kneipenführer

Hamburg, Teil 2

Deutschland ist schön. Seine Wälder, Berge und Seen. Die Landschaft mit ihren malerischen Dörfern, das Meer, die Flüsse und vor allem seine gastfreundliche Bevölkerung. In beschaulichen Bauerndörfern oder aufregenden Städten ist ein jeder Fremde herzlichst willkommen.

So will es uns ein Tourismusführer weißmachen. Mmh, beginnt man da zu denken. Die fünf neuen Bundesländer in Mitteldeutschland lassen wir da mal besser außen vor. Gäste sind hier, außer vom Bäderverband McPom und dem Goethemuseum Weimar, nicht gerne gesehen. Zelturlaube in der Gegend der Seenplatte werden zu unfreiwilligen Baseball-Trainingscamps. Discobesuche in Magdeburg zur lustigen Treibjagden und auch in jeder Lokalität wird einem Nichteinheimischen nicht unbedingt das Gefühl gegeben, willkommen zu sein. Aber ich kann das verstehen. Seit gut zehn Jahren darf man dort nun auch andere Autos als den guten, alten Trabant durchs Dorf kutschieren, da will man ja auch jetzt nicht, daß nun irgendein Neger, Wessi oder Kanake daherkommt und einem das Vehikel unterm Arsch wegzieht. Wie sieht es in den restlichen Teilen Deutschlands aus ? Im Grunde genommen nicht besser, nur wird hier die Skepsis und das Misstrauen fremden Mitmenschen gegenüber nicht so offen zur Schau getragen. Ein freundliches Nicken und angedeutete Hilfsbereitschaft werden zur Farce, sobald der Fremde einem den Rücken kehrt und hinter vorgehaltener Hand gehetzt und gelästert wird.

Aber in jeder Ortschaft gibt es Gasthäuser, die -zumindest offiziell- nicht nur bekannten, einheimischen Mitmenschen Gastfreundschaft offerieren sollten. Leider ist dies jedoch in der Praxis nicht immer der Fall. Das trifft auch auf meine Heimatstadt Hamburg zu, und damit ein jeder Hamburgreisende in Zukunft weiß, wo er vorbeischauen sollte und wo nicht, folgt an dieser Stelle der zweite Teil meines Hamburger Kneipenreports.

Beschränkte ich mich in der letzten Ausgabe noch auf die Kneipen, Bars und Clubs rund um die Reeperbahn, also auf dem Kiez, werde ich nun meine Augenmerk verstärkt auf die Live-Clubs in den übrigen Stadtteilen richten, die es ab und an lohnen kann, zu besuchen.

Doch zuerst noch einmal zum Kiez, denn an dem kommt man, wenn es ums Nachtleben geht, in Hamburg einfach nicht vorbei. Das im letzten Ox von mir noch so lobend erwähnte "Seemannsgarn" (Gerhardstr.) ist inzwischen leider Geschichte. Wie schon zuvor der legendäre "Gun Club" konnte sich auch das "Seemannsgarn" nicht ewig halten. Schade, schade. Keine ausschweifenden DJ-Abende hinterm Mischpult und auf der Toilette, keine Spielchen mehr am Tresen und in der Küche. Die Gründe für die Schließung sind meines Wissens vielschichtiger Natur, bezogen sich jedoch primär auf den Laden selbst. Aber wie ich die Betreiber kenne, werden sie in absehbarer Zeit eine neue Lokalität ausfindig machen und dort neu eröffnen. Ich halte euch auf dem laufenden. Viele DJs aus dem "Seemannsgarn" legen inzwischen regelmäßig im "Radau" (Taubenstr.) auf. Wer also das "Seemannsgarn" kannte und mochte, sollte nun dort mal vorbeischauen.

Direkt gegenüber befindet sich die "Prinzenbar" (Kastanienallee), welche in meinem letzten Report keine Erwähnung fand. In diesem sehr stylishen Laden gibt es auch gelegentlich Veranstaltungen, die einen Besuch lohnen. Unter der hohen stuckverzierten Kuppeldecke und dem riesigen Spiegel über der Bar, konnte man sich bereits, gemütlich in roten Plüschstühlen abhängend, Größen wie Rudi Protrudi, Sonny Vincent, 999, PHANTASTIX und zahlreiche andere mehr zu Gemüte führen. Einmal im Monat gibt es dort seit einiger Zeit auch eine Swing-Nacht, wo Freunde dieser Musik gehörig das Tanzbein schwingen können. Ansonsten gilt es hier aber, wie in allen anderen kommerziell betriebenen Clubs der Stadt auch, genau zu gucken, was für eine Veranstaltung auf dem Programm steht. Wenn diese allerdings interessant erscheint, kann ich einen Besuch der Prinzenbar vor allem des netten Ambientes wegen empfehlen.

Ein weiterer Live-Club auf St.Pauli ist das "Hafenklang" (Große Elbstr.) kurz hinterm Fischmarkt , in dem seit einigen Monaten ein paar unentwegte Punks und Skinheads etwaige Konzerte veranstalten. In dieser Zeit schauten bereits diverse nationale und internationale Punk-, Hardcore- und Oi-Bands für ein Konzert vorbei. Ich sah hier D.O.A., ANTI-HEROS, AURORA, PUNKELS, WARRIORS, MOSLEM HEAT, 8¡6 CREW, MOORAT FINGERS und einige mehr. Die Preise sind stets moderat, die Lage direkt an der Elbe mit Hafenblick vor allem im Sommer sehr malerisch (vorausgesetzt man findet einen Industriehafen malenswert), lediglich der Sound klingt desöfteren unter aller Sau. Wenn man sich hier noch um eine bessere P.A. kümmern würde, stünde einem gelungenen Konzertabend nichts mehr im Wege.

Bevor ich nun endgültig St. Pauli verlassen werde, noch drei kurze Nachrichten aus dem Kneipenleben. Zum einen hat das ehemalige "Sparr" seit einiger Zeit unter dem Namen "Ex-Sparr" (Hamburger Berg) wieder geöffnet. Genauso wie die "Sonderbar" (Große Freiheit), die nun von ein paar jüngeren Punkrockern geschmissen wird. In beiden Läden stehen am Wochenende DJs an den Turntabeln und sorgen für ordentliche Beschallung. Als kleinen Tip empfehle ich am Montag in der "Sonderbar" den Deutschpunk-Abend. Ein ziemlich hoher Spaßfaktor sei euch garantiert. Wem das an einem Montag jedoch zu derbe erscheint, der kann besser im "Tiefenrausch" (Hopfenstr.), dort, wo an den übrigen Tagen House und Drum´n´Bass das sagen haben, vorbeischauen. Hier wird seit kurzer Zeit zum Wochenbeginn Ska bis zum Abwinken aufgelegt.

Nun verlassen wir endlich mal St.Pauli, denn Hamburg besitzt tatsächlich auch noch andere Stadtteile, wie zum Beispiel Altona. Dort, vor allem im Schanzenviertel, existiert ebenfalls ein lebendiges Nachtleben. Alles irgendwie alternativ, ein bißchen trendy und auch ansonsten oft zeimlich scheiße. Doch das ist Geschmackssache. Mitten im Schanzenviertel steht seit Jahren als feste Bastion die "Rote Flora" (Schulterblatt), welche eigentlich bundesweit als das Zentrum linker Subkultur bekannt sein müßte. Da der Laden allerdings immer mehr zum Treffpunkt für Heroindealer und deren Kunden mutierte, die dort gespielte Musik fast komplett elektronischer Natur ist und auch ansonsten eine sehr, nennen wir es mal, festgefahrene Politik betrieben wird, kann ich mich nicht gerade zu den Stammgästen der Flora zählen. Doch ab und an gibt es immer mal wieder engagierte Punk- und Hardcorekonzerte, wo sich dann auch genügend anständiges Punkervolk versammelt.

Im Herzen von Altona findet man die "Fabrik" (Barnerstr.), welche seit Jahrzehnten zu den Live-Clubs der Stadt zählt. Dicht mit der alternativen Bevölkerung des Stadtteils verwachsen finden hier Konzerte der unterschiedlichsten Gattung statt. Da können Reggea-, Afro-, Rock-, Blues- und Jazzfreunde sich ihre entsprechenden Veranstaltungen raussuchen. Aber auch Freunde härter Musik kommen hier auf ihre Kosten. Kaum eine Punk- oder Hardcoregröße, die hier nicht in den letzten zwanzig Jahren gespielt hat. Die Palette reicht dabei VON SLIME, COCK SPARRER, UK SUBS, STIFF LITTLE FINGERS und HARD ONS über TURBONEGRO, FUGAZI und DWARVES bis hin zu den RICHIES(!). Die Eintritts- und Bierpreise sind zwar nie besonders günstig, fallen aber auch nicht aus dem eh recht teuren Hamburger Rahmen.

Nicht allzu weit von der Fabrik entfernt befindet sich das "Planet Subotnik" (Große Brunnenstr.). Diese Kneipe besitzt einen weiteren, kleinen Raum hinter der Lokalität, in dem sich eine Bühne befindet, auf der primär unbekanntere Bands auftreten können. Der Eintritt liegt hier nie höher als 8,-DM und auch ansonsten ist der Laden durch und durch in Ordnung. Zwar hat das ganze oft eher den Charakter einer öffentlichen Probe der Band, da viele Besucher auch während des Konzertes lieber im Kneipenraum bleiben und dort nichts von der Musik mitbekommen, aber dennoch sah ich hier schon so manch guten Auftritt, z.B. von den GENERATORS, PLEASURE FUCKERS, JET BUMPERS, WANDA CHROME oder SNAP HER. Am Donnerstag findet hier wöchentlich außerdem ein Ska- und Reggea-Allnighter statt, der sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit erfreut.

Wer sich auf einen Besuch im "Planet Subotnik" mit einem Drink einstimmen will, sollte das im angrenzenden "Blauen Barhaus" (Große Brunnenstr.) tun. Hier bekommt man zu zivilen Preisen Cocktails sämtlicher Colour gereicht, die uns bereits das ein ums andere mal reichlich angeschlagen im benachbarten "Planet" einlaufen ließen. auch wenn die Musik, die der DJ auflegt, in der Regel elektronischer Natur ist und von House bis hin zu TripHop reicht, versprüht dieses kleine, urige Haus soviel Charme, daß man es auch ohne Vorlieben für derartige Musik dort gut aushalten kann.

Im Uni-Viertel, dicht beim Dammtor-Bahnhof liegt das "Logo" (Grindelallee), ein etablierter Live-Club, in dem auch regelmäßig Punk-, Hardcore- und Ska-Konzerte stattfinden. Doch dank seiner oftmals rein kommerziell ausgerichteten Geschäftspolitik gibt es nicht wenig Leute in der Stadt, die diesen Laden gutestgehend zu meiden versuchen. Immer gelingt dies allerdings nicht, denn zahlreiche Bands, die einem am Herzen liegen, werden hier gebucht. Das reicht von den KASSIERERN und LOKALMATADOREN über die LURKERS, VIBRATORS und 999 bis hin zu DEN BACKYARD BABIES, DROPKICK MURPHYS und TURPENTINES.

In die gleiche Kerbe wie das "Logo" schlägt auch das "Knust" (Brandtwiete). Nicht nur die Lage, mitten in der abends ausgestorbenen Innenstadt, sondern auch die unfreundliche, geldoriente Art der Besitzer hat den Laden alles andere als beliebt in unseren Kreisen gemacht. Ein gutes Bild davon konnten bzw. mußten sich erst letztlich DIE RADIATION KINGS hier machen. Es werden zwar ab und an gute Acts gebucht, aber in diesem Laden waren ihre Konzerte in der Regel kein großes Vergnügen.

Ebenfalls rein komerziell ausgerichtet ist die "Markthalle" (Klosterwall) in der Nähe des Hauptbahnhofs, die sich in große und kleine Halle aufteilt. Obwohl auch hier das Geld im Vordergrund steht, gefallen mir Konzerte hier in der Regel besser als im Logo oder Knust. Außerdem hat auch hier, ähnlich der Fabrik, in den letzten zwei Jahrzehnten so ziemlich alles gespielt, was Rang und Namen hat. angefangen mit dem legendären CLASH-Konzert zu Anfang der 80er Jahre bis hin zu den _RZTEN und SOCIAL DISTORTION am Ende der 90er. Dazwischen konnte von den Sloppy Seconds und den Cramps über NoFX, Shelter und PETER & THE TEST TUBE BABIES bis hin zu DEN DICKIES, BUSINESS und MAN OR ASTRO-MAN? hier jeder schon einmal rocken, der es sich zu Recht oder Unrecht verdient hatte.

Daß es in Hamburg auch unkomerziell funktionieren kann, beweisen in den Vororten seit einigen Jahren ein paar autonom geführte Läden wie z.B. das "Startloch" (Schimmelreiterweg) in Rahlstedt. Hier spielen noch für fünf Mark gleich PISSRINNE, KOTZFLECK und ARSCHGEBURT zusammen zum Tanz auf. Auch wenn die Musik in der Regel - mm, mir fällt gerade keine nette Umschreibung für scheiße ein- ist, wird das Bier äußerst billig ausgeschänkt und die Ideologie stimmt auch, Alter. Allerdings sollte man mit seinem Leergut aufpassen, denn wenn man unachtsam eine Flasche Bier fallen läßt, was auf Punkkonzerten allerdings äußerst selten der Fall ist, wird man schon mal mit den Worten ermahnt: "Ey Alter, hier sind Hunde." Da stellt sich mir jedoch die Frage, was haben Hunde dort verloren, wenn kaputte Bierflaschen verpönt sind ? Falsche Punkwelt.

Mit ähnlichem Konzept betreiben auch einige wackere Autonome das "Soziale Zentrum Norderstedt" (Ulzburger Chausse). Da es sich hier jedoch um einen recht inzestiösen Haufen handelt, war ich persönlich dort noch nicht zugegen und kann auch nicht weiter etwas über den Laden und seine Veranstaltungen schreiben.

Wer jetzt immer noch keinen Laden für sich als interessant empfunden hat, der soll sich doch am besten weiter lecker unten bei packen (ich glaube, für ein Ruhrpott-Fanzine schreibt man so). Danke, Amen. Wir sehen uns auf den einschlägigen Toiletten.