CITY AND COLOUR

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... kehren ihr Innerstes nach außen

Dallas Green ist CITY AND COLOUR. Ihn als interessanten und einmaligen Künstler zu beschreiben, wäre nicht nur leicht untertrieben. Schon zu Zeiten von ALEXISONFIRE war er es, welcher der Band mit seiner Stimme eine unverkennbare Note gab und sicherlich auch sehr viele Herzen berührt hat. Egal, ob er über ein Go-Kart-Rennen sang oder auch mal tiefgründiger wurde, alles war irgendwie immer bewegend. Seit Jahren geht es für ihn nun schon mit CITY AND COLOUR durch die Decke. Ausverkaufte Konzerte und nicht eine negative Rezension sind sicherlich keine schlechten Argumente. Dass hinter der Stadt und der Farbe ein Dallas Green steckt, der zurückhaltend und freundlich ist, mag man vielleicht vermuten. Dass ihn aber ganz normale Ängste umtreiben und auch er sich Sorgen um seine Zukunft macht, ist vielleicht neu. Aber schließlich ist Dallas Green auch nur ein Mensch.

Wenn man ein Album wie „The Hurry And The Harm“ hört, entsteht der Eindruck, als hättest du dein Innerstes nach Außen gekehrt. Wie ist es für dich, nun Interviews dazu zu geben? Schließlich hast du ja schon viel von dir preisgegeben.

Auf diese Frage kann es zwei Antworten geben. Auf der einen Seite ist es eine Notwendigkeit, um die Öffentlichkeit auf meine Musik aufmerksam zu machen. Ich kann nur jedes Mal hoffen, dass mir nicht immer die gleichen Fragen gestellt werden – denn das langweilt einen dann doch zu Tode. Aber zur gleichen Zeit weiß ich es natürlich zu schätzen, nein besser: ich freue mich, dass sich jemand mit mir über meine Arbeit unterhalten möchte. Sicherlich ist interviewt zu werden nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Ich spreche einfach nicht gerne über mich.

Hast du dir in den letzten Jahren mal gewünscht, nicht so sehr in der Öffentlichkeit zu stehen? Wie gesagt, deine Texte sind sehr persönlich und man liest ständig, wie toll alle CITY AND COLOUR finden.

Ja, diese Momente gibt es manchmal. Die Sache ist die: Ich schreibe Songs, auf die andere Menschen irgendwie aufmerksam werden. Nach der Veröffentlichung meiner Musik werde ich dann auch auf der Straße angesprochen und die Leute sagen mir, dass ihnen meine Musik gefällt und erzählen mir Geschichten darüber, was sie bei ganz bestimmten Songs empfinden. Das betrachte ich eigentlich als eine sehr große Wertschätzung und freue mich sehr darüber. Das ist etwas ganz anderes, als ein normales Interview zu geben und über sich selbst reden zu müssen. Wenn man auf der Straße angesprochen wird auf das, was man geschaffen hat, ist das großartig.

Es war zu lesen, dass du deine „Lust an Wörtern“ verloren hättest, bevor du mit dem Schreiben der neuen Songs angefangen hast. Beschreibe doch bitte einmal die Situation, in der du als Musiker von deiner Arbeit ausgelaugt bist. Macht sich ein Dallas Green dann Gedanken über die Zukunft oder lässt er es einfach laufen und vertraut auf sein Schicksal?

Ich mache mir ständig Gedanken über meine Zukunft. Das geht sogar so weit, dass ich mir manchmal denke, dass ich nicht mehr in Lage bin, neue Songs zu schreiben. Dann setze ich mich einfach hin und fange an. Die Frage, die ich mir im Vorfeld immer stelle, ist: Verdammt, was kann ich Neues erzählen, was habe ich noch nicht gesagt? Ich wollte nie einfach nur Songs schreiben oder ein Album aufnehmen, weil mal wieder zwei Jahre vorbei waren und man es von mir erwartete. Es gibt immer diese Sorge, dass ich nicht das erreiche, was ich eigentlich schaffen wollte – auf eine kreative Art. Im letzten Jahr war es dann so, dass ich zwei Songs schrieb, ich aber nicht wusste, ob sie gut sind. Es war auch eine eher schwere Zeit für mich, da sich ja das Ende von ALEXISONIFRE abzeichnete und wir trotzdem noch unterwegs waren. Ich musste mit der Situation klarkommen, dass sich etwas in einem wichtigen Bereich meines Lebens ändern wird, und wollte dies eine ganze Weile noch niemandem verraten. Es hat sich also eine Art gedankliche Zwickmühle entwickelt, die mich eher bedrückt als gepusht hat. Am Ende bin ich dann doch mit ein paar Songs über die Sache hinweg gekommen, die mir im Moment sehr gefallen. Und da sind wir jetzt.

Könntest du den Moment beschreiben, wenn du merkst, dass ein Album abgeschlossen ist? Den Moment, in dem du denkst, dass es sich gut anfühlt so, dass du es präsentieren kannst?

Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Wenn man so in einer Sache drinsteckt wie bei einer Albumproduktion, bei der man die Songs selbst geschrieben hat, seine Texte singt und dann noch sein Instrument einspielt, verliert man irgendwann den Blick für das Ganze. Man konzentriert sich sehr auf die Details, Feinheiten. Natürlich hat man im Vorfeld eine Idee, wie etwas klingen soll. Aber man muss auch aufpassen, sich nicht allzu sehr auf die Produktion zu versteifen. Es ist für mich auch schwierig, zu beschreiben, wie ich mich fühle, wenn es um meine Musik geht. Jeder, der sich mit meiner Musik beschäftigen möchte, sollte selber entdecken, was er dabei fühlt. Da würde es nur stören, wenn ich auch noch meinen Senf dazugeben würde.

Wie glaubst du, dass Menschen, deren Muttersprache nicht Englisch ist, mit deiner Musik umgehen? Nicht jeder vermag jede Redewendung richtig zu deuten, und misst dann der Musik einen höheren Stellenwert bei als den Texten. Denkst du, dass die Stimmung der Musik wichtiger ist als ihre inhaltliche Aussage?

Darüber mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Vielleicht sollte ich mal deutsche Versionen meiner Songs herausbringen. Die Sache ist die: Ich schreibe meine Musik für mich und ich kann jedes Mal nur hoffen, dass sie noch irgendjemand anderes gut findet. Aber entweder mag man sie oder nicht. Das liegt nicht in meinen Händen. Alles, was ich tun kann, ist so zu arbeiten, dass ich selbst stolz darauf bin. Wenn ich es dann der Welt anbiete und sie es entweder liebt, hasst oder ignoriert, kann ich sehr gut damit leben. Vor allem würde ich niemals jemandem vorschreiben, was er mit meiner Musik zu machen hat. Wenn man denkt, dass manche Textzeilen etwas Bestimmtes bedeuten könnten, würde ich nicht wirklich widersprechen. Die Stimmung ist für mich auf die gleiche Art wichtig wie die Texte. Das ergänzt sich beides irgendwie. Oder besser gesagt, es findet zu einander. Musik und Texte sind beide gleich wichtig für mich. Aber aus keinen anderen Grund als dem, dass ich meine Sache einfach gut machen möchte.

Kannst du dich an Situationen in der letzten Zeit erinnern, als dich die Stimmung eines Albums mitgerissen hat? Ich meine eines, bei dem man die Texte nicht wirklich versteht, aber trotzdem von der Musik gefangen ist.

Gestern habe ich DARKTHRONE gehört, eine Black-Metal-Band, die man nicht wirklich verstehen kann. Ein anderes Beispiel sind BON IVER, bei denen es auch nicht leicht ist herauszufinden, was der Sänger eigentlich sagen will. Er singt zwar viel, ist in seinen Aussagen aber nicht immer eindeutig. Man muss sich mit ihm beschäftigen und versuchen, ihn zu verstehen. Aber es gibt viele Bands, bei denen man glaubt, dass man sie nicht versteht, und die viel Wert auf die Melodie legen. Wenn ich mich aber mit einer Band beschäftigen möchte, untersuche ich auch die Texte, da sie für mich einen hohen Stellenwert haben. Berühren die mich nicht, verliert die Band für mich schnell ihren Reiz.

Lass uns über die Musiker sprechen, mit denen du „The Hurry And The Harm“ aufgenommen hast. Schließlich war mit Matt Chamberlain einer gefragtesten Studiodrummer der USA mit an Bord, der 1991 auch mal bei PEARL JAM gespielt hat.

Ehrlich gesagt, habe ich die meisten erst im Studio getroffen. Mein Freund und Produzent Alex Newport hat sich der Sache angenommen und all diese fantastischen Musiker gefunden. Neben Matt sind ja auch noch Jack Lawrence von den RACONTEURS und Bo Koster von MY MORNING JACKET dabei. Wenn ich live spiele, begleitet mich auch noch Doug MacGregor von den CONSTANTINES, der ein sehr guter Freund von mir ist.

Lass und über deinen Song „Commentators“ sprechen. Ist es richtig, wenn man ihn als Ansage an die moderne Medienwelt versteht? Schließlich äußerst du dich darin so, dass es dir egal ist, was andere über dich schreiben, und sagst, dass man es sich nicht allzu leicht machen sollte bei der Beurteilung von Sachen.

In erster Linie richtet sich der Song an die ganzen gesichtslosen Kommentatoren im Internet. Es ist doch so, dass heutzutage jeder zu allem seine Meinung sagen kann, ohne dass sie wirklich durchdacht ist. Man muss sich in irgendwelchen Plattformen nicht wirklich rechtfertigen für seine Meinung. Und so gibt es viele Menschen, die ihre persönlichen Ansichten einfach in die Welt schreien, ohne dass es wirklich fundiert ist. Man kann Leute einfach so beleidigen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Da fallen dann Äußerungen, die sich diese Leute nie in einem persönlichen Gespräch aussprechen würden, weil sie sich dies nicht trauen würden oder sogar ganz anders denken. Es ist der Schrei nach Aufmerksamkeit, um den es in diesem Song geht sowie darum, dass es mir egal ist, ob mich jemand für revolutionär oder für reine Zeitverschwendung hält. Ich schreibe meine Musik ja für mich und nicht, um anderen zu gefallen. Deswegen kann ich auf der einen Seite natürlich mit solchen Situationen leben, wollte aber auch mal einfach so meine Meinung dazu äußern. Vielleicht interessiert es den einen oder anderen ja.