CONCRETE SOX

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Britische Crust-Punk-Vorreiter reunited

CONCRETE SOX aus Nottingham gelten als Pioniere des britischen Crossover und Wegbereiter der Crust-Bewegung. Auf ihren frühen Alben „Your Turn Next“ (1985) und „Whoops Sorry Vicar!“ (1987) sowie einer Split-LP mit HERESY (1987), mit denen es auch einige personelle Überschneidungen gab, vermischten sie metallische Gitarren mit engagierten Texten und ebneten den Weg für etliche weitere Bands. Nach diversen Streitigkeiten und Umbesetzungen löste sich die Band 1997 auf. Der Versuch einer Reunion 2010 endete nach nur drei Konzerten im totalen Fiasko. Originalgitarrist Vic hat CONCRETE SOX Ende 2012 nun erneut reaktiviert und aus Anlass der Wiederveröffentlichung der ersten beiden Alben auf Boss Tuneage führte ich mit ihm dieses Interview.

Vic, waren CONCRETE SOX zu Beginn eine Straight-Edge-Band, wie auf Wikipedia zu lesen ist?

Nein, wir sind irgendwann Veganer geworden, haben auch eine Weile nichts getrunken, aber das lief dann doch nicht so gut.

Wann wurden CONCRETE SOX gegründet, wie alt wart ihr damals?

Das muss 1984 gewesen sein. Ich war 18, Les, der Bassist, war zwei Jahre älter. John war in meinem Alter.

Was hat euch dazu gebracht, eine Band zu gründen?

Es gab einfach keine guten Bands in Nottingham. Die Stadt veränderte sich damals und es passierte kaum etwas. Wir wollten aber etwas tun. Anfangs waren wir ziemlich schlecht, wurden aber rasch besser.

Gab es damals so etwas wie eine Szene in Nottingham?

Oh ja, die Szene war richtig gut. Es gab sehr viele Punks in Nottingham. Die lokalen Bands haben aber wenig gemacht, nur ab und zu ein kleines Konzert gegeben. Es gab mehrere gute Konzertorte, Rock City im Zentrum, sowie The Boat Club und The Union Club, die am Fluss Trent lagen, wo alle Bands spielten. Nottingham schrie nach weiteren Bands und wir wollten die Szene bereichern.

Was waren eure Themen?

Menschenrechte, Tierrechte, das Übliche halt. Wir kamen aus der Anarchopunk-Szene, aber wie man auf dem ersten Album hören kann, waren wir musikalisch auch stark an Metal interessiert. Wir wollten eine positive Botschaft transportieren und die Menschen dazu bringen, Missstände zu sehen und zu bekämpfen.

Der Bandname CONCRETE SOX war ursprünglich eine Parodie auf eine andere Nottinghamer Band?

Haha, ja, genau. Es gab eine Punkband namens STEAMROLLER GLOVES, und als ich gefragt wurde, wie unsere Band denn heißen würde, kam ohne großes Nachdenken CONCRETE SOX aus meinem Mund. Man könnte vielleicht denken, dass der Name eine tiefere Bedeutung hätte – hat er aber nicht.

Euer Debüt erschien 1985 auf COR Records. Wer steckte hinter dem Label?

COR stand für „Children of the Revolution“ und wurde von Tim Bennett in Bristol geführt. COR hat noch ein paar andere Platten gemacht, aber unser zweites Album „Whoops Sorry Vicar!“ kam auf Manic Ear Records raus, die sich mit COR die Räumlichkeiten teilten. COR wollten damals aufhören und Tim Bennett soll sich mit viel Geld davon gemacht haben, uns hat er aber nichts geschuldet. Manic Ear Records haben einige der Sachen übernommen, die COR noch geplant hatten, aber nicht mehr herausbringen konnten oder wollten.

Hast du einen Überblick darüber, wie viele Platten ihr verkauft habt? Ich frage das, weil einige deutsche Punkbands der frühen Achtziger auch keine Ahnung haben, wie viele Platten tatsächlich verkauft wurden, was zum Teil an miesen Verträgen liegt.

Nein, absolut nicht. Wenn ich mich recht entsinne, gab es gar keine Verträge. Wir waren einfach nur froh, dass wir Aufnahmen machen konnten. Les, unser ehemaliger Bassist, mit dem ich übrigens nicht mehr befreundet bin, hat sich damals um alles gekümmert, was mit den Plattenfirmen und Geld und so zu tun hatte. Und durch das Verschwinden von Tim Bennett liegt da auch einiges im Dunkeln. Die ersten Alben wurden danach noch zweimal wiederveröffentlicht, zuletzt von Boss Tuneage, aber da wurden nur je 1.000 Kopien gemacht. Ich weiß es wirklich nicht, aber es dürften doch einige gewesen sein.

Auf dem Inlay des ersten Albums gibt es ein Foto, auf dem Les ein Sweatshirt trägt, auf dem über den eigentlichen Aufdruck mit Farbe METALLICA geschmiert wurde. Waren die ein Einfluss für euch?

Ja. Wir hatten damals alle diesen CRASS-Ansatz, alles war D.I.Y. Wenn du eine Band mochtest, hast du kein T-Shirt gekauft, sondern selbst eins gemacht. Ich auch, selbst wenn ich wie ein Idiot ausgesehen habe, haha. Musikalisch waren METALLICA auf jeden Fall ein Einfluss, textlich nicht. Wir haben zwischen 1980 und 1983 oft Tapes mit Leuten aus den USA getauscht, meistens über Kalv von HERESY oder Dick von Air Raid Records. So kamen wir früh in Kontakt mit all den guten Metal-Bands, die von Magazinen wie Kerrang! und Metal Forces nicht mal Metal genannt wurden. Das Zeug war einfach brillant und brachte mehr Musikalität in den Punk. Auf der anderen Seite kamen auch viele Metaller in unsere Szene und mussten erkennen, dass Bands wie METALLICA oder SLAYER eigentlich nichts zu sagen hatten. Das waren die Anfänge der Crossover-Bewegung. Aber all diese musikalisch hervorragenden Bands, auch VOIVOD, CELTIC FROST und HELLHAMMER, haben uns massiv beeindruckt und beeinflusst.

Dieser Einfluss ist im Gitarrensound der ersten Alben wiederzufinden. Auf „Whoops Sorry Vicar!“ habt ihr sogar „Whiplash“ von METALLICA gecovert – als Parodie oder Hommage? Und gab es da nie Ärger, denn METALLICA sind ja bekannt dafür, gewiefte Anwälte zu haben?

Nein, nie. Der Song war beides, nur dass er bei uns „Moustache“ hieß, haha. Das war ganz spontan und wir haben die Aufnahme nur so auf das Album gepackt um zu sehen, wie es ankommt.

Wie waren die Reaktionen auf die ersten Alben? Ich mag den rohen Charakter der Aufnahmen sehr.

Die Reaktionen waren sehr gut. Wir haben jede Menge gute Kritiken bekommen und waren natürlich auch mächtig stolz. Die Produktion von „Your Turn Next“ ist nicht so gut, weil wir nur auf acht Spuren aufgenommen haben und auch nur einen Tag im Studio waren. Wir waren doch fast noch Kinder, sind einfach ins Studio gegangen und haben die Platte live eingespielt. Das Resultat war aber super. CONCRETE SOX waren und sind eine Live-Band, und bei diesem Album ist es uns gelungen, dies einzufangen. Ich bin nicht gerne im Studio, weil dort immer so ein merkwürdiger Druck auf einem lastet. Wir hatten vier Wochen vorher ein Demo aufgenommen, was auch ganz gut geworden war.

In dem Song „The new breed“ gibt es die Textzeile „Daddy, can I go out and smash tonight?!“ Ist das von den MISFITS inspiriert?

Nein, der Text von „The new breed“, übrigens einer meiner liebsten CONCRETE SOX-Songs, prangert Fleischindustrie und den Pelzhandel an. Unter anderem handelt er davon, bei McDonald’s die Scheiben einzuwerfen. Wir haben damals übrigens ein Pelzgeschäft in Nottingham an einem Wochenende total verwüstet. Aber schreib das bloß nicht, haha. Wir waren auch in der Animal Liberation Front aktiv. Da haben wir Fuchsjagden sabotiert und gestört, wo wir nur konnten. Das gehörte alles dazu. Heute sind wir nicht mehr so aktiv, man wird halt älter, aber die Einstellung ist noch da.

Als ihr die Split-LP mit HERESY aufgenommen habt, hat euch John March Richtung HERESY verlassen und wenig später wechselte Calvin „Kalv“ Piper von HERESY zu euch.

1986 hatten wir auf unserer ersten Europatour Probleme mit Les, der uns mitten in der Tour verließ. Wir hatten noch vier Konzerte zu spielen, die wir ohne Les, also ohne Bass, absolvierten. Er kam später wieder in die Band und es war eine verrückte Zeit mit vielen Drogen, Klebstoffschnüffelei. Und dann tauchte er aus irgendeinem Grund nicht bei den Aufnahmen für die Split-LP auf. Kalv hatte uns früher schon ausgeholfen, ohne bei uns einzusteigen. John verließ uns auch erst nach den Aufnahmen. An jedes Detail erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber, dass ich mich nicht um den Mix des Albums kümmerte. Unsere Songs klingen furchtbar, obwohl es ein sehr gutes Studio war. Wir haben es einfach versaut. Auf die Platte bin ich nicht stolz. Kalv spielte den Bass, bis auf einen Song, wo ich es tat.

Wart ihr mit HERESY befreundet oder war das eher Konkurrenz für euch?

Wir waren gut befreundet, es gab keinerlei Rivalitäten zwischen uns. Dick von Air Raid Records hatte durch seinen guten Freund Kalv von HERESY gehört und bat uns, HERESY unter unsere Fittiche zu nehmen. Wir probten ein halbes Jahr gemeinsam in Nottingham, wurden gute Freunde und gingen gemeinsam auf Tour. Die Sache mit John war die: er wollte gerne in einer Punkrock-Band spielen und verließ eine Rockband, um bei CONCRETE SOX einzusteigen. Ihn zog es mehr in die Punk-Ecke, ich wollte mehr Metal in die Band bringen und das Punk-Element in den Texten beibehalten. Man konnte es eigentlich kommen sehen. HERESY waren mehr wie die amerikanischen Hardcore-Bands und damit genau Johns Ding, der Hardcore und Punkrock liebte. Es war keine Überraschung, aber menschlich doch ein großer Verlust. Als John in die Band kam, begann ich, bessere Songs zu schreiben, denn er war und ist ein exzellenter Drummer, der mich sehr inspiriert hat. Er hat uns wirklich nur aus musikalischen Gründen verlassen. Leider habe ich ihn schon lange nicht mehr gesehen. Les hingegen hat immer irgendwelche Probleme verursacht, weshalb ich auch 1987 die Band verlassen habe. Er hatte eine merkwürdige Haltung, und von jemanden in der eigenen Band bedroht zu werden und von der Bühne getreten zu werden, das geht gar nicht. Vielleicht hat sein Verhalten doch eine Rolle bei Johns Ausstieg gespielt. Eigentlich war Les bei allem involviert, was mit CONCRETE SOX schiefgelaufen ist, haha.

Die CONCRETE SOX/HERESY-Split-LP war damals die erste Veröffentlichung auf dem gerade gegründeten Label Earache Records.

Ja, das Album hat allerdings die Katalognummer MOSH 002. Das THE ACCÜSED-Album „The Return Of Martha Splatterhead“ hat die Nummer 001, wurde aber aus irgendwelchen Gründen, an die ich mich nicht mehr erinnere, verschoben, so dass unser Album zuerst veröffentlicht wurde.

Warum habt ihr nur diese eine Platte bei Earache gemacht?

Es hat nicht funktioniert, weil Les sich mit Label-Gründer Digby Pearson überworfen hat. Leider hat er sich mit wirklich vielen Leuten in die Wolle bekommen. Ich bin bis heute mit Dig befreundet.

Wenn man bei eBay nach Earache-T-Shirts sucht, werben die noch immer mit eurem Bandnamen.

Aber das machen doch alle und das ist auch okay. Um ehrlich zu sein, bin ich sogar etwas geschmeichelt, wenn mit unserem Namen Werbung gemacht wird. Was ich allerdings nicht mag, ist, wenn jemand unsere Shirts verkauft ...

Das erste Album habt ihr als Trio aufgenommen, danach seid ihr zu viert gewesen ...

Dazu kann ich dir eine Geschichte erzählen. Wir waren eigentlich immer zu viert. Der Freund von Les’ Schwester, sein Name war Andy, war ursprünglich unser Sänger. Wir lebten alle im selben Haus und sie stritten sich ständig. Andy verließ uns etwa zwei Wochen, bevor wir „Your Turn Next“ aufnahmen, weil Les ihm eine Gabel in den Rücken gerammt hat. Eine total bescheuerte Aktion. Wir standen plötzlich ohne Sänger da und fragten uns, wie es nun weitergehen sollte. Wir machten also als Trio weiter, was für ein Jahr lang auch super funktionierte. Ich mochte Andy, aber er konnte nach diesem Vorfall nicht mehr mit Les in einer Band spielen. Es war so, dass wir am Ende unserer Proben immer schon aus Spaß einige MISFITS-Cover gespielt haben und John hat dabei einfach den Gesang übernommen, während er trommelte. Wir waren total erstaunt, dass er es hinbekam, denn das ist ziemlich schwer. Ich habe bis heute große Probleme damit, gleichzeitig Gitarre zu spielen und zu singen. Er hat nach Andys Abgang gemeint, dass er den Gesang übernehmen wollte. Seine Stimme war nicht so, wie wir uns den Gesang ursprünglich vorgestellt hatten, aber es klappte. Außerdem hat bei uns immer jeder das gemacht, womit er sich bei Konzerten wohl fühlte. Als wir „Your Turn Next“ aufnahmen, spielte ich gerade einmal ein Jahr Gitarre, einige Songs waren doch recht schwierig und ich musste mich voll darauf konzentrieren. Ich habe mir alles selbst beigebracht und lerne immer noch hinzu. Außerdem kann ich meine Stimme nicht ausstehen. Unsere Songs wurden dann aber komplexer und wir brauchten doch einen Sänger. Sean haben wir dann später hauptsächlich zum Band-Mitglied gemacht, weil er einen eigenen Van hatte. Gesungen hatte er vorher noch nie.

Wer steckte hinter Manic Ear Records, wo 1987 euer Album „Whoops Sorry Vicar!“ veröffentlicht wurde?

Das war ein junger Typ namens Shane, ich erinnere mich nicht an seinen Nachnamen. Er übernahm das Chaos, das Tim Bennett von COR Records hinterlassen hatte, und versuchte, das Beste daraus zu machen. Mehr weiß ich dazu gar nicht mehr.

Inwieweit veränderte es denn die Band, als Sean den Gesang übernahm?

Vieles wurde einfacher. Schwieriger war allerdings, Ersatz für John zu finden, denn er war ein außerordentlich guter Drummer und ich hatte hohe Erwartungen an den Nachfolger. Ich wollte auf keinen Fall, dass wir hier einen Rückschritt machten. Sean war ein guter Sänger, denn man konnte die Texte gut verstehen, wenn er sang. Das war uns wichtig, denn wir hatten eine Message. Bei vielen anderen Bands ging der Gesang im Chaos unter. Das wollten wir nicht. Damals fasste ich bereits den Entschluss, die Band zu verlassen. Ich wusste es etwa ein halbes Jahr vorher. Ich hatte keinen Spaß mehr mit der Band, auch wenn es quasi meine eigene war. Es war gut, Sean dabei zu haben, es war gut, einen neuen Plattenvertrag zu haben, aber es war nicht mehr das Gleiche. Daher bin ich 1987 ausgestiegen.

Ich bin bei der Recherche auf den Namen Soxcore Records gestoßen – wer steckt dahinter?

Ich, aber das Label existiert eigentlich noch gar nicht. Ich will gerne alles auf dem D.I.Y.-Level halten, und als ich mit Aston von Boss Tuneage über die Rereleases sprach, kam uns die Idee mit Soxcore. Das kommende CONCRETE SOX-Album wird dann die erste richtige Veröffentlichung auf Soxcore sein. Die Katalognummer wird aber Soxcore 003 sein, weil die beiden Rereleases auf Boss Tuneage auch die Katalognummern 001 und 002 haben. Ich will alles selbst machen. Man braucht heute keine Labels mehr, höchstens einen guten Vertrieb. Die Szene ist heute groß und stark genug, es so zu machen. Es gibt ein weltweites Netz von Gleichgesinnten, die es ermöglichen, so zu arbeiten. Wir alle wissen, dass es unglaublich viel Mist in Zusammenhang mit dem Internet gibt, aber es eröffnet auch so viele Möglichkeiten. Man muss nur die richtigen Kontakte haben. Im Gegensatz zu früher kostet es kaum etwas.

Auf eurer Webseite bietet ihr ja unglaublich viele Songs zum kostenlosen Download an. Warum?

Seit ich einen Computer besitze, bin ich Pirat. Ich habe noch nie für Software bezahlt und werde es auch nicht tun. Ich kaufe immer noch ab und zu CDs, meistens auf Konzerten. Und diese Aufnahmen haben doch keinen Wert. Wenn sich wirklich jemand dafür interessiert, was ich gut finde, dann können sie die Sachen kostenlos haben.

Es kümmert dich also nicht, wenn jemand CONCRETE SOX-Alben illegal herunterlädt?

Ja, das ist mir egal. Ich habe allerdings ein Problem damit, wenn jemand T-Shirts von CONCRETE SOX bootlegt und sich daran bereichert. Hin und wieder tauchen solche T-Shirts bei eBay auf. In der Regel reicht es dann, wenn ich den Verkäufer anschreibe und ihn bitte, es sein zu lassen. Nur einmal musste ich mich direkt an eBay wenden, weil der Anbieter nach einem Vierteljahr weitergemacht hat. Da war ich dann nicht mehr nett, haha.

Warst du denn noch bei den Aufnahmen für das dritte Album mit dabei?

Ja. Ich habe bei den Aufnahmen mitgemacht, war auch noch bei der folgenden Tour dabei und bin dann erst ausgestiegen. Die anderen wussten es zwar nicht, aber ich hatte mir das so vorgenommen. Es war eine schwierige Zeit, denn Les machte andauernd Probleme. Ich hätte ihn natürlich rauswerfen und einen anderen Bassisten in die Band holen können. Rückblickend weiß ich, dass ich Les 1986 niemals wieder hätte in die Band aufnehmen sollen. Ich bin da zu weich und gebe manchen Menschen mehr Chancen, als sie wirklich verdient haben. Es hat sich dann so entwickelt, dass ich keine Lust mehr auf die Band hatte und auch nicht mehr mit Les auf einer Bühne stehen wollte. Er hat mich mehrmals von der Bühne getreten, hat mit Bierdosen geworfen – das macht man einfach nicht. Das heutige Line-up ist super. Pug ist wieder dabei. Er ist ein toller Drummer, etwas verrückt vielleicht, aber ein prima Kerl. Er war in den Neunzigern in der Band und ich wollte ihn vor zwei Jahren wieder dabeihaben. Leider konnte er nicht, weil er sich um seine Familie kümmern musste. Vor ein paar Wochen rief er mich an und fragte, ob ich ihn noch in der Band haben wolle. Klar wollte ich. Seitdem läuft alles wie geschmiert. Der neue Bassist ist ein Geschenk. Die Proben laufen gut. Pug kennt die Songs zudem auswendig und wir können sofort spielen. Fantastisch.

Als du die Band verlassen hast, waren da noch Gründungsmitglieder in der Band?

Ja, Les. Wobei er eigentlich nur dabei war. Er spielte kein Instrument. Er wollte Schlagzeug spielen – ging nicht. Er wollte singen – furchtbar. Also haben wir ihm den Bass umgeschnallt und ich habe ihm gezeigt, was er spielen soll. So ging das zwei Jahre, aber er hat sich nie richtig eingebracht. Als ich ging, habe ich ihm erlaubt, den Bandnamen und die Musik weiter zu verwenden. Er musste mir nur versprechen, dass er, sollte er je Royalties erhalten, mir etwas abgeben sollte. Ich habe ihn leider wieder in mein Leben gelassen, habe ihn sogar gebeten, wieder den Gesang zu übernehmen, und er hat im März 2010 sogar eine Show mit uns gespielt. Und dann gründet er plötzlich seine eigenen CONCRETE SOX, und das, nachdem wir wieder ein halbes Jahr befreundet waren. Wir sind zusammen ausgegangen, er hat meine Frau kennen gelernt, es war sehr nett und ganz plötzlich – bang! Seitdem versucht er jedes Mal, wenn ich etwas mit CONCRETE SOX plane, Schwierigkeiten zu machen. Ich versuche inzwischen, ihn einfach zu ignorieren. Eine Weile hat er auf Facebook wüste Kommentare gepostet, bis ich meinte, dass ich überlegen würde, deswegen zum Anwalt zu gehen. Erst danach hörte er damit auf. Les ist Alkoholiker und sein eigener schlimmster Feind. Dazu kommt noch Schizophrenie. Er ist einfach verrückt. Das war er schon immer. Wir sind auf die gleiche Schule gegangen. Er war eine Klasse über mir und ich war auch mit seiner kleinen Schwester befreundet. Aber er hat auch seine guten Seiten. Er war in der Szene, hatte die gleichen Ideale, aber sein Alkoholkonsum verdrängt seine gute Seiten und lässt die bösen Überhand nehmen. Aber es ist sein Leben. Solange er den Namen CONCRETE SOX nicht beschädigt, soll es mir egal sein, aber er zieht auch mein Ansehen mit in den Schmutz und das werde ich nicht zulassen. Er hat keinerlei Rechte an der Band und an der Musik. Worüber man reden müsste, sind die Texte, denn da hat er tatsächlich einige geschrieben. Aber wir haben die Songs gemeinsam geschrieben und man kann nicht hingehen und sagen, dass man diesen oder jenen Teil eines Songs nicht verwenden darf. Was ich allerdings nicht tun werde, ist Aufnahmen zu veröffentlichen, an denen ich nicht mitgewirkt habe. Alles bis zum dritten Album ist für mich okay, aber was die Band gemacht hat, nachdem ich damals ausgestiegen bin, ist für mich tabu.

Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass es zwei Versionen von CONCRETE SOX geben wird?

Nein, er kann seine Band gerne „Something Sox“ nennen, kein Problem. Ich bin nicht CONCRETE SOX, aber wenn ich Musik mache, dann nur unter diesem Namen. Als junger Mann hatte ich nicht den Mumm, mich richtig durchzusetzen und habe Les’ Aktionen ertragen. Heute habe ich eine feste Vorstellung davon, wie CONCRETE SOX klingen sollen und werde mich nicht davon abbringen lassen.

War es nicht seltsam zu sehen, dass die Band, die du gegründet hast, ohne dich weitermachte?

Ja, absolut. Es war jahrelang sehr merkwürdig für mich, denn einen wichtigen Teil meines Lebens habe ich der Band gewidmet. Heute ist es okay, aber vor zehn oder 15 Jahren tat es noch sehr weh. Ich habe die Punk-Szene für über zehn Jahre komplett verlassen, habe geheiratet, wurde geschieden und so weiter ... Als ich mich irgendwann wieder für die Szene interessierte, sah ich, was aus der Band geworden war. Sie hatten die Richtung geändert, auch musikalisch. Versteh mich nicht falsch, für sich genommen war die Musik gut, aber es waren eben nicht CONCRETE SOX. 1999, kurz bevor die Band aufgelöst wurde, waren keinerlei Gründungsmitglieder mehr in der Band. Ich finde das merkwürdig, das kann man eigentlich nicht machen.

Mir fallen da nur NAPALM DEATH ein, bei denen das funktioniert.

Ja, obwohl ich das auch ziemlich schräg finde. Ich habe NAPALM DEATH bis etwa 2009 nicht mehr gehört. Das ist verdammt noch mal nicht okay. NAPALM DEATH sind eigentlich brillant. Sie tauchten auf und unterstützten uns für zwei Jahre, bis ich begriff, dass keine Gründungsmitglieder mehr dabei waren. Neulich hätten wir uns NAPALM DEATH beinahe live angesehen, aber sie wollten 35 Euro Eintritt haben. Geht’s noch?! Soviel Geld zahle ich nicht für eine Band, bei der kein Gründungsmitglied mehr dabei ist.

Hast du dir CONCRETE SOX später mal live angeschaut?

Nein, nie. Es hat mich nie interessiert. Ich konnte es auch nicht. Du darfst nicht vergessen, dass ich CONCRETE SOX letztendlich wegen Les verlassen habe. Ich wollte doch nicht Eintritt dafür bezahlen, um Les mit der Band, die ich gegründet hatte, auf der Bühne zu sehen. Als ich die Band verließ, war mir egal, was sie taten, und ob es gut oder schlecht war. Ich war der Band gegenüber nach meinem Abgang immer voreingenommen, daher wollte ich sie nie live sehen.

Spielt ihr aktuell nur Songs aus der Zeit, als du in der Band warst?

Eigentlich wollte ich wirklich nur die Lieder spielen, die ich auch geschrieben habe, aber wenn ich möchte, kann ich die anderen Songs auch nutzen. Es ist gar nicht so einfach, die richtigen Lieder auszuwählen. Die neuen Bandmitglieder wollen gerne viele alte Sachen spielen, vor allem von „Your Turn Next“, aber mir ist es auch wichtig, die neuen Sachen in die Shows zu integrieren. Wir werden wohl zunächst auf das alte Material zurückgreifen, um überhaupt wieder auf Tour gehen zu können. Die neuen Songs werden dann nach und nach eingebaut. Zur Zeit sind zwei oder drei aktuelle Lieder im Set. Wir werden in Kürze ins Studio gehen und eine EP aufnehmen, auf der drei alte Songs mit dem neuen Line-up zu hören sein werden. Zusätzlich nehmen wir einen oder zwei neue Songs auf. Dann warten wir einfach ab, wie die Reaktionen ausfallen. Ich habe kein Interesse daran, nur die Oldies zu spielen. Ich will, dass es weitergeht und aktuelle Sachen gespielt werden. Die Songs, die ich heutzutage schreibe, sind besser als der alte Kram. Natürlich liebe ich „Your Turn Next“, aber die neuen Songs sind einfach besser, ebenso wie die Produktion besser sein wird. Stell dir einfach einen Mix aus alten CONCRETE SOX, EXODUS, TROUBLE und SACRILEGE vor, dann kommst du der Sache ziemlich nahe.

Wann kam dir konkret der Gedanke, CONCRETE SOX zu reaktivieren?

2006 bin ich geschieden worden, das war eine ziemlich harte Zeit und ich war eine Weile ziemlich am Ende. 2008 bin ich zurück nach Nottingham zurückgekehrt und hatte wieder mit der dortigen Szene zu tun. Zufällig traf ich Rat von den VARUKERS, der heute bei DISCHARGE singt. Ich wohnte damals in meinem Auto und wusste nicht so recht, wie es weitergehen sollte. Das Treffen mit Rat kam zum richtigen Zeitpunkt, denn er brachte mich wieder zurück in die Szene. Ich habe mich bei Facebook registriert und dann ging es los. Ich wurde von einigen Bands gefragt, ob ich nicht bei ihnen Gitarre spielen wollte. Meistens waren es lokale Bands. An CONCRETE SOX dachte ich damals nicht. Ich habe mich dann um das Merchandise von den VARUKERS und DISCHARGE gekümmert und kam so wieder in die Konzertszene, was mir sehr gefiel. Da kam das erste Mal der Gedanke auf, dass ich in einer Band spielen wollte, aber es sollten dann wieder CONCRETE SOX sein. Rat fragte mich dann plötzlich, ob ich nicht bei den VARUKERS Gitarre spielen wollte, weil deren damaliger Gitarrist die Band verlassen hatte. Ich dachte eine Weile darüber nach, sagte aber nicht zu – abgesagt habe ich allerdings auch nicht. Rat hat mein Zögern aber als klares Nein aufgefasst und gab mir den Tip, dass ich doch CONCRETE SOX wieder ins Leben rufen solle, wenn ich schon nicht fest bei den VARUKERS einsteigen wollte, und den Gedanken fand ich gar nicht übel. Ich wäre auch fast bei CONFLICT eingestiegen, bin aber froh, dass es nicht dazu gekommen ist, denn dann wäre ich in der Situation gewesen, dass ich nur die Songs anderer nachgespielt und keinerlei Einfluss auf die Band, die Musik und die Texte gehabt hätte. Ich wäre nur eine Art bezahlter Gitarrist gewesen. Außerdem liegt mir der Stil von CONFLICT nicht so sehr, so spiele ich nicht Gitarre. 2008 kam die Idee also auf und 2009 habe ich dann Nägel mit Köpfen gemacht.

2010 seid ihr dann auf Tour gewesen, die aber nach nur drei Konzerten abgebrochen wurde.

Ja, die Deutschlandtour, das war schrecklich. Ballo von Break The Silence Booking und ich wollten die Tour unbedingt machen. Wir waren eigentlich hoch motiviert, doch im Januar meinte einer, der zu diesem Zeitpunkt in der Band war, dass er nicht touren könnte und wir hatten nur noch zwei Monate Vorbereitungszeit. Rückblickend muss ich sagen, dass wir gar nicht erst auf Tour hätten gehen sollen. Es war ein schwerer Fehler. Wir kämpften gegen die Zeit. Ein neuer Drummer und ein neuer Bassist waren in der Band und wir hatten nur acht Wochen bis zur Tour. Zehn Songs hatten wir geprobt und ich wollte noch mindestens zwei weitere einstudieren. Mir war eigentlich klar, dass wir noch nicht bereit waren und dennoch haben wir es gemacht. Es war einfach nur schlecht und peinlich. Ballo wird sicher sagen, dass es an meinem Ego lag. Der damalige Bassist kam von einer Band namens BLITZKRIEG, aber nicht die alte „New Wave of British Heavy Metal“-Band, bei denen ich auch einmal ausgeholfen hatte. Ich wollte ihn zunächst nicht in der Band haben, akzeptierte es aber dennoch. Als wir dann in Deutschland waren, merkte ich, dass die falschen Leute in der Band waren. CONCRETE SOX sind eine Anarchopunk-Band, die den D.I.Y.-Gedanken vertritt. Er hat beim ersten Konzert Zuschauer bedroht, war völlig betrunken und hat in einem besetzten Haus beim veganen Essen nach Fleisch gefragt. Das war unglaublich peinlich. Wir sind CONCRETE SOX und wir haben eine Botschaft, was diese Jungs damals nicht verstanden haben. Mach es selber, respektiere andere, kämpfe für das Richtige. Wir sind ganz früher auch schon mal völlig betrunken bei Konzerten aufgetaucht, konnten aber spielen und respektierten die Menschen, die die Show organisierten. Ich wollte die Tour eigentlich am ersten Abend beenden, was aber nicht ging. Und dann stehst du auf der Bühne und der Bassist kann sich nicht an die Songs erinnern. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Ich habe damals die Schuld auf mich genommen und niemanden beschuldigt, denn die Entscheidung, auf Tour zu gehen, hatte ich getroffen – niemand sonst. Ich konnte am dritten Tourtag nicht mehr klar denken, so genervt war ich. Einige Leute glaubten sogar, dass ich betrunken war, weil ich am Ende des Gigs von der Bühne gefallen bin. Dabei bin ich nur gestolpert. Ich hatte einen totalen Aussetzer, hatte an jenem Abend aber keinen Schluck getrunken. So was will ich nicht noch einmal erleben. Daher proben wir jetzt mindestens ein halbes Jahr, bevor wir auftreten.

Habt ihr nach dem Desaster von 2010 vor, noch einmal nach Deutschland zu kommen?

Gute Frage. Erst letzte Woche hat mir Les, der alte Bassist, erklärt, dass CONCRETE SOX nie wieder in Deutschland spielen werden. Er hat noch Kontakte zu Freunden in der deutschen Szene, die er gegen uns aufbringt. Die meisten kommen aus Bremen und posten blöde Kommentare auf Facebook. Ich kann verstehen, wenn Ballo, der unsere Tour 2010 gebucht hat, wütend ist. Leider haben damals einige Leute eine Menge Geld verloren. Ich nehme dafür die Schuld auf mich, kann es aber auch nicht mehr ändern. Ich kann nur noch mal sagen, dass wir heute eine andere Band sind. Wir sind immer gerne in Deutschland getourt, werden aber nur erfahren, ob man uns noch sehen will, wenn wir wieder auf Tour gehen. Mal sehen ...

Und wer ist jetzt in der Band?

Dieses Mal habe ich richtig gute Leute, die aus der Szene kommen und diese auch verstehen. Gut, der Bassist hat einen Metal-Background und ist noch jung, aber er ist ein netter Kerl. Pug, unseren Drummer, kenne ich schon seit dreißig Jahren – und er kennt die Szene. Lambert, der neue Sänger, der vorher bei den BOMB BLAST MEN gesungen hat, ist seit zwanzig Jahren dabei. Sie sind alle in der Szene groß geworden. Ich habe erst vor ein paar Tagen unseren Sänger, der seit vier Wochen dabei war, rauswerfen müssen. Er ist letzte Woche einfach nicht zur Probe gekommen und hat nicht vorher abgesagt. Er war ein sehr guter Sänger und auch ein netter Kerl, aber so will ich nicht arbeiten.

CONCRETE SOX sind auch ein Produkt der Thatcher-Ära. Wie siehst du im Vergleich das heutigen England von David Cameron?

Tja, was ist das kleinere Übel? Es sind eigentlich zwei völlig unterschiedliche Übel. Die Thatcher-Ära war furchtbar, für mich aber eigentlich super. Es gab zwar keine Jobs, aber wir wollten ja auch gar keine. Wir wollten uns betrinken und in einer Punkband spielen. Wir konnten damals gar nicht anders, als in die Anarchopunk-Szene einzutauchen, weil sie soviel zu bieten hatte. Ich war damals ein kleiner Punker und dann kamen CRASS. Ich rede nicht von Popbands wie THE EXPLOITED, ich meine intelligenten Anarchismus, intelligente Ideen. Über CRASS kam ich zu DISCHARGE und CONFLICT, und so bekam das Leben auch ohne Jobs eine Bedeutung. Zumindest gab es meinem Leben einen Inhalt. Ich hatte plötzlich einen Grund, bestimmte Dinge zu tun und den ganzen Bullshit zu vergessen. Ich machte das, was ich wollte, und meine Freunde taten das auch. Diese Situation brachte uns zum Punkrock. Wir waren Kinder, die das Gleiche taten und wollten. Niemand zwang uns dazu, wir wollten es so. Für diese Zeit bin ich ewig dankbar. Ich will die Thatcher-Ära keinesfalls schön reden, im Gegenteil, das war eine schlimme Zeit, die viele Menschen kaputt gemacht hat. Die Gewerkschaften wurden zerschlagen, es gab diese massiven Streikwellen, weil viele Leute bettelarm waren. Aber wenn man gearbeitet hat, dann konnte man wenigstens seine Rechnungen und sein Essen bezahlen. Ich will damit wirklich nicht sagen, dass die Thatcher-Jahre besser waren, sie waren nur anders. Heute kann ein einfacher Arbeiter doch kaum seine Rechnungen bezahlen oder seinen Kindern ordentliches Essen kaufen. Jeder kämpft ums Überleben. Die Cameron-Ära ist für mich nicht besser oder schlechter als die Thatcher-Ära, beide waren beziehungsweise sind beschissen. Die Probleme sind heute nicht mehr auf England beschränkt. Rezession und Degression sind weltweite Phänomene, alles beginnt zusammenzubrechen.

Inwieweit denkst du, dass Cameron mit dem Feuer spielt, wenn er droht, mit England die EU zu verlassen?

Das ist doch nur ein Ablenkungsmanöver. Weißt du, ich habe keinen Fernseher und kaufe keine Zeitungen. Manchmal bekommt man natürlich etwas mit, aber ich versuche mich, soweit es geht, aus dem System zurückzuziehen. Ich arbeite nicht, habe dieses Haus, okay, es ist nur gemietet, aber es interessiert mich wirklich nicht, was außerhalb dieser vier Wände passiert. Ich weiß, dass es in der Welt große Probleme gibt, aber die Politik hat sich nie um die Probleme und Interessen von mir, meinen Freunden oder meiner Familie gekümmert. Als Mensch ist mir das irgendwie total egal geworden. Ich bin immer noch absolut gegen die Dinge, die ich immer schon abgelehnt habe, aber es juckt mich nicht im Geringsten, was mit dem gemeinsamen europäischen Markt passiert. Mir ist egal, was England tut. Mir ist egal, was die USA tun. Ich gehe nicht wählen. Das habe ich nie getan und werde es nie tun. Klar, es ist wichtig, informiert zu bleiben, aber ich hole mir meine Informationen lieber von alternativen Webseiten.