Kneipenführer

München

Wenn man als Münchner Besuch hat, kann man das Gejammere schon vorher auswendig: Jaja, die Kneipen machen meistens schon um 1 Uhr zu. Klar, um die Uhrzeit geht man in anderen Städten erst aus dem Haus, um einen drauf zu machen. Wir wissen: ist eben nicht Berlin oder Hamburg hier. Um so schlimmer, dass viele als einzige Adresse das Kommerz-Vergnügungs-Ghetto Kunstpark Ost mitbringen und dann sogar noch dorthin gehen! Das muß ja dann auch nicht sein. Hier Material für die Verweigerungsoffensive.

Lange Zeit war München absolutes Brachland in Sachen Punkrock. In den letzten Jahren hat sich das wieder etwas gebessert, es gibt inzwischen ein paar wenige feste Institutionen für gute Musik. Absolutes Highlight ist zur Zeit das Kafe Kult, das bereits vor ein paar Jahren unter dem Namen Kulturstation Garant für sehr geile Konzerte zu korrekten Preisen war. Seit diesem Jahr wiedereröffnet verlagert sich die Szene mehr und mehr zurück dorthin. Mit gutem Grund: Die Konditionen sind okay, die Mannschaft ist offen für jeden, der hier was veranstalten möchte und die Eintritts- und Getränkepreise sind mehr als korrekt. Einziger Minuspunkt ist die etwas ungünstige Lage in Oberföhring. Trotzdem: Der Weg lohnt sich nicht nur, wenn hier EA 80 oder BUT ALIVE spielen.

Bis zur Wiedereröffnung des Kult war die Glockenbachwerkstatt eine gute Adresse in Sachen Punkrock. Das Bürgerhaus mit dem Ohrenzerstörer-Minikonzertraum beherbergte neben vielen kleinen Gigs das jährliche "Trash-Fest" und das "Lärmkessel-Festival". Jetzt wird gerade renoviert, ab 2000 geht es mit Konzerten weiter. Das Programm soll dann musikalisch breiter werden. Was das konkret bedeutet, wird sich zeigen.

Eine Institution in Sachen Gitarrenmucke ist auch das Backstage. Anfang der 90er startete der Laden in einem Jugendzentrum mit netten Konzerten wie RAZZIA und HEITER BIS WOLKIG. Inzwischen ist das inzwischen nur noch aus einer Person bestehende Backstage-Team längst auf ein Barackengelände mitten in der Stadt gezogen und veranstaltet beinahe täglich Konzerte und Parties in einer langezogenen Wellblechhalle und dem nebenan liegenden Club. Dabei bewegt sich das sympathische Backstage ständig auf einem schmalen Grat zwischen Underground und Pleite machen, was sich in ständig wechselnden Clubnächten, teurer werdenden Getränkepreisen und Mainstreamparties an den Wochenenden bemerkbar macht.

Lange Zeit hat das Substanz die Punkrock-Fahne hochgehalten, inzwischen scheint man auch hier immer mehr nach einer etwas hipperen Kundschaft zu schielen. Das Substanz befindet sich gegenüber des Kreisverwaltungsreferates und steht daher seit seiner Eröffnung unter juristischen Vollbeschuss der städtischen Ordnungshüter. Konzerte müssen hier wegen "Lärmbelästigung" vor 22 Uhr stattfinden. Definitiv bester Abend ist Dienstag, denn dann läuft Punkrock pur - oftmals in Form von "5 Mark Konzerten" mit lokalen Bands.

Gar keine Live-Sachen gibt es im nahegelegenen Flex, einer dunklen Kneipe im Keller eines Wohnhauses. Obwohl hier alles schön fertig ist, können Punkpuristen eventuell Ohrenschmerzen bekommen: Die Plattenaufleger machen an manchen Tagen sogar etwas Techno im Hintergrund. Ansonsten holt man sich sein Bier samt Jägermeister an der Theke, spielt Kicker oder wundert sich, dass einer der Flex-Betreiber tatsächlich der Sohn von "Ich war dabei"-Schönhuber ist. Der Apfel fällt eben doch manchmal ganz weit vom Stamm.

Manche finden das Flex übrigens zu siffig und gehen lieber in die Südstadt. Hier hockt man vor allem vor seinem Bier und hört netten Garage-Sound, den kompetente DJs auflegen. Besonders gut eignet sich die Südstadt übrigens als Aus-Chiller nach Konzerten im gegenüberliegenden Tröpferlbad, wo ab und zu Bands spielen.

Wenn wir schon gerade bei korrekten Abhängkneipen sind: Das Jennerwein in Schwabing ist klein, eng und mit geschmacklosen 50er-Sachen, Hirschbildern, Jesusstatuen und anderem ekelerregendem Schmuckwerk dekoriert. Zusätzlich kommt schräge Musik von Country bis Punker aus der Dose, machmal auch elektronisches Zeug. Wem es im Jennerwein zu eng ist, der kann mal schräg gegenüber das X austesten. Auf eigene Gefahr! In dem Laden, der sich ohne große Hinweise hinter der Fassade der Vorgängerkneipe Clemensgustl verbirgt, gibt es überwiegend elektronische Chill-Musik.

Wie lange es das Feierwerk noch geben wird, weiss keiner so genau. Seit Jahren droht dem mit städtischen Mitteln geförderten Projekt die Abrissbirne und doch geht es jedes Jahr weiter. Hier und im nebenan liegenden Hansapalast spielen beinahe täglich Bands zu korrekten Preisen. Hingehen lohnt sich in Abständen, der Schwerpunkt liegt oft sehr stark auf dem Rockbereich.

Eher moderner ist dagegen die Grundstimmung im Club2, der in einer ehemaligen Münchner Jazzkneipe aufgemacht hat. Meist vor etwas trendigerem Szene-Publikum spielen hier Bands wie TRANS AM oder MELT BANANA - ein guter Grund, trotz der hohen Studentendichte dorthin zu gehen. Hier hat übrigens auch das "Substanz-Syndrom" zugeschlagen: Konzerte müssen vor 22 Uhr laufen, sonst wird dichtgemacht.

Und dann noch das Letzte: Man muß eben doch manchmal in die Partystadt Kunstpark Ost gehen. Hier befindet sich nämlich das Metropolis (vormals Incognito), in dem es regelmäßig gute Konzerte in der Klasse HELLACOPTERS bis HARD-ONS gibt. Der Eintritt variiert sehr stark je nach Veranstalter und Band. Da die Gigs normalerweise unter der Woche stattfinden, ist man auf dem Gelände von den üblichen Kunstpark-Besucher-Prollmassen verschont. Nach den Konzerten lohnt es sich selten zu bleiben, es sei denn gegenüber im Keller findet eine gute Club-Nacht mit Wave und Punkrock aus der Dose statt und man hat noch genug Geld für Bier ab 5 DM.

 

Backstage: Helmholtzstr. 18, Neuhausen, S-Bahn Donnersberger Brücke.

Club 2: Einsteinstr. 42, Haidhausen, U/S Ostbahnhof.

Feierwerk: Hansastr. 39 (Hansapalast: Hansastr. 41), Untersendling, U4/U5 Heimeranplatz.

Flex: Ringseisstr. 11, Innenstadt, U3/6 Goetheplatz.

Glockenbachwerkstatt: Blumenstr. 7, Glockenbachviertel, U/S Marienplatz.

Jennerwein: Belgradstr. 27, Schwabing, U 2 Hohenzollernplatz, Tram 12 Clemensstraße.

Kafe Kult: Oberföhringer Str. 156, Oberföhring, Bus 88/188 Bürgerpark Oberföhring.

Kunstpark Ost: Grafinger Str. 6, Berg am Laim, U5/S-Bahn Ostbahnhof.

Substanz: Ruppertstr. 28, Schlachthofviertel, U 3/U6 Poccistraße.

Südstadt: Thalkirchner Str. 29, Schlachthofviertel, Bus 31/58 Kapuzinerstraße.

Tröpferlbad: Thalkirchner Str. 104, Schlachthofviertel, Bus 31/58 Kapuzinerstraße