REVEREND ELVIS

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Rock’n’Roll Preacher

Punkrock hat nicht unbedingt für jeden die gleiche Bedeutung. In meinen Augen war Punk immer eine Musikrichtung, die sich zunächst gegen den etablierten und aufgeblasenen Kram von Dinosaurierbands richtete und diesem etwas entgegensetze, das roh und dreckig war. Wenn ich mir die vielen melodiösen Punk-Bands von heute so anhöre oder schaue, in welchen Läden sie spielen, dann finde ich davon für mich so gut wie nichts mehr. Aber es gibt immer noch Musiker, die eben genau diese mir fehlende Attitüde rüberbringen, und dabei ist es total egal, ob der Stil Rockabilly, Garage oder auch Country sein mag. Als daher kürzlich auf meinem Tisch die neue Platte von Reverend Elvis – nicht aus Memphis, sondern aus Chemnitz – landete, fand ich genau das, was mir viel zu oft fehlt. Dass eines der Vorgängeralben auch konsequenterweise den Plattentitel „Punk“ trägt, rundete die Sache für mich noch ab.

Reverend Elvis, mit deinem Namen stehst du ja nicht ganz alleine da. Einerseits weckt er die Assoziation einer Doppelhommage, nämlich an Elvis, aber auch, wegen des musikalischen Outputs, an Reverend Beat-Man. Gab es diese Überlegung oder ist das eher Zufall?

Das hat sich so entwickelt, das war mal mein DJ-Name. Vielleicht ist das nicht besonders kreativ, aber Kreativität wird sowieso überbewertet, haha. Ganz klar sind die zwei von dir Genannten unglaublich wichtige Einflüsse für mich, insofern kann man sicher sagen, dass es auch eine Hommage ist. Elvis ist ja eigentlich kein Name einer bestimmten Person mehr, sondern ein Kult. Ein trashiger Kult und ich gehöre ihm an – ich bin ganz klar Elvis-Fan! Beat-Man begleitet mich auch schon viele Jahre, wir kennen uns, und er hat immer das gesagt, was ich auch dachte. Nimm als Beispiel Gospel. Erkläre mal deinem zynisch-satanistischen Punk-Umfeld, dass du Gospel liebst, haha. Beat-Man hat das immer sehr schön auf den Punkt gebracht.

Es gibt in den USA auch einen Reverend Elvis, der seinen Namen aber wörtlich nimmt und echter Reverend ist. Hat dich diese oftmals seltsam anmutende amerikanische Predigerkiste bei der Namensfindung beeinflusst?

Ja, ich stand schon immer auf diesen „Guitar Evangelist“-Scheiß. Manche Texte könnten auch von Black Metal-Bands stammen. Ich liebe das, bin aber garantiert kein Christ.

Seit wann machst du Musik?

Als Teil der Musikszene fühle ich mich, seit ich 14 bin. Zumindest habe ich seitdem alles gemacht, was vor, hinter und auf der Bühne so passiert oder in irgendeiner Weise damit zu tun hat. Vom eigenen Plattenladen über Booking, Tonstudio, Fanzine und natürlich Fan-Sein! Ich mache seit 13 Jahren aktiv Musik, 2004 kam dann die erste offizielle Platte raus.

Wo siehst du deine musikalischen Wurzeln?

Die liegen eindeutig in den Fünfzigern und sogar noch davor. Rockabilly, R&B und so weiter. Aber genauso wichtig war und ist die Punk-Szene, in der ich mich bewege.

Mit deiner neuen Platte ordnest du dich in die Kategorie „Death Country“ ein. Eine Platte davor war schlicht mit „Punk“ betitelt und etwas Netzrecherche ergab auch die Bezeichnung „Psychobilly-Urgestein“.

Na ja, „Death Country“ ist ja gar keine Kategorie, deswegen ordne ich mich da ein. Trotzdem schränkt es die Sache soweit ein, dass jeder weiß, hier handelt es sich nicht um die neueste Indieproduktion. Gute musikalische Freunde wie Hank Ray von THE RAYMEN oder Lonesome Wyatt ordnen sich da ebenfalls ein, und auch so coole Bands wie COFFINSHAKERS. Mit dieser Ecke komme ich klar. Psychobilly direkt habe ich nie gemacht, das ist mir etwas zu beschränkt. Aber ich liebe die Musik und bin Teil der Szene. Allerdings mache ich mit meiner Band UNDEAD SYNCOPATORS sowohl live als auch auf Platte einen wesentlich straighteren Sound. Wir mixen alte Stilelemente mit Punk, machen sozusagen unseren eigenen Psychobilly.

Ich habe mich Mitte der Achtziger auch am Rande der Psychobilly-Szene bewegt, irgendwann machte die aber, zumindest hier in NRW, einen gewaltigen Rechtsruck, weswegen ich mich für viele Jahre davon distanziert habe. Seit einigen Jahren gibt es diese Tendenzen nicht mehr, oder nur noch rudimentär. Wie siehst du die Psychobilly-Szene?

Da muss man schon unterscheiden. Psychobilly ist eine absolut heterogene Szene. Es gibt lokale Gruppierungen, die auch heute noch Nazis sein können, und es gibt die aktive Szene, die weltweit vernetzt ist und weit entfernt von irgendwelchem rechten Bullshit. Es gibt keine Gesinnungspolizei im Psycho und das ist auch gut so. Die Szene hat sich sehr geändert, hat ihre Nische verlassen und ist in Unterszenen aufgegangen. Hier in Chemnitz ist es üblich, in Punkschuppen und besetzten Häusern zu spielen. Da ist auch kein Nazi in Sicht und wir werden alles tun, dass das so bleibt. Antifaschismus sollte einfach eine Grundvoraussetzung sein.

Von der Punk-Szene in der DDR weiß man mittlerweile eine ganze Menge. Es gibt Bücher, Dokus, Interviews und so weiter. Wenig bis gar nichts weiß ich von einer Rockabilly- oder Psychobilly-Szene in der DDR. Gab es die?

In meiner Gegend ist die Psycho-Sache geschichtlich bedingt erst viel später aufgetreten. Da waren wir mit die ersten Aktiven. Es gab noch vor dem Mauerfall die beiden „Psychoattack Over Europe“-Sampler als Polenpressung. Der entsprechenden Szene war der Sound bekannt, aber mehr nicht. Beim Rockabilly gab es eine große Szene, die kenne ich noch, obwohl ich eigentlich zu jung bin. Dort bin ich aufgewachsen. Sie war stark 50s-orientiert, unpolitisch und fast vereinsmäßig wie im Westen. Es gab auch Teds, bei denen ich dabei war, aber erst nach der Wende. Country gab es in jedem Fall. Im Großen und Ganzen war das alles sehr ähnlich wie im Westen. Im Übrigen auch heute noch, ich bin viel unterwegs in Deutschland und ich kann die Unterschiede kaum sehen – auch wenn alle anderen die scheinbar sehr gut erkennen.

Was hat es mit deiner Internetseite Undead Chemnitz auf sich?

Das hat mit der Musik an sich nichts zu tun. Wir leben hier in einem Haus zusammen mit Proberäumen, Ateliers, Tonstudio und allerlei irrem Zeugs. Und wir hatten einfach ständig die Bullen auf dem Hof, nur weil wir anders leben wollten. Da haben wir der Sache einen Namen gegeben und beim Kulturamt angemeldet, jetzt ist Ruhe.

Deine Sachen erscheinen auf deinem eigenen Label Suzy Q Records. Gib uns mal ein kurzes Labelporträt.

Ein paar Freunde und ich haben Suzy Q 1999 als Plattenladen in Chemnitz gegründet. Das war ein echter Liebhaberladen, mit Roots, Rockabilly, Punk, Garage. Crypt Records waren dabei so was wie unser Vorbild. Hat aber nicht geklappt. Zwar ist der Laden sehr gut angenommen worden, aber war trotzdem finanziell scheiße. Nachdem wir zumachen mussten, haben wir dann nach und nach kleine Auflagen von unseren eigenen Sachen und von Freunden rausgebracht. Wir haben hier eine recht gute Musikszene, gerade im Rock’n’Roll- und Psycho-Bereich mit international agierenden Bands. Mit denen arbeiten wir zusammen, aber auch mit Freunden aus anderen Ländern. Ein D.I.Y.-Ding, wie es eben sein soll! Inzwischen hat Suzy Q eine kleine weltweite Fangemeinde, miniklein zwar, aber überall.

Neben deinem Musikprojekt bist du auch als bildender Künstler unter deinem bürgerlichen Namen Andreas Freier aktiv.

Ja, so heiße ich wirklich. Ich habe schon immer nach Wegen gesucht, mit denen man sich ausdrücken kann. Vor allem eben auch ohne Worte. Ich habe da, wie ich glaube, einen recht morbid-punkigen Weg gefunden, das in und mit Bildern auszudrücken, und habe auch schon einige ausgestellt. Aber das ist aktuell Geschichte, Musik ist mein Ding.