Neuseeland - Ein Reisebericht

Endlich war es wieder soweit; NEUSEELAND. Nach 1994 ging es zum zweiten Mal auf die Reise an das andere Ende der Welt. Da keine Impfungen oder andere Einreisebestimmungen zu beachten sind, waren außer dem Reisepaß keine weiteren Formalitäten zu erfüllen. Schnell gebucht und am 19.01.99 via ICE ab nach Frankfurt. Mit der indonesischen Garuda-Airlines (in Fachkreisen auch "Jo-Jo Airline" genannt, wie ich feststellen sollte) ging es über Singapore, Bali und Australien nach Auckland.

So, jetzt erst einmal einige Daten, da ich mal davon ausgehe, daß die wenigsten von euch wissen, was in N.Z. so läuft. Die erlaubte Aufenthaltsdauer für Touristen beträgt drei Monate. Verlängerung ist aber unproblematisch bis zu einem Jahr möglich. Wer die Zeit hat, sollte diese nutzen und sich auf den Weg machen. Arbeits- und/oder Einwanderungsgenehmigungen werden in der Regel nicht erteilt. Es ist jedoch kein Problem in N.Z. seine Reisekasse aufzubessern. Farmer, Obst- und Weinbauern bieten in der Zeit von Februar bis Mai bei Verpflegung und Unterkunft Saisonjobs an. Die beste Reisezeit ist zwischen Dezember und März, der Sommer. Bei Wassertemperaturen um die 22°C und Tageshöchstwerten bis zu 30°C kann man ganz schön ins Schwitzen geraten. Also auf jeden Fall Lederjacke zu Hause lassen bzw. Ärmel abschneiden und die Haare kürzen. Ansonsten nur noch einen Ruck- und Schlafsack und die Ausrüstung ist perfekt. Wer trampt, sollte sich noch eine Regenjacke einpacken, denn mit kurzen heftigen Schauern muß gerechnet werden. "Der" Neuseeländer läuft in der Regel barfuß oder in Turnschuhen und trägt Sommer wie Winter Shorts und T-Shirt. Bezahlt wird mit dem Neuseeland-Dollar, der in der Regel so bei 0,90 DM liegt. Die Lebenshaltungskosten sind geringer als in Deutschland. Damit das auch jeder versteht mal ein Beispiel. Der Cheeseburger bei McDonalds kostet in N.Z. umgerechnet 70 Pfennig.

Übernachtet wird in der Regel in den sogenannten Backpackers. Die Übernachtung kostet zwischen 10 und 20 N.Z.-Dollars. Wenn die Kohle ausgeht kann man aber auch dem Hauswirt mal den Rasen mähen oder den Zaun streichen. Dann ist wieder Luft und die notwendige Verpflegung ist inclusive. Neben dem Reisen mit den durchorganisierten staatlichen und privaten Busgesellschaften, der Bahn und Backpackersbusgruppen (Achtung, Studis) ist es überhaupt kein Problem zu trampen. Von den 3,54 Mio. Einwohnern leben ca. 85 Prozent in den Städten (in Deutschland leben zur Zeit rund 80 Mio. Menschen). Rund 1 Mio. Menschen leben davon allein in Auckland, und vom Rest nur 1/3 auf der Südinsel. N.Z. ist also schon eine ziemlich ruhige Angelegenheit. Von der wunderschönen Landschaft und der Naturvielfalt will ich mal gar nicht erst anfangen und so langsam zum Punk(t) kommen, der Musikszene.

Ich will den Jungs und Mädels in N.Z. mal nichts unterstellen, aber die Städte, in denen Punk-Konzerte stattfinden, lassen sich wohl auf Auckland, New Plymouth, Wellington (Nordinsel) und Christchurch (Südinsel) reduzieren. Sogenannte Independent-Musik wird allgemein sehr viel gehört und in der Regel auf dem seit langem bestehenden Flying Nun-Label veröffentlicht. Wer noch die alten Ausgaben des Howl-Fanzines hat, der wird sich an deren Australien- und N.Z.-Berichte erinnern. Eine in und außerhalb N.Z. bekannte Flying-Nun-Band sind die ABLE TASMANS. Nicht mein Fall und jeder der auf Punk steht, sollte Abstand nehmen. Strange-Ways-, Glitterhouse- und Normal-Mailorder-Kunden müssen allerdings zuschlagen. Ansonsten spielt sich fast alles in Auckland ab. Von Punk über HC, Skater, Gruftis und Kaputte nimmt sich die Stadt nicht viel von einer deutschen Großstadt. Es gibt die einschlägigen Plattenläden (Groovy Rec. in der Queenstreet/Downtown hat das beste Angebot und gute N.Z.-Second-Hand-Scheiben sowohl auf Tape als auch Vinyl und CD.). In den Plattenläden bekommt man mittlerweile auch alle erdenklichen Scheiben aus USA und Europa. Die HC-Hoffnung aus Auckland sind BALANCE, die gerade im Vorprogramm der DEFTONES spielten und eine 8-Song Mini-CD veröffentlicht haben. Der Titel "Truth, Respect & Spirit" sollte für sich sprechen. "Stummel"-Punk gibt es von THE CLEAR, und die vielversprechendste Band scheinen mir NOTHING AT ALL zu sein. Ihre gleichnamige CD läßt coolen Garagensound aus den Boxen tönen und macht Lust auf eine Überdosis Bier. Ferner kommen aus Auckland die wohl auch hier bekannten HEAD LIKE A HOLE und SHIHAD, denen ich jedoch nichts abgewinnen kann. Vermutlich kommen die ursprünglich gar nicht aus Auckland, aber jeder, der von der Musik leben will und keiner anderweitigen geregelten Erwerbstätigkeit nachgeht, landet früher oder später in Auckland. Was mich dann doch sehr gewundert hat ist, daß aus so ziemlich jedem Auto, Cafe oder Bar SUBLIME zu hören waren. Eigentlich aber genau richtig, denn bei dem Klima ist es genau die richtige Musik. Ich will doch mal hoffen, daß mittlerweile jeder von euch mindestens eine Scheibe von SUBLIME im Schrank stehen hat. Ansonsten sofort ordern! Ich habe mir noch ein schönes Bootleg zugelegt, nämlich SUBLIME rein akustisch: eine ruhige Geschichte und nur eingefleischten Fans zu empfehlen.

Zu der Zeit, als wir in N.Z. waren, fand auch gerade ein fettes Festival statt, das "Sweet Waters"-Festival. Das Package war jedoch nicht so berauschend und da es keine Tageskarten gab, haben wir uns lieber die Natur gegeben und sind zum nördlichsten Punkt in N.Z. gefahren, dem Cape Reinga, mit dem Blick in die Tiefe, wo die Tasman-See sich mit dem Pazifik trifft. Einige Tage später haben wir dann aus der Zeitung erfahren, daß der Veranstalter den Eintritt der ca. 30.000 Besucher kassiert undso gut wie alle Bands geprellt hat. Elvis Costello hat nicht einen Pfennig bekommen; leider auch die diversen Bands aus N.Z., die jetzt nicht einmal genügend Geld hatten, um die Heimreise antreten zu können. Besonders schlimm war die Situation für die Bands von der Südinsel, die noch die Fähre bezahlen mußten. Der Veranstalter soll sich Gerüchten zufolge nach Australien verpißt haben und ein derber Biker-Club, der für die Security zuständig war, hat mittlerweile ein Kopfgeld auf den Herrn ausgesetzt. Denen, die da waren, hat es wohl gut gefallen. Gerade im Trance/Goa-Bereich waren wohl einige Künstler am Start.

Auf dem Rückweg habe ich dann Flyers gesehen, wonach diverse Bands aus Auckland Benefiz-Veranstaltungen durchgeführt haben, um gerade den Bands von der Südinsel die Heimreise zu ermöglichen. Das Ganze stand unter dem Motto "Sweet Revenge" und es war doch gut zu wissen, daß sich der eine noch um den anderen kümmert. Als nächstes hat uns die Reise nach New Plymouth, von mir auch "Punk-Rock-City" genannt, geführt. Eine kleine Stadt, ca. 45.000 Einwohner, wenig Touristen und lauter nette Menschen, wie eigentlich überall in N.Z. 1994 waren wir noch öfter in der Stadt und haben dort auch diverse Punks getroffen. Damals gab es auch fast nur Demo-Tapes der einheimischen Bands. Heute kann man es sich dann doch schon mal leisten, eine CD aufzunehmen. Wie ich erfahren habe, wird dies auch noch staatlich gefördert mit finanziellen Zuschüssen. Dabei ist es absolut unerheblich, um welchen Stil es sich handelt. Auch explizite Texte sind da kein Problem. Besonders angetan hat es mir da die Band HIDEOUSLY DISFIGURED, die es schon ´94 gab und die gerade ihre zweite CD veröffentlichen wollen. Da sie aber noch Schulden im Studio haben ist es fraglich, ob sie die Master-Tapes in absehbarer Zeit erhalten. Ich hatte das Glück, daß Brett, der Guitar-Man, so freundlich war und mir die Scheibe, teilweise noch nicht remastered, schon mal auf Tape aufgenommen hat. Das ganze geht von der ersten Scheibe "Greatest hits vol. 11",die noch sehr hektisch war und vor allem durch die lustigen und auch schmutzigen Texte aufgefallen ist, nach einigen Besetzungswechseln mehr in Richtung Crossover. Nach wie vor aber absolut abgedreht, aber an den Instrumenten fähig und richtig fett produziert. Bei HD sind auch einige Maoris, die Ureinwohner von N.Z., mit am Werk. Lieder wie "Yoose-Lutt", "No fat chix", "Vigil anarchy", "Capital HC" und "J.O.I.N.T." sprechen für sich. Ferner haben HD DIE N.Z.-Hymne geschrieben, nämlich "Roll on Thursday". Dazu muss man wissen, daß es in N.Z. im Verhältnis gesehen sehr viele Arbeitslose gibt und das Arbeitslosengeld einmal wöchentlich in der Bank ausgezahlt wird. Also, "Thursday ist payday". Alle und darunter eben auch viele Punx treffen sich donnerstags in der Innenstadt und holen sich ihre Kohle ab, dann werden in der Regel davon erst einmal die notwendigen Lebensmittel für die nächsten sieben Tage gekauft, danach ab zum Bottle-Store und den Rest so schnell wie möglich in Getränke und Rauchwaren investieren (hier gibt es sogar noch Öl zu rauchen; schon mal von heißen Messern gehört?). Am Sonntag kehrt in der Regel wieder Ruhe ein, weil keiner auch nur noch einen Pfennig hat.

Nach wie vor gibt es auch noch THE NOD, die jedem Metal-Fan das Herz höher schlagen lassen und aus diesem Grunde hier auch nicht weiter abgefeiert werden. Aber kommen wir doch mal zu den absoluten Abräumern, den besten Punk-Bands unter dem Äquator, nämlich STICKY FILTH, TOXIC AVENGERS und NEFARIOUS. Alle drei Bands hauen dich einfach um (wenn du Pech hast auch im wahrsten Sinne des Wortes). STICKY FILTH sind in N.Z. wohl so die bekannteste Punk-Band. Es gibt sie auch schon seit vielen Jahren. Früher hatten sie sogar ein Label in Deutschland (Gift of Life/Fire-Engine), mit dem sie aber nicht besonders zufrieden waren. Neben etwas ruhigeren und ausgefeilten Stücken haben sie mit "Astronaut" für mich den besten Punk-Song aller Zeiten geschrieben. STICKY-FILTH haben auch auf dem Sweet-Waters gespielt bzw. abgeräumt. Der Sound hämmert sich in dein Ohr, genauso wie bei den TOXIC AVENGERS, die zur Zeit auf Eis liegen, nachdem ihr Sänger in New Plymouth bei einer Messerstecherei um Leben gekommen ist. Lieder wie "Mushroom town", "Walls have eyes", "Mother komplex" und "Horror story" sind schlicht der Hammer. Auf dem Cover ihrer Platte ist der Sänger abgebildet, wie er in seiner Lederjacke mit Bierflasche in der Hand daliegt. Nachdem ein weiteres Bandmitglied wegen Drogengeschichten verhaftet wurde, ist es um den verbleibenden Rest ein wenig ruhiger geworden. Diese Band ist ein eigenes Höllen-Szenario und nur noch von NEFARIOUS zu toppen. Diese habe ich im Vorprogramm von ALL gesehen, die gerade in New Plymouth zu Gast waren.

Nach dem Konzert wollte mich der eine von denen auf dem Klo höllenstramm umhauen, und wenn Daryl von THE NOD nicht gekommen wäre, dann hätte der Abend für mich böse geendet. Ich habe mir sagen lassen, daß die Jungs schon mal zwei Schnapsflaschen auf der Bühne kippen (in Neuseeland hat eine Flasche ein Volumen von 1,125 Liter) und dann auch dementsprechend ausfallend werden. So soll es schon vorgekommen sein, daß der Drummer sich seine Sticks bis zum Anschlag in den Hintern schiebt und auch die Gäste in den ersten Reihen damit rechnen müssen, mal die Klampfe oder eine Flasche abzubekommen. NEFARIOUS haben ein Tape veröffentlicht und Songs wie "Rock´n´roll cuntstruck", "Dead-dead" und "Dogbite" läuten eine neue Ära aus den Tiefen der Hölle ein, wobei es sich hier nach wie vor um PUNK-Musik vom Feinsten handelt, also kein Death-Metal-Gebrülle.

Mir ist sowieso aufgefallen, daß viele neuseeländische Bands einen sehr depressiven Touch haben, der sich zum Glück jedoch nicht im Tempo bemerkbar macht. Mit den vorgenannten Bands hat New Plymouth in N.Z. wohl das beste Programm am Start. Eine ziemlich junge Band heißt SCHIZO. Die Scheibe "The Scream" ist aber doch schon eher was für die Grufti-Abteilung, also wirklich schon manisch, obwohl ich mir vorstellen könnte, daß dies mehr an der Sängerin liegt, die ruhig mal mehr Gas geben könnte. Nicht zu vergessen sind im Bezug auf New Plymouth EVILIS (Danzig-like) und PSYCHO 66, die ebenfalls hart und kompromißlos zur Sache gehen. Alle Veröffentlichungen haben die für diese Musik erforderliche Produktion bekommen und fegen dir das Schmalz aus den Ohren. Die ganzenPunk´n´roll-Sachen die hier in Deutschland zur Zeit so angesagt sind, lassen die Jungs und Mädels (wenigstens in New Plymouth) kalt. Hier geht es noch um PUNK-Rock, bisweilen auch mal mit Metal-Einschlag, aber nie nervig. Auch eine gute Oi!-Scheibe konnte ich mir ziehen, und zwar GOBSMAKT mit dem Titel "You Wot!". Diese wird über Step-1 Music vertrieben und dürfte auch in Deutschland zu bekommen sein. Geboten wird oi, oi, oi ohne Schnörkel. Wie gehabt wieder eine klasse Produktion und kein Aussetzer dabei. Für die Death-Metal-Fans (gibt es die unter den Ox-Lesern?) habe ich aber auch noch eine Band am Start, und zwar MALE-VOLENCE. Da ich mich in dieser Materie aber nicht auskenne, verweise ich mal auf die Texte. Mein Kumpel Ronni sagt, daß man bei diesen Bands schon anhand der Texte sehen kann, ob die es ernst meinen und um welchen Sound es sich handelt (ist bei Punk irgend wie auch so, oder?). "Too slow to die", "Suburban execution" und "The cage of the insane" sollten dem Profi also entsprechende Hinweise geben.

Im Gegensatz zu 1994 habe ich diesmal festgestellt, daß die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Szenen mittlerweile noch besser geworden ist und auch konzertemäßig doch ´ne Menge läuft. Es gibt auch richtig gute Dub-Reggae-Bands wie SALMONELLA DUB (aktuelles Album: "The Calming Of The Drunken Monkey") und das NEMESIS-DUB-SYSTEM, die gerade bei dem Klima vor Ort die optimale Abwechslung zu dem harten Stuff bieten. Ich habe mir auch noch einige Sampler gezogen, auf denen auch völlig verschiedene Stile zusammengefasst werden. Das kann natürlich auch einfach nur daran liegen, daß es dann doch noch nicht soviele Bands gibt wie mittlerweile z.B. in Deutschland, wo ja eine undurchdringliche Samplerflut langsam schon den Spaß an der Musik verdirbt. Neben dem Sampler "AK 79", der die damaligen Punk-Bands von Auckland stilvoll dokumentiert, habe ich mir noch einen Ska-Sampler zugelegt, der auch nett anzuhören ist, aber dann doch nicht die Qualität der mir aus diesem Bereich sonst so bekannten Bands erreicht. Insgesamt ist Ska derzeit in N.Z. ziemlich angesagt. So, jetzt muß ich doch mal zum Schluß kommen. Ich darf aber nicht vergessen, jedem das Mushroom-Festival ans Herz zu legen, welches seit Jahren regelmäßig stattfindet. Hier spielen an zwei Tagen so ziemlich alle Punk-Bands aus dem Einzugsgebiet von New Plymouth. Die Daten können bei Interesse bei mir erfragt werden bzw. ich kann versuchen, euch diesbezüglich weiterzuhelfen. Leider findet das Festival immer im neuseeländischen Winter statt, also wenn es in Deutschland Sommer ist. Ferner bin ich mir durchaus im klaren darüber, daß die Platten der hier genannten Bands hier in Deutschland nicht zu bekommen sind. Wer also Interesse an den hier genannten Bands hat, sprich wem ich was aufnehmen soll, der möchte doch bitte mit mir in Kontakt treten (Rückporto bzw. Telefonnummer nicht vergessen). Selbstverständlich stehe ich auch für weitere Informationen über Neuseeland zur Verfügung und kann für New Plymouth auch weitere Kontakte herstellen. Auch wenn es sich unmöglich anhört, aber wer Bock auf eine Tour hat bzw. seinen Urlaub so finanzieren möchte, der kann sich zwecks Label-Anschriften, etc. ebenfalls melden. It´s up to you and have fun! Liebe Grüße natürlich noch an meine Jungs Ronni und Michi (Ihr kennt den richtigen Weg).

Andy