NIGHT BIRDS

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Warum Hardcore keineswegs seit 1984 tot ist!

Mit NIGHT BIRDS aus New Jersey haben die beiden Qualitätslabels Grave Mistake (USA) und Taken By Surprise (Europa) eine der derzeit vielversprechendsten Oldschool-Hardcore-Combos überhaupt unter Vertrag. Schon die ersten Singletracks, vor allem „Bad biology“, „Killer waves“ und „Midnight movies“, waren frische, auf den Punkt gebrachte Punkrock-Knaller. Während man bei vielen Bands, die sich einem ganz bestimmten Stil verschrieben haben, irgendwann das Interesse verliert, weil sie sich nur noch wiederholen, bleiben NIGHT BIRDS auf konstant hohem Niveau interessant und legen mit der zweiten LP „Born To Die In Suburbia“ mühelos nach. Sie spielen Achtziger-Westcoast-Sound mit Surfgitarren, und Klassikerbands wie DEAD KENNEDYS, ADOLESCENTS und AGENT ORANGE sind der aus Überresten von THE ERGS!, PSYCHED TO DIE und HUNCHBACK entstandenen Band nicht fremd. Dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist und warum Hardcore keineswegs seit 1984 tot ist, diskutierte ich mit dem Sänger und werdenden Vater Brian Gorsegner.

Gerüchten zufolge gab es für die neue LP ein Angebot von Fat Wreck. Es kam dort dann nur die Single, die LP kam wieder auf Grave Mistake/TBS. Warum?

Die „Maimed For The Masses“-Single haben wir kurz vor der LP auf Fat Wreck rausgebracht. Wir haben uns trotzdem für Grave Mistake und TBS entschieden, weil es enge Freunde sind und weil sie sich für das erste Album den Arsch aufgerissen haben. Sie haben mehr für uns getan, als wir je verlangt hätten, waren mit uns auf Tour, haben für uns Shows gebucht, ließen uns in ihre Wohnungen – da wussten wir von Anfang an, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Um nun eine LP rauszubringen, braucht es viel Hingabe auf beiden Seiten, während eine 7“ eine praktische Möglichkeit ist, um herauszufinden, wie der jeweils andere tickt. Tendenziell mischen wir uns in jeden Aspekt ziemlich ein, wenn wir eine Platte machen, und das finden viele Labels nervig und aufdringlich. Es muss gemastert werden, wo wir es für richtig halten, wir wollen, dass unsere Kumpels das Artwork machen, und würden keinem Label erlauben, einen Song von der Platte zu nehmen oder was zu ändern. Fat Wreck ist für ein Punkrock-Label seit geraumer Zeit echt groß, und ich hatte keinen Schimmer, wie eine Firma dieser Größenordnung arbeitet. Wir dachten, es wäre gut, wenn sich Band und Label anhand einer weniger elementaren Veröffentlichung wie einer Single kennen lernen können, und sie hätten echt nicht cooler zu uns sein können. Nach dem ersten Telefonat mit Labelmanager Chad wusste ich, dass sie nur die besten Absichten hatten. Wir hatten weiterhin die komplette Kontrolle über jeden Aspekt und sie fanden all unsere blöden Ideen gut. Irgendwann habe ich gesagt, ich will jedem in der Band Blut abnehmen und die 100 limitierten Cover damit bespritzen, und soweit ich mich erinnern kann, fanden sie auch das noch cool.

In einem Review zu eurer neuen LP kann man lesen: „NIGHT BIRDS sind eine Band des Augenblicks, die man noch in zehn Jahren verehren und zu kopieren versuchen wird.“ Was sagst du dazu?

Schön zu hören! Natürlich hoffe ich, dass sich das bewahrheitet. Wir tun echt alles, um die bestmöglichen Songs zu schreiben, die auch noch in ein paar Jahren Bestand haben.

Gab es Diskussionen über den Sound der Platte?

Wir versuchen einfach nur, catchy Punkrock-Songs mit Surf-Elementen zu schreiben, weiter geht die Diskussion eigentlich nicht. So oft wir auch mit ADOLESCENTS und DEAD KENNEDYS verglichen werden, es sind doch weitaus mehr Einflüsse, die unseren Sound prägen, als nur diese beiden. Es stört mich nicht, mit diesen Bands verglichen zu werden, ich mag sie beide sehr. Ich nehme nur an, sobald Leute die Melodien in unseren Songs hören, setzen sie uns fast automatisch mit diesem frühen Achtziger-Westcoast-Sound gleich. Dabei finden wir Inspiration in allen erdenklichen Genres, und das ist es auch, würde ich sagen, was eine gelungene, eine „runde“ Platte von einer eindimensionalen abhebt.

Bei eurem Auftritt 2011 im Cafe Kult in München war einer euer Gitarristen schwer lädiert. Was war in der Nacht zuvor passiert? Er spielt auch nicht mehr bei euch, richtig?

Nein, Mike hat uns verlassen, um mehr Zeit in seinen Plattenladen Co Op 87 zu stecken, den er kurz vor besagter Europatour eröffnet hat. Wir haben die Nacht davor im Epplehaus in Tübingen gespielt und da waren Monitore auf der Bühne, die man kaum sehen konnte, weil es so dunkel war. Er ist auf der Bühne nach vorne gerannt, hat einen der Monitore übersehen und ist mit der Gitarre auf seinen Rippen auf dem Boden gelandet, dann aber wieder auf die Bühne geklettert und hat einfach weitergespielt. In der Nacht hatte er dann schlimme Schmerzen beim Atmen und musste am Morgen ins Krankenhaus. Soweit ich mich erinnere, hat er sich ein paar Rippen geprellt oder gebrochen. Ich weiß nicht mehr genau, was sich im Krankenhaus abgespielt hat, aber ich glaube, er hat gesagt, er wäre Austauschstudent und hat sich irgendeinen blöden Fake-Namen ausgedacht, der mir gerade nicht mehr einfällt.

Du sagtest mal, dass viele alte Punk-Ikonen in Dokus wohl glauben, dass Punk nicht mehr existiert oder zu so Sachen wie SUM 41 verkommen ist. Auch wenn ich solche Filme mag, finde ich es immer seltsam, wie einem so alte Männer fast ausnahmslos erzählen, wie unvorstellbar und nicht zu toppen ihre glorreichen Tage waren. Es lebe die Verklärung, was?

Ich liebe es, etwas über die Anfänge von Punk zu hören und die persönlichen Geschichten, die damit erzählt werden. Es ist nur dieser stumpfsinnige Standpunkt, dass Punk aufgehört hätte zu existieren, sobald sich die Leute damals davon abwendeten, der mich nervt. Leute wie Al Quint vom Suburban Voice-Fanzine oder Jim Testa von Jersey Beat haben unglaubliche Sachen und Bands in den Siebziger und Achtziger Jahren gesehen, aber sie sind ebenso daran interessiert, wenn im Jahr 2013 genauso überwältigende Sachen passieren. Die Leute von THE EFFIGIES würden versuchen, dir zu erzählen, dass Hardcore seit 1984 tot ist. Aber POISON IDEA haben „Feel The Darkness“ 1990 rausgebracht, „Nothing To Nothing“ von TEAR IT UP kam erst in den 2000ern, oder nimm GOVERNMENT WARNING und „No Moderation“ oder „Attempted Suicide“ von CAREER SUICIDE. Ich könnte ewig so weitermachen, das sind echt einige der besten Hardcore-Platten ever. Die können alle mit den Klassikern aus den Achtzigern mithalten. Man sollte einfach mal einen dieser engstirnigen, alten Säcke mit ihrer „Hardcore ist tot“-Attitüde in dem Moment vor die Bühne schubsen, wenn TRAGEDY „The ending fight“ spielen – als Beweis, wie falsch sie liegen!

Was denkst du über diese FLAG/BLACK FLAG-Geschichte?

Mich interessiert keine der beiden Bands wirklich. Ich liebe es, Bill Stevenson Schlagzeug spielen zu sehen, daher würde ich eher zu FLAG gehen. FLAG scheint auch eine spaßigere Angelegenheit für die Jungs zu sein. Ich liebe die Songs, die beide Bands spielen, aber es spricht mich nicht besonders an, FLAG vor 5.000 Leuten zu sehen. Wenn Konzerte so riesig werden, ist der intime Rahmen einer normalen Hardcore-Show einfach weg. Ich konnte BLACK FLAG 1983 nicht live sehen, denn in diesem Jahr wurde ich erst geboren, und auch wenn das schade ist – ich kann damit leben! Ich habe BLACK FLAG und MINOR THREAT-Logos auf meiner Haut tätowiert, aber die selben Überlegungen würden gelten, wenn Ian plötzlich MINOR THREAT wieder ins Leben rufen würde. Ich kann total nachvollziehen, warum Leute zu den Shows gehen und es gut finden, und wie schon gesagt, wenn es den Leuten in den Bands auch Spaß macht, von mir aus! Aber mir das anzuschauen, reizt mich nicht annähernd so, wie einer Band aus unserer Zeit dabei zuzusehen, wie sie im Hier und Jetzt Geschichte schreibt, wie etwa SCREAMING FEMALES.

Ihr spielt bald ein paar Shows mit MODERN LIFE IS WAR, die ich sehr schätze. Aber was hältst du als Oldschool-Hardcore-Frontmann von modernem Hardcore à la DEFEATER, VERSE, TOUCHÉ AMORÉ?

DEFEATER und TOUCHÉ AMORÉ hab ich nie gehört. Von VERSE hatte ich das Demo, und ich weiß noch, dass es mir recht gut gefallen hat. Mit MODERN LIFE IS WAR bin ich seit ihrer erster Tour befreundet, und – kleiner Fun-Fact – ich habe sogar auf dem ersten Demo Back-up-Vocals gesungen! Es ist cool zu sehen, dass die Jungs gerade wieder dabei sind, eine solche Macht in der Hardcore-Szene zu werden. Die sind aus Cedar Falls, Iowa, wo du eine zwölfstündige Autofahrt auf dich nehmen musst, um auch nur zum nächsten Ort zu gelangen, an dem es sich irgendwie lohnt, am Wochenende ein paar Konzerte zu spielen. Das erfordert verdammt viel Arbeit und Energie, aber sie sind dafür ins Feld gezogen und hatten Erfolg, und ich habe nichts als tiefe Sympathie für MLIW übrig.

Sagen wir, ihr müsstet fünf Songs aus dem Dischord-Katalog covern. Welche wären das?

MINOR THREAT und STATE OF ALERT muss ich ausschließen, da wäre jeder Song aus der gesamten Diskografie geil zu covern! Ich nehme „Sneakers“ von TEEN IDLES, „Wasteland“ von ARTIFICIAL PEACE, „My rules“ von VOID, „Rock’n’roll bullshit“ von GOVERNMENT ISSUE und EMBRACE, „Dance of days“.

Wer ist der am über-, wer der am unterbewertetste Punk-Frontmann aller Zeiten, wer dein Favorit?

Ich glaube nicht, dass man hier von über/unterbewertet sprechen sollte. Die Leute mögen, was sie eben mögen, das sind einfach nur persönliche Geschmäcker. Ich muss HR von den BAD BRAINS bestimmt kein zweites Mal mit einem Weltraumhelm auf dem Kopf auf der Bühne sehen, aber hey, jedem das seine! In jüngster Vergangenheit sind Kenny von GOVERNMENT WARNING und Tony von MUNICIPAL WASTE/IRON REAGAN zwei meiner persönlichen Favoriten.

Was sind eure nächsten Pläne?

Es sind noch ein paar Konzerte geplant, aber dann wird die Band wohl für ein paar Monate Pause machen, denn meine Frau Amanda erwartet am 19. November unser Baby, und dann will ich zu Hause sein und Zeit mit meiner Familie verbringen. Für 2014 stehen schon ein paar coole Sachen an, und ich denke, wir sollten dann auch mal wieder zu euch nach Europa kommen.