SAIGOONS

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Trios sind sexy!

Triobesetzungen sind immer etwas Besonderes: Hier reduziert sich die Musik auf das Notwendigste und erhält sich so ihre Ursprünglichkeit. Man kann die Frequenzen und Instrumente einwandfrei auseinanderhalten und dennoch ist der Sound voll und ausgewogen. SAIGOONS aus Düsseldorf sind so ein Trio: sie spielen Endsiebziger-Punk mit Garage-Einschlag, mitunter psychedelisch, manchmal auch instrumental, immer aber zackig, drahtig und schmutzig, wie ein Satz zwei Jahre alter Gitarrensaiten im feucht-klammen Proberaum. Vor einem Jahr wurde die erste 3-Song-EP rausgehauen und seit April 2013 gibt es jetzt also einen weiteren Appetizer auf das Ende des Jahres kommende Album. Die Maxi-CD „110“ ist auf 100 Stück limitiert und wurde im Dezember 2012 im Essener Heizraum Studio aufgenommen. Die Texte pendeln zwischen Kritik und Bewältigung: „Keine Lücke riskieren in deinem Lebenslauf! Gib mir noch’n Sixpack, Tankwart!“. Gute Sache, insgesamt!

Wann habt ihr das letzte Mal die Nummer 110 selber gewählt?

Schröder: Ich arbeite als Lehrer an einer Förderschule für geistige Entwicklung und habe kurz vor diesen Sommerferien eine Kollegin und die Klasse zu einem Tagesausflug begleitet. Während des Ausflugs verschwand ein Kind mit Down-Syndrom in einem riesigen Maisfeld, wir haben relativ zügig die Polizei gerufen, weil die Chance, ein gehörloses Kind in so einer Situation wiederzufinden, aussichtslos ist. Die Polizei kam dann direkt mit Spürhunden und fand das Kind sogar ziemlich schnell. Einer der Polizisten musste mir dann natürlich noch zwingend und rotzfrech den obligatorischen Belehrungssatz aufsagen ...

Christian: In den Neunzigern habe ich die 110 gerufen, als ich eines Tages in meinen damaligen Proberaum kam und da lag nur noch der Teppich. Es stellte sich dann heraus, dass der verantwortliche Proberaum-Mitmieter die Kohle seit Monaten nicht an den Vermieter überwiesen hatte, da hat der irgendwann den Proberaum ausräumen lassen.

Wieso benennt ihr euch nach einer vietnamesischen Stadt und warum heißt die Band eigentlich nicht Ho-Chi-Minh-Stadt?

Christian: Du weißt ja gar nicht, welche Städtenamen da noch so im Spiel waren, hehe ... Die Frage gebe ich deshalb weiter an unsere Asienexperten.

Johnny: Eigentlich sollte die Band nach der Stadt Bangkok benannt werden, aber THE BANGKOKS hatte dann doch zu viel Doppeldeutigkeit, haha ... Wir haben uns dann für ein Wortspiel mit der Hauptstadt Saigon entschieden und noch das englische „goons“ drangehangen, also Trottel oder Schlägertypen.

Schröder: SAIGOONS klingt einfach gut. Saigon ist eine schöne Stadt und wir haben anfangs in der Visualisierung auch etwas mit asiatischen Einflüssen gespielt. Aber als Bandname hat SAIGOONS einfach etwas Schlagwortartiges und ist garantiert griffiger als Ho-Chi-Minh-Stadt.

Ihr legt viel Wert auf Äußeres und spielt eure Auftritte im Anzug. Ist das der Düsseldorf-Mode-Schickimicki-Einfluss oder wo kommt das her?

Christian: Ich betrachte das minimalistisch, weil wir uns genau deswegen nämlich nicht irgendeinem Modezwang unterwerfen, sondern das visuell reduzieren.

Schröder: Jede Band, die auf die Bühne geht, trägt in irgendeiner Form eine besondere Kleidung. Deswegen sehe ich das auch eher als Arbeitskleidung und nicht so sehr als regionales Mode-Schickimicki. Mit meiner letzten Band THE LAZY BOMBS waren wir ja immer geschminkt und aufgetakelt, so Glampunk-mäßig, aber mit meiner Attitüde hatte das ziemlich wenig zu tun. Bei den SAIGOONS benutzen wir die adretten Anzüge als Blickfang und als Kontrast, den wir widerspiegeln können.

Johnny: Trios in Anzügen sind sexy! Schwarze Anzüge mit schmalen Krawatten sind zeitlos. „Modestadt Düsseldorf“ war dabei nicht unsere Intention, aber zum Beispiel in einem AZ führte es dazu, dass ich gefragt wurde, ob ich zur Jungen Union gehöre, haha ... Es hat auch was von Understatement, weil es im Gegensatz zur kantigen, unsauberen und rohen Musik so schick und zeitlos ist. Die Idee war, rohe Musik zu machen und dabei smart auszusehen.

Ihr wollt euch nicht auf die deutsche Sprache beschränken. Geht das zu Lasten der textlichen Aussage, oder legt ihr eh mehr Wert auf den Groove, die Beats und die Melodien?

Schröder: Nein, Musik und Texte sind gleichwertig. Gerade die textliche Anpassung an die Musik entscheiden wir gemeinsam. Wir gehen immer recht unbedarft in den Proberaum und gucken dann mal, was dabei rauskommt. Wichtig ist, dass es stampft.

Johnny: Ursprünglich haben wir ja englischsprachig angefangen. Aber schon während der ersten Proben gingen wir dazu über, deutschsprachige Songs beziehungsweise auch innerhalb eines Stücks zweisprachig zu singen. Manche Gedanken kann ich eben auf Englisch besser ausdrücken und empfinde die dann auch mehr in-the-face. Wir halten die Texte ja sowieso etwas verschlüsselt, „Tankwart“ ist ja nun beileibe keine Säuferhymne, sondern da steht ja noch was zwischen den Zeilen.